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- Shanghai Riverside Promenade
Am Huangpu-Fluss, der durch Schanghais Zentrum fließt, zieht sich auf beiden Flussseiten die sogenannte Riverside Promenade entlangmit einer Gesamtlänge von beachtlichen 45 Kilometern. Insgesamt ist die Promenade in fünf Abschnitte eingeteilt, für jeden Stadtteil, durch den sie führt, einen. Yangpu Riverside 2,8 km Hongkou Riverside 2,5 km Huangpu Riverside 8,3 km Xuhui Riverside 8,4 km Pudong Riverside. 23,0 km Früher war der Fluss gesäumt von Fähren-Terminals, Werften, Fabriken und alten Wohnvierteln. Leute, die das damalige Schanghai kannten, berichten, dass der Fluss kein Ort war, an dem man sich gern aufhielt. Das änderte sich mit der Anlage der Promenade. Wohnquartiere und Fabriken wurden umgesiedelt, statt dessen entstand ein multifunktionaler Park mit Radwegen, Joggingstrecken, Yachthäfen, Cafés usw. Mich zieht mich immer wieder dorthin. Ja, die Promenade ist sogar einer meiner Lieblingsorte in der Stadt geworden. Die Pudong Riverside liegt nachmittags voll in der Sonne und besonders an Wintertagen tut es gut, dort lange Spaziergänge zu machen, Sonne zu tanken oder sich in eines der schönen Cafés zu setzen, ein windgeschütztes Plätzchen zu suchen und die unentwegt vorbeifahrenden Schiffe anzuschauen. Pudong Riverside Promenade Die Pudong Riverside Promenade liegt auf der Seite des Finanzdistrikts mit dem Oriental Pearl Tower und der Skyline. Man erreicht die Promenade mit der Metrolinie 2, Station: Lujiazui. Der Fluss liegt hinter dem Oriental Pearl Tower oder dem Museum of Art Pudong (MAP) liegt. Man kann statt mit der Metro auch mit einer Fähre von der Westseite des Flusses übersetzen. Die Fähren legen ab in der Nähe des historischen Gutzlaff Signal Towers. Weiß-gelbe Fähren bringen einen über den Fluss. Sie sind ein preisgünstiges Verkehrsmittel. Sogar an trüben Wintertagen ist es ein schöner Ort. Hongkou Riverside Auf der gegenüberliegenden Seite von Pudong befindet sich der Abschnitt der Hongkou Riverside. Der Stadtteil Hongkou beginnt bzw. endet an der Waibaibu Brücke. Waibaidu Bridge Von dort aus läuft man stadtauswärts, also weg vom Bund mit den historischen Kolonialbauten. In diesem Promenadeabschnitt gibt es weniger Cafés, dafür aber den Kletterpark "Magic Jungle" und nebenan einen schönen Park direkt an der Promenade.
- Shanghai Tower - Top of Shanghai
Die drei höchsten und auffälligsten Wolkenkratzer Schanghais, der Shanghai Tower, das Jin Mao Gebäude und das World Financial Center, bilden zusammen mit dem Oriental Pearl Tower die charakteristische Skyline im Bezirk Pudong, direkt am Huangpu Fluss. Das mit Abstand höchste Gebäude ist mit 632 Metern der Shanghai Tower, längere Zeit war er das zweihöchste Gebäude der Welt, 2021 rutschte er auf den dritten Platz. Beim Run um Höhenrekorde hat sich China ausgeklinkt. Eine Verordnung regelt mittlerweile, dass eine Höhe von 300 Metern nicht überschritten werden soll. Auf Rekorde abzielende Bauvorhaben würden nur Ressourcen vergeuden und keinen Nutzten bringen. Der Bau des Shanghai Towers verschlang zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden. Der Turm hat eine charakteristische Form und wirkt mit seiner gedrehten Fassade wie in Bewegung. Das ist nicht bloß gestalterische Spielerei, sondern es den Windkräften und Taifunen besser trotzen. Außerdem soll die Fassade Wasser sammeln und energiesparend sein. Vor allem abends bieten die Wolkenkratzer in Pudong einen spektakulären Anblick, wenn sie farbenprächtig beleuchtet sind. Das World Financial Center strahlt in Blau und um sein oberes Drittel funkeln hunderte Lichter. Um den Shanghai Tower läuft ganz oben ein weithin sichtbarer Leucht-Schriftzug, der die Gäste aus der ganzen Welt mit " 欢迎来到上海 Welcome to Shanghai " begrüßt. Der Jin Mao Tower strahlt in Platin-Weiß und der ganze Eindruck dieses Skyline-Ensembles wird abgerundet durch das ständig wechselnde Farbspiel des Oriental Pearl Towers, der bei Nacht besonders schön aussieht. Die kleineren Wolkenkratzer davor haben leuchtende Fassaden, auf denen ganze Bilder aus Licht entstehen: Schmetterlinge, Orchideen usw. Das Ticket zum Observation Deck im Shanghai Tower kostet 30 Euro. Der schnellste Fahrstuhl der Welt bringt einen in 55 Sekunden auf 546 Meter Höhe und damit auf die höchste Aussichtsplattform der Welt. Insgesamt 106 Aufzüge gibt es in dem Turm. Ein Display in der Kabine informiert genau über die Geschwindigkeit und die Position des Fahrstuhls. Das beruhigt und selbst mit Fahrstuhlphobie kann man es sehr gut aushalten. Der Fahrstuhl beschleunigt sanft, die Fahrt ist kurz und eh man sich versieht, ist man oben angekommen. Die Aussicht auf Schanghai ist spektakulär. Idealerweise fährt man vor Sonnenuntergang hoch. Dann erlebt man den Tag, die Dämmerung und das nächtliche Lichtermeer. So leer ist es selten. Ich habe die Zeit von Corona genutzt. Der Besuch ist nicht in 15 Minuten beendet, man bleibt einige Zeit oben, schaut sich die Stadt im verändernden Licht an, holt sich zwischendurch einen Kaffe oder Wein, setzt sich ans Fenster und wartet auf die Nacht. An manchen Stellen sieht man das Ende der Bebauung der Stadt. Aber wo ist das Meer? Es ist so weit weg, dass es im Dunst verschwindet. Immerhin erkennt man den Yangtze in der Ferne. Das alte Schanghai lag nicht am Meer, auch nicht am Yangtze, sondern am Huangpu Fluss. Blick nach Osten - ganz im Hintergrund bei den Kraftwerkschornsteinen fließt der Yangtze, vorne in der Mitte das World Financial Center - immer wieder erstaunlich, auf sehr hohe Wolkenkratzer hinunterzuschauen und sich wie im Flugzeug zu fühlen. Blick nach Westen - über den Huangpu Fluss spannt sich die Nanpu-Brücke. Blick nach Puxi mit den historischen Gebäuden am Bund, die sich von hier oben ausmachen wie Spielzeug Noch einmal Blick nach Westen - links die beleuchtete Nanpu-Brücke, weiter hinten rechts die blaue Lupu Brücke
- French Consession und Opiumkrieg
Der Erste Opiumkrieg Der Niederlassung vieler Franzosen in Schanghai waren die Opiumkriege vorausgegangen, die aus wirtschaftspolitischen Interessen geführt wurde. China war seit dem Zeitalter des europäischen Barock durch seine Luxusgüter Seide, Porzellan oder Tee zu einer wirtschaftlichen Supermacht geworden und hatte enormen Silberreichtum angehäuft. In die umgekehrte Richtung wurde nichts gehandelt. China gab sich selbstgenügsam und sichtlich unbeeindruckt von europäischen Produkten. Der chinesische Handelsüberschuss weckte Begehrlichkeiten bei den Engländern. Hinzu kam, dass den Briten das Silber ausging, seitdem die USA, eine der wichtigsten Silberquellen von den Engländern unabhängig geworden waren. Um an den chinesischen Reichtum zu kommen, schmuggelten die Briten schließlich Opium, das in Bengalen produziert wurde, durch die British East India Company illegal nach China, obwohl die chinesische Regierung den Opiumhandel verboten hatte. Die Opiumabhängigkeit in der Bevölkerung stieg enorm an, die Produktivität Chinas erlahmte und der Handelsüberschuss kehrte sich um, da das Opium bezahlt werden musste. China wurde durch den Opiumschmuggel derart geschwächt, dass der Staatsapparat beunruhigt eingriff. In einem offenen Brief an Queen Victoria appellierte der Kaiser an deren moralische Verantwortung, den Opiumhandel einzustellen, worauf Victoria nicht reagierte. Der Handel zwischen China und anderen Nationen verlief ausschließlich über die Hafenstadt Kanton im Süden des Landes, an der Perlflussmündung gelegen. Durch diesen einzigen Hafen konnte man den Handel wie durch ein Nadelöhr bündeln und gut kontrollieren. Dort gelangte auch das Opium nach China. Schließlich ließ China den Hafen von Kanton sperren, beschlagnahmte sämtliche Schiffsladungen und ließ eine große Menge Opium vernichten. Großbritannien hatte damit einen Kriegsgrund und entsandte eine Kriegsflotte nach China, die dem Reich eine verheerende Niederlage beibrachte, so dass man in China gezwungen war, den Vertrag von Nanking (den ersten der "Ungleichen Verträge") zu unterzeichnen. Die ungleichen Verträge Mit diesem Vertrag entzogen die Briten den Chinesen die Souveränität über den eigenen Außenhandel und öffneten die Märkte für sich und andere Europäer. Fünf Häfen wurden für ausländische Schiffe freigegeben, unter anderem Schanghai. Exterritorialität für Ausländer, die Meistbegünstigung im Handel und eine Konsulargerichtsbarkeit, Reparationszahlungen, Öffnung für christliche Mission sowie die Abtretung von Hongkong „auf ewige Zeiten“ kamen als weitere Eingriffe in die chinesische Souveränität hinzu. Mit HongKong, der Insel vor dem Perlflussdelta, hatten die Briten die perfekte Möglichkeit, das ehemalige Nadelöhr für den chinesischen Außenhandel zu kontrollieren. Der Opiumhandel, der bisher illegal verlief, wurde nun auch freigegeben, was die Gesundheit der chinesischen Bevölkerung nachhaltig erschütterte. Der Erste Opiumkrieg leitete den Niedergang Chinas ein von der einstigen Hegemonialmacht Asiens zur informellen Kolonie europäischer Mächte, die China bis zur Wende im 20. Jahrhundert bleiben sollte. Aus chinesischer Perspektive ist die Zeit vom Ersten Opiumkrieg 1842 bis zur Ausrufung der Volksrepublik 1949 das "Jahrhundert der Demütigung". Insgesamt hatten viele westliche Großmächte ihre Konzessionen in China: Großbritannien besaß 12, Japan hatte 9, Frankreich hatte 6, Russland 4, Deutschland 3, die USA 2 und jeweils eine Konzession hatten Portugal, Belgien, Italien und Österreich-Ungarn. Wo lagen die Konzessionen in Schanghai? Ein Blick auf einen historischen Stadtplan von 1935 verdeutlicht die Sache: Die Konzessionen in Schanghai. Quelle der Abbildungen: Klick auf die Bilder. Beide Karten zeigen ungefähr denselben Ausschnitt Schanghais. Man sieht deutlich die Windung des Huangpu-Flusses. Auf der westlichen Seite des Flusses erstreckt sich rot eingezeichnet die französische Konzession, darüber liegt in Ocker die britische Konzession, die bis zu dem kleinen geschlängelten Fluss, dem Suzhou Creek, reicht. Der ockerfarbene Teile der sich dann nördlich vom Suzhou Creek und Huangpu Fluss nach Osten ausdehnt, war die amerikanische, später internationale Konzession. Die alte chinesische Stadt ist der kleine ovale Bezirk östlich der French Concession, die auf der Nordseite von der französischen Konzession wie von einem Kragen umgeben ist.. Die Konzessionen waren Territorien auf chinesischem Boden, die der Souveränität Chinas entzogen waren und alles aufwiesen, was ein Staatsgebilde ausmacht: eigene Gerichtsbarkeit, eigene Polizei, eigenes Militär usw. Natürlich war das ein Stachel im Fleisch Chinas, ebenso wie das Zustandekommen der Ungleichen Verträge. Im Übrigen setzte der Westen seine Machtausweitung fort mit dem Zweiten Opiumkrieg und weiteren ungleichen Verträgen. Aus der heutigen chinesischen Perspektive ist die Gründung der Volksrepublik, eine Überwindung der westlichen Dominanz. Die French Concession heute Heute ist die French Concession vor allem bei jungen Leuten ein sehr beliebter Stadtteil wegen der vielen schönen Häuser, Cafés, Bars, Restaurants, Boutiquen, Buchläden usw. Platanenallee in der Former French Concession Das Gebiet der Französischen Konzession ist geprägt von Platanenalleen, die angepflanzt wurden, um Schatten zu spenden und Kühlung zu bringen. Vor allem aber verschönern sie das Straßenbild. Viele freistehende Häuser wurden im europäischen Stil gebaut und sind von großen Gärten umgeben. Man sieht die Gebäude selten im Ganzen, da die Grundstücke oft ummauert sind. Allenfalls ragt ein landhausartiger Fachwerkgiebel oder ein Dach über die Umgrenzungen hinaus. Häuser mit kleineren Grundstücken reichen oft bis an die Bürgersteige und sind heutzutage schöne historische Stadthäuser in gediegener, ruhiger und grüner Umgebung, in der man von Vogelgezwitscher geweckt wird inmitten der 25 Millionen-Metropole. An fast allen Häusern verweist ein Schild der Distriktverwaltung Xuhui auf den kulturhistorischen Wert der Gebäude als "Cultural Relief Preservation Site", als Denkmalschutzobjekt.
- Reise nach Yunnan
Yunnan liegt im Südwesten Chinas, ist so groß wie Deutschland und die Niederlande zusammen und kann wegen seiner kulturellen und biologischen Vielfalt als eine der ungewöhnlichsten Provinzen Chinas bezeichnet werden. Im Norden grenzt es an Tibet und Sichuan, im Süden bildet es Chinas Außengrenze zu Laos, Myanmar und Vietnam. Entsprechend unterschiedlich sind die Klimazonen vom Hochgebirge im Norden, in dem Tibeter leben, bis zu tropischem Dschungel im Süden mit Regenwald, in dem Elefanten zu Hause sind. Von den insgesamt 55 anerkannten ethnischen Minderheiten Chinas leben allein 36 in Yunnan, deren Bräuche und Traditionen nicht selten zum Weltkulturerbe zählen. 3,5 Stunden Flug von Shanghai nach Yunnan, die Provinz liegt auf halber Strecke bis zur Westgrenze Chinas in Zentralasien. Chinas Größe erstaunt immer wieder. Unter mir tauchen die ersten Ausläufer des Himalayas auf. Die Reise ging in den Norden Yunnans, also in die Berge, zuerst nach Kunming, der Provinzhauptstadt, von dort weiter nach Dali, der Stadt der ethnischen Minderheit Bai und Zentrum des ehemaligen Königreichs Dali, danach ganz in den Norden nach Shangri-La, ins Gebiet der Tibeter und von dort wieder Richtung Süden nach Lijiiang, der Hauptstadt des ehemaligen Königreichs der Naxi. Alle Orte lagen während der gesamten Zeit über 2000 Meter, den Rekord stellte Shangri La mit 3200 Metern auf. Kunming, Provinzhauptstadt Yunnans In Kunming kam ich abends an. Mich erwartete das traditionelle Chinesische Neujahrsfest mit Böllern und Feuerwerk, das in China nicht nur um Mitternacht entzündet wird, sondern bereits den ganzen Abend zuvor. Der Höhepunkt ist zweifelsohne nachts um zwölf, setzt sich aber bis in den Morgen und auch in den folgenden Tagen fort. Es gibt überall Verkaufsstände, die massenweise Knallkörper und Feuerwerk anbieten. Vor einigen Jahren war das Knallen noch von der Regierung verboten worden, aber niemand hielt sich daran. Inzwischen hat man diese Einschränkungen wieder aufgehoben, denn die Chinesen lieben ihr Feuerwerk. Es ist so etwas wie ein nationales Kulturerbe. Das Schwarzpulver wurden vor circa 1000 Jahren in China erfunden. Der erste Tag des neuen Jahres begann mit Sonnenschein und auch wenn in Europa der Neujahrstag schon einige Wochen zurück lag, stellte sich bei mir ein Gefühl echter Neujahrsstimmung ein, vor allem bei einem Spaziergang mit herrlichstem Sonnenschein an diesem ganz frischen Neujahrsmorgen im Smaragd-See-Garten (Green Lake Garden). Kunming gilt als Stadt der Blumen und wegen ihres milden Klimas als Stadt des ewigen Frühlings. Weil Kunming nur der Ausgangspunkt meiner Reise war, wollte ich mich nicht lange aufhalten. Schon bald ging es weiter nach Shilin, den Steinwald, circa 120 Kilometer südlich von Kunming, eine Karstlandschaft, die mit ihren besonderen Gesteinsformationen zum UNESCO-Welterbe zählt. Die seltsamen Felsen kann man auf Spaziergängen durch Schluchten und beim Erklimmen von Gipfeln durchwandern. Beeindruckender fand ich jedoch, dass an diesem Neujahrstag viele Besucher in traditionellen Trachten kamen. Vor dem Eingangsgebäude des Naturparks sitzt eine Reisegruppe von Uiguren. Noch am gleichen Abend ging es von Kunming im Zug weiter nach Dali. Fahrt aus Kunming mit dem Zug, diesen Anblick könnte man auch in einer deutschen Großstadt haben, z.B. Frankfurt. Dali Dali war im 8. und 10. Jahrhundert die Hauptstadt zweier großer Königreiche, während der Tang-Dynastie von 738 - 902 n. Chr. war es das Zentrum des Königreichs Nanzhao, in der darauffolgenden Song-Dynastie um 938 wurde daraus das Königreich Dali, das 500 Jahre währte, bis es von den Mongolen unter Kublai Khan, einem Enkel des legendären Dschingis Khan erobert wurde. Während der Eroberung wurden die Altstadt und der Palast zerstört und das politische Gewicht verlagerte sich von Dali nach Kunming. Die heutige Altstadt Dalis wurde Anfang des 14. Jahrhunderts während der Ming-Dynastie wieder aufgebaut. Die Stadt liegt zwischen dem Fuß des Cangshan-Gebirges und dem Ufer des Erhai-Sees auf 2000 Metern Höhe. Die Berge des Cangshan-Gebirges haben immerhin beachtliche 4000 Meter. Von unten aus der Stadt Dali wirken die Berge nicht sehr hoch, da man selbst schon auf 2000 Metern ist und die Berge bis weit nach oben bewaldet sind. Eine Straße in Dalis Altstadt. Im Hintergrund sind die die Berge des Cangshan-Gebirges zu sehen. Sie erheben sich unmittelbar am Westrand der Altstadt und sind 4000 Meter hoch. Der Erhai-See an dessen Ufer Dalis Altstadt liegt. Das historische Zentrum Dalis sieht aus, wie man sich eine alte Stadt Chinas klischeemäßig vorstellt, keine Hochglanzskyline, stattdessen zweigeschossige Häuser und prachtvolle Stadttore, größtenteils aus Holz errichtet und mit aufwendigen Schnitzereien versehen. Das Südtor Dalis - Dali hat vier große Stadttore, die Stadt ist rechteckig angelegt, zwei Hauptstraßen, die sich orthogonal in der Mitte kreuzen und jeweils an einem der vier Tore enden. Das Nordtor, davor Händler, die Feuerwerke verkaufen. Als ich abends ankam, war auch diese Stadt in Neujahrsstimmung getaucht, ohrenbetäubender Lärm von Chinakracher-Kaskaden füllte die Luft, immer wieder gingen irgendwo festliche Feuerwerke in den Himmel, viele Menschen ließen sich durch die Abendstimmung treiben, die Luft war vom Rauch und Dampf der Garküchen und Grills, vom Schwarzpulver und dem Duft von frisch Gegrilltem getränkt und die bunten Lichter der Restaurants, beleuchteten Gebäude und Garküchen versanken in der Unschärfe der rauchigen Luft. Das Westtor, auch hier Feuerwerksverkäufer. Xi-Zhou, ein Stadtteil Dalis Größere Städte wie Dali entstanden durch Eingemeindungen von kleineren Städten, die oft alte Stadtzentren haben. Daher gibt es nicht nur eine Altstadt in Dali, sondern gleich mehrere. Diese kleineren eingemeindeten Städte wirken aber oft autark, da sie mitunter einige Kilometer entfernt von der Zentralstadt liegen. Xi-Zhou ist eine dieser alten, kleinen Städte, die heute zu Dali gehören. Als typisches Street-Food sollte man unbedingt Xi-Zhou-Ba-Ba probieren, die beste Spezialität Dalis. Teigstücke werden mit ordentlich Schmalz bestrichen, Speck und Frühlingszwiebeln darüber gestreut und anschließend alles gebacken. Das Ganze ist ziemlich fettig, hat Kalorien für einen Winter, aber es schmeckt. Za Ran - Batiktechnik der Bai In Dali und seiner Umgebung ist die ethnische Minderheit der Bai beheimatet. Die Frauen tragen ihre Trachten nicht nur an Feiertagen, sondern täglich, verrichten darin ihre Arbeit, waschen darin Gemüse auf dem Markt, schuppen Fische auf der Straße oder stellen Batiktücher her Hauptsächlich tragen ältere Frauen Trachten. Die Volksgruppe der Bai zählt etwa 1,9 Millionen Menschen, die hauptsächlich in Yunnan leben, aber auch in Guizhou und Hunan. Ihre Bai-Sprache gehört zur chinesisch-tibetischen Sprachgruppe. Die Geschichte der Batikproduktion reicht in China bis ins 6. Jahrhundert zurück. In dieser Familienwerkstatt, die ich besuchte, wird die Knotentechnik angewandt, bei der Ornamente durch Fäden in das Tuch genäht werden, die bei der Färbung hell bleiben, so dass diese Muster entstehen. Viele Knoten lassen komplexe Muster entstehen. Wie ein Knäuel aus Knoten und Tuch wirkt diese Arbeit, die zum Färben bereit ist. Nach dem Färbebad werden die Fäden wieder entfernt und das Tuch entfaltet. Bai-Frauen auf dem Markt Fahrt nach Shangri-La mit Zwischenstopp an der Tigersprungschlucht Von Dali ging meine Fahrt weiter in die Berge nach Shangri-La. Für die Fahrt dahin kann man zwischen zwei Routen wählen, entweder die ältere, die sich durch das Gebirge langsam immer höher windet oder den nagelneuen Xili Expressway, eine hypermoderne Autobahn, die Lijiang und Shangri-La mit deutlich kürzerer Fahrzeit verbindet, weil sie fast gradlinig nur über Brücken und durch Tunnel verläuft. Für die Hinfahrt wählte ich die längere Route, die fantastische Aussichten bietet. Zunächst ging es von Dali nordwärts auf der G214. Die Straße führt irgendwann direkt am Jangtsekiang entlang, der hier die Grenze zwischen der Region der Bai, dem Verwaltungsbezirk Dali, und der Region der Tibeter, dem Verwaltungsbezirk Shangri-La, bildet. In Yunnan macht der Strom seine erste große Windung und fließt danach ein Stück nach Norden. Als ich in das Tal des Jangtses kam, war erst mal eine Pause fällig, um den größten Fluss Asiens und Chinas zu sehen, der hier noch ganz klein ist, aber in seinem Verlauf mit 6380 Kilometern Länge zum drittgrößten Fluss der Erde wird. Bisher kenne ich den Strom nur von seiner Mündung in Schanghai, wo er so breit ist wie der Bodensee. Der Jangtsekiang im Oberlauf, auf der anderen Seite liegt der Verwaltungsbezirk Shangri La, das Land der Tibeter. An der Songyuan Brücke führt die Straße G214 über den Fluss. Auf der Shangri-La-Seite begrüßen mich eine tibetiche Pagode und einige Yak-Skulpturen. Ich bin im Land der Tibeter. Bald darauf komme ich in das Dorf Changsheng, in dessen Nähe die Tigersprungschlucht liegt, eine Gegbirgsenge, durch die sich der Jangtsekiang zwängt. Der Weg dahin führt unter der 2020 eröffneten Jinshajiang-Brücke-Hutiaoxia hindurch. Darüber führt der schnelle Xili Expressway, die gradlinige Verbindung von Shangri La nach Lijiang, die ich später auf meiner Rückfahrt nutzen werde. Die Brücke führt in einer Höhe von 260 Metern über den Fluss und gehört damit zu den höchsten Brücken der Welt. Die Jinshajiang-Brücke-Hutiaoxia mit roten Seilen, 700 Meter dahinter überquert eine Eisenbahnbrücke den Fluss. Im Hintergrund die beeeindruckenden Jade-Drachen-Schneeberge, die oberhalb der Tigersprungschlucht liegen. Der Jangtsekiang in der Tigersprungschlucht Am Oberlauf zwängt sich sich der Jangtsekiang als wilder Gebirgsfluss auf 15 Kilometer Länge durch die Tigersprungschlucht. Der Höhenunterschied vom Gipfel der Jade-Drachen-Schneeberge bis zum Wasser beträgt 3900 Meter, womit diese Schlucht die tiefste der Welt ist. Den Namen "Tigersprungschlucht" erhielt sie von einem Felsen, der mitten im Fluss liegt. Es soll dort früher Tiger gegeben haben, die den Fluss an dieser Stelle mit zwei beherzten Sprüngen über den Felsen überqueren konnten. Ist es Legende oder Wahrheit? Manche Quellen behaupten, es sei eine Legende, aber es soll noch alte Menschen geben, die unabhängig voneinander berichten, wie sie einen Tiger beim Sprung über den Fluss beobachtet haben. In Südchina gab es noch bis in die 1940er Jahre eine Tigerpopulation mit ca. 4000 Tieren. In den 50er und 60er Jahren wurden sie als Schädlinge zum Abschuss frei gegeben. Die Populuation reduzierte sich auf 1000 Tiere und konnte sich nicht mehr erholen. Umfangreiche Untersuchungen um die Jahrtausendwende haben keine direkten Beweise für die Existenz des Tigers in dieser Region ergeben. In China leben noch Tiger, aber nicht mehr hier. Die drei Parallelflüsse Chinas Nicht nur der Jangtse fließt durch Yunnan, sondern gleich zwei weitere große Ströme, der Mekong, mit 4909 Kilometern auch einer der längsten Flüsse der Erde, der ins Südchinesische Meer mündet und der Saluen, der nach 2980 Metern den Indischen Ozean erreicht. Alle drei Flüsse zählen zu den größten Flüssen Asiens, fließen fast parallel, von bis zu 6000 Meter hohen Bergketten getrennt, durch den Drei-Parallelflüsse-Nationalpark. Die drei Flüsse und ihre Umgebung zählen zum UNESCO-Welterbe unter anderem wegen ihrer ausgeprägten Biodiversität, der evolutionsgeschichtlichen und ökologischen Bedeutung und der landschaftlichen Schönheit. Auf kurzer Strecke gibt es etliche Klimazonen, bedingt durch die Höhe der Berge. Die Jade-Drachen-Schneeberge von Lijiang aus gesehen. Hinter ihnen liegt die Tigersprungschlucht mit dem Jangste. Diese Berge, auf Chinesisch 玉龙雪山 (Pinyin: Yùlóng Xuěshān), kennt jeder Chinese, sie gelten als besonders schön. Die Jade-Drachen-Schneeberge in der Morgensonne Für meine Weiterfahrt nach Shangri-La fuhr ich zurück zum Dorf Changsheng, zur G214. Von dort führte mich die Straße in die Berge in den östlichen Teil des Himalayas und mit jedem Kilometer windet sie sich höher. Eine Markierung am Straßenrand zeigte irgendwann an, dass ich die Höhe von 3000 Metern überschritten hatte. Die Aussichten waren atemberaubend. In der Ferne begleitete mich immer wieder der majestätische Anblick der Jade-Drachen-Schneeberge und bei manchem Bergdorf, das ich passierte oder das an einem der gegenüberliegenden Hänge klebte, fragte ich mich, wie die Menschen dort leben, wie sie dort das Neujahrsfest feiern. Gibt es auch hier die ausgiebigen Familien-Festessen oder Feuerwerke auf den Dorfstraßen oder geht man einfach schlafen und wacht am nächsten Morgen im neuen Jahr auf? Die Umgangssprache der Dorfbewohner ist Tibetisch, Gebetsfahnen flattern in den Winden, Pagoden mit davor knienden, betenden Menschen prägten meine Eindrücke, Tibet ist ein sehr spirituelles Land. Das unterbewusste Gefühl der gewaltigen Größe und Höhe des Himalayas, der sich von hier 2500 Kilometer bis nach Afghanistan und Tadschikistan zieht, ist immer unterbewusst vorhanden. Wie leben die Menschen hier oben in den kleinen Dörfern in den Bergen? Wie sieht ihr Alltag aus? Shangri-La Shangri-La liegt auf 3200 Meter Höhe. Bei meiner Ankunft war das Wetter grandios und sollte es auch in den kommenden Tagen bleiben. Die Nächte können dort oben empfindlich kalt werden. In den Betten gibt es beheizbare Matratzen. Ich suchte mir bei der Ankunft im Hotel ein warmes Plätzchen am Ofen, dennoch war die Tür sperrangelweit geöffnet. Das ist nichts Ungewöhnliches in China, denn Chinesen haben einen Frischluft-Fetisch, egal wie viel Energie es kostet. In der Nacht sanken die Temperaturen auf minus 7 Grad. Manchmal wachte ich auf, rang nach Luft, so als hätte ich im Schlaf vergessen zu atmen. Die Höhe und der Sauerstoffmangel machten sich bemerkbar. Auch das Treppensteigen strengte an und gab einen Vorgeschmack auf das Alter. Shangri-La hieß früher Zhongdian County Town. 2001 wurde es umbenannt und bekam seinen heutigen tibetischen Namen, der so viel wie "Sonne und Mond im Herzen " bedeutet. Man hat den Ort umbenannt, um ihn für den Tourismus besser vermarkten zu können. Der fiktive Name stammt aus dem 1933 geschriebenen Roman "Lost Horizon" des britischen Autors James Hilton. Der Ort im Roman gilt als Rückzugsmöglichkeit aus dem Weltgeschehen und als das irdische Paradies auf Erden. Da der Roman ein Bestseller wurde und es auch noch eine erfolgreiche Verfilmung davon gab, entstand ein Shangri-La-Hype, der dazu führte, dass der Name heute in vielen Sprachen ein gewisses Eigenleben führt. Der Ort ist über 1300 Jahre alt und war eine wichtige Station der alten Tee-Pferde-Straße über die Ziegeltee nach Tibet gebracht wurde. Er ist aber auch eine wichtige Verbindung zwischen chinesischer und tibetischer Sprache, Kultur, Menschen und Religion. Mitten im Ort erhebt sich der sogenannte Schildkrötenhügel, auf dem ein Kloster thront. Eine Treppe führt hinauf und wieder spürte ich die dünne Luft, die mich manchmal zu einer kurzen Atempause zwang. Die Abendstimmung mit dem dämmerigen Himmel und der dünnen Mondsichel tauchten den Klosterberg in mystisches Licht. Die Tempelanlage in Shangri-Las Altstadt beherbergt die größte Gebetsmühle der Welt. Sie ist über 21 Meter hoch und wiegt über 60 Tonnen. Ununterbrochen wird sie von Gläubigen bewegt, die im Uhrzeigersinn, um sie herumlaufen und sie dabei in Bewegung halten, so dass sie sich immerfort in gemächlicher Bewegung dreht. Dreimal um die Säule herumzulaufen und sie dabei zum Drehen zu bringen, führt zu gutem Karma. 1674 wurde es auf Geheiß des fünften Dalai Lama das Kloster Ganden Sumtseling erbaut und seinem Regierungssitz, dem Potala- Palast in Lhasa, nachempfunden. Es liegt auf 3400 Metern Höhe, 1959 wurde es während der Kulturrevolution zerstört und in den 80er Jahren wiederaufgebaut. Heute ist Ganden Sumtseling das spirituelle Zentrum von 700 tibetischen Mönchen und Lamas. Es ist die größte tibetisch-buddhistische Anlage Yunnans und zugleich eines der wichtigsten Klöster des tibetischen Buddhismus. Beim Besuch kündigte sich schon aus der Ferne die spirituelle Aura durch vereinzelte, tiefe, dumpfe Trommelschläge an, die von weitem herüber klangen. Das Eingangstor zum Kloster befindet sich am Fuße des Foping-Hügels. Nach 146 Stufen erreicht man den Vorplatz vor den beiden Haupthallen, die Zhacang Halle und die Jikang Halle , die das Zentrum bilden. Die beiden Haupthallen sind umgeben von acht Khamstsen, den Studier- und Wohnbereichen der Mönche. Zugang zur Haupthalle des Ganden Sumtseling -Klosters In den Hallen darf nicht fotografiert werden, schade, denn die Eindrücke sind überwältigend. Die Haupthalle wird von 108 imposanten Säulen getragen, die wie ein Wald den Raum ausfüllen und durch ihre Höhe im oberen Teil des Gebäudes wie in einem Himmel verschwinden. Die Höhe, in der sich die Säulen im Dunkeln verlieren, erinnerte mich ein bisschen an einen Schnürboden in einem Theater. Die Wände der Halle sind mit Fresken bemalt, die buddhistische Geschichten und Legenden zeigen. Auf dem Boden zwischen den Säulen liegen Kissen, Plätze für mehr als 1600 Mönche, die hier singen und meditieren können. Die Hallen werden mit Weihrauch- und Yakbutteröl-Lampen beleuchtet, die Altäre sind dauerhaft mit Yakbutter-Blumenskulpturen geschmückt und die Kreuzgänge sind mit Skulpturen und Fresken geschmückt. Vereinzelt sitzen Mönche auf den Kissen, verdeckt durch den Wald aus Säulen, die man erst bemerkt, wenn man sich am Rand der Halle entlang bewegt und immer neue Einblicke in den Saal bekommt. Ein stehender, an eine Säule gelehnter Mönch hat unter dem Arm seine typische, gelbe Kopfbedeckung, die die Mönche der tibetischen Gelug-Schule tragen. Ein traditionelles, tibetisches Frühstück. Hauptbestandteil ist die Yak-Milch, aus der auch Quark und Butter hergestellt werden. Man trinkt Buttertee, ein Tee, dem Yakbutter und Salz zugefügt werden. Der Tee wird weiterverwendet, um ihn mit Tsampa, einem Mehl aus gerösteten Gerstenkörnern zu einem Brei zu verkneten, der zu Kugeln geformt wird, die man zum Buttertee isst. Tampa ist auf dem Foto oben links zu sehen, Quark und Butter in den beiden mittleren Schälchen. Die Butter schwimmt in Fett. Yakmilchprodukte haben einen ungewöhnlichen Geschmack und sind sehr nahrhaft. Ohne Yaks wäre das Leben in den Höhen des Himalayas schwer oder sogar unmöglich. Sie sind ein wesentlicher Nährstoffgeber. Gemüse gibt es in diesen Höhen nicht. Ein Umstand, der übrigens dazu führt, dass tibetisch-buddhistische Mönchen nicht vegetarisch leben. Ein Yak Tibetische Häuser haben eine ungewöhnliche Architektur. Die Wände laufen leicht schräg nach oben zu, ebensolches gilt für die Fensterlaibungen. Die flachen Satteldächer kragen über die Hauswände hervor und wirken dadurch wie Dächer in den Alpenregionen. Eine Hausseite ist loggenartig geöffnet und wird in der Regel von zwei großen Baumstämmen, also Säulen getragen. Ungewöhnlich und weniger ästhetisch sind die Wintergärten, die vor die Häuser gebaut werden. Aber sie halten scharfe Winde und Kälte ab. Von Shangri-La geht die Reise wieder zurück Richtung Süden. Diesmal über den Express-Highway, der mich auch über die Brücke über der Tigersprungschlucht bringen wird. Ich bin beeindruckt von der Straße. Sie besteht fast ausschließlich aus Tunneln und Brücken. Eine beeindruckende Ingenieurleistung. Naxi - eine weitere ethnische Minderheit Chinas Schließlich kam ich nach Baisha, wo die Naxi, eine weitere ethnische Minderheit Chinas, leben. Erforscht wurde die Naxi-Kultur von dem österreichisch-amerikanischen Botaniker Joseph Francis Rock, der eigentlich die Fauna in Yunnan erforschen wollte, aber ein Universalgelehrter, Geograph, Sprachwissenschaftler und Völkerkundler war. Er schrieb das zweibändige Werk The Ancient Nakhi Kingdom of Southwest China. Rock lebte und forschte fast 30 Jahre in Yunnan, Sichuan, Gansu, im östlichen Tibet und auf Hawaii und gilt als einer der renommiertesten Forscher der chinesischen und hawaiianischen Flora. Er lebte in einem Dorf bei Lijiang in einem Haus, das heute ein Museum über ihn beherbergt. Seine Erlebnisse, die er im National Geographic Magazine veröffentlichte, inspirierten den Schriftsteller James Hilton zu seinem Roman Der verlorene Horizont , in dessen Mittelpunkt Shangri-La steht, eben jener fiktive, mythische Ort in Tibet, nach dem das heutige Shagri-La umbenannt wurde. Die Naxi haben eine starke Beziehung zur Natur und respektieren sie entsprechend, besonders ihre Wälder. In ihrer gesamten Geschichte war das Fällen von Bäumen verboten, was mich eher verblüfft, denn die Schnitzkunst wird von den Naxi perfekt beherrscht und ihre Häuser sind ebenfalls aus Holz bebaut. Wer gegen diese Grundsätze verstieß, musste in die Natur gehen und dort um Vergebung bitten. Die Naxi-Gesellschaft ist ein Matriarchat, Frauen sind die Oberhäupter der Familie, Erbschaften gehen an die Töchter, nicht an die Söhne. Monogame Ehen gibt es bei den Naxi nicht, entsprechend gibt es auch keine Heiratsrituale und jeder Naxi, egal ob Mann oder Frau, kann mehrere Partner haben. Die Naxi-Religion ist stark von Tibet beeinflusst, weshalb die meisten Naxi dem tibetischen Buddhismus anhängen. Ihre Lebensweise verschwindet allerdings allmählich in einer immer globalisierteren Welt, genauso wie ihre Schrift Dongba, die einzige noch im Gebrauch befindliche Hieroglyphen-Schrift auf der Erde, die mit dieser Besonderheit zum Weltkulturerbe zählt. Die Tee-Pferde-Straße und Seidenstickerei in Baisha Die alte Stadt Bashi am Fuße der Jade-Drachen-Schneeberge ist eine wichtige Stadt für Seidenstickerei und zugleich ein wichtiges Zentrum auf der alten Tee-Pferde-Straße, die auch als Südliche Seidenstraße bezeichnet wird. Diese Südliche Seidenstraße diente hauptsächlich dem Handel mit zwei Gütern: Ziegeltee und Pferde. Der Tee wurde von Yunnan nach Tibet gebracht und von Tibet kamen als Bezahlung Pferde nach Yunnan. Die Tee-Pferde-Straße umfasst nicht nur eine einzelne Straße, sondern ein ganzes Netz von Handelswegen. Der Weg nach Tibet war beschwerlich, ging bis über 4000 Meter Höhe und die Entfernung Dali - Lhasa betrug 2000 Kilometer. Von dort ging ein Teil des Tees weiter bis Kalkutta, was noch zusätzliche 1000 Kilometer Wegstrecke waren. Bis 1830 gab es in Indien keinen Tee. Der wurde dort erst von den Briten eingeführt, um die Abhängigkeit von China zu umgehen. Der größte Teil des Tees, der auf der alten Tee-Pferde-Straße transportiert wurde, blieb jedoch in Tibet. Der Handel auf der Südlichen Seidenstraße wurde im 7./8. Jahrhhundert begonnen. Als Transporttiere wurden Maultiere eingesetzt oder Träger, die bis zu 300 Pfund Tee auf dem Rücken transportierten. Natürlich legten weder Maultiere noch Träger die gesamte Strecke zurück, sondern immer nur Teile davon. Dann wurde die Ware umgeladen auf andere Tiere und Träger für die nächste Etappe. Ziegeltee - eine südwestchinesische Spezialität Ziegeltee ist gepresster Tee, der auf diese Weise platzsparend transportiert werden konnte. Man nennt ihn wegen der Transportwege auf dem Land auch Karawanentee. Hauptsächlich wurde er in Russland getrunken, woher er auch den bei uns geläufigen Namen Russischer Tee bekam. Er ist dunkel, rotbraun und hat einen würzigen, erdigen Geschmack . Man sagt, dass sich während des Karawanentransports durch das Aufbewahren neben dem Lagerfeuer ein Raucharoma auf die Teeblätter übertragen habe, das ein Charakteristikum des Karawanentees ist. Außerdem soll die Wärme auf dem Rücken der Maultiere während des Transports zur aromatischen Reifung beigetragen haben. Dass der Rauchgeschmack durch die Lagerfeuer in den Tee zog, gehört wohl in den Bereich der romantischen Märchen, die beim Tee trinken gelegentlich erzählt werden. Heutzutage steht kein Tee mehr neben Lagerfeuern von Karawanen, aber noch immer ist der leicht rauchige Geschmack ein Charakterstikum, das mittlerweile durch Räuchern erreicht wird. Die Seidenstickerei ist ein weiteres Kulturerbe der Naxi und gilt als eine der besten und einflussreichsten in ganz China. Seit 1200 Jahren wird diese Kultur gepflegt. Man stickt Bilder aus Seide mit Landschaftsmotiven aus der Umgebung von Lijiang oder Applikationen mit Ornamenten für die Kleidung. In Baisha gibt es ein staatliches, renommiertes Institut, in dem Schüler die Seidenstickkunst erlernen können. Die Altstadt Baishas liegt am Fuße der Jade-Drachen-Schnee-Berge, die man auf den Fotos unten im Hintergrund erkennt. Dieses Bergmassiv kannte ich schon von der Tigersprungschlucht. Die Schlucht liegt jetzt, von Baisha und Lijiang gesehen, hinter den Bergen. In den Gassen von Lijiang, im Hintergrund leuchten wieder die Jade-Drachen-Schneeberge im Abendrot. Lijiang Von Baisha ging es weiter ins ca. 15 Kilometer entfernte Lijiang, eine Stadt mit der riesigen, labyrithartigen Altstadt, Dayan, in der man sich beim Wandeln durch die malerischen Gassen entlang der Kanäle und Wasserläufe schnell verlaufen kann. Es ist eine der best erhaltenen Altstädte ganz Chinas. Sie zählt seit 1997 zum Weltkulturerbe. Der Black-Dragon-Pool Lijiang war die Residenzstadt der Mu-Herrscher. Vor den Toren der Stadt legten sie 1737 die Umgebung um den Black Dragon Pool an. Die bekannteste Ansicht davon ist die fünfbogige Marmorbrücke, die zum "Pavillon, der den Mond umarmt", führt. Der Garten um den Black Dragon Pool war ein Erholungsort für die Naxi-Fürsten, sozusagen ihre Residenz für die Sommerfrische. Im Hintergrund sind wieder die schneebedeckten Jade-Drachen-Schnee-Berge zu sehen. Eine alte Legende gab dem Black Dragon Pool seinen Namen: Vor langer Zeit gab es zehn böse Drachen, die viel Zerstörung anrichteten und den Menschen großen Schaden zufügten. Eines Tages unterwarf einer der acht Unsterblichen der chinesischen Legende Lu Dungbin neun der Drachen und sperrte sie in einen Turm. Nur der jüngste schwarze Drachen war übrig, der als Preis für seine Freiheit anbot, den Menschen zu nützen und ihnen Schutz zu geben. Man sagt, er lebe seitdem in diesem Gewässer. Angelegt wurde dieser schöne Garten von Tusi Mu, einem der Stammeshäuptlinge oder Fürsten der Naxi. Das Herrschersystem der Tusi war von den Mongolen eingeführt worden, die 1253 das Königreich Dali erobert hatten und als Yuan-Dynastie das Reich der Mitte bis zur Ming-Dynastie regierten. In diesem Tusi-System wurden Stammeshäuptlinge ehemaliger Fürstenreiche bzw. Stammeshäuptlinge von den Yuan-Herrschern in Peking als Beamte eingesetzt, lebten aber weiterhin wie Fürsten und konnten ihren Titel vererben. Das System diente einerseits der Eingliederung der eroberten Gebiete ins Reich, andererseits konnten die nationalen Minderheiten auf diese Weise ihre Gewohnheiten und ihre Lebensart beibehalten. Das Tusi-System wurde erstmalig in der Provinz Yunnan eingeführt und später in zahlreichen, vor allem westchinesischen Provinzen übernommen. Es wurde während aller folgenden Kaiserdynastien beibehalten, also auch den auf die Yuan folgenden Ming und Qing-Dynastien. Es existierte sogar über das 1912 beendete Kaiserreich hinaus und wurde erst in der Volksrepublik aufgelöst. Während der Kulturrevolution litten viele Kulturen und Religionen, mittlerweile sind alle Minderheiten geschützt und in der Volksrepublik herrscht Glaubensfreiheit. Dongba - die älteste, noch verwendete Piktogrammschrift der Menschheit In einem Zentrum am See wird die Dongba-Schrift gelehrt und bewahrt. Auch das spezielle Papier für die Bilderschrift wird hier hergestellt. Der Grundstoff für das Papier sind die Blätter einer Pflanze, dir nur in über 2000 Meter hohen Schuchten des Goldsandflusses im Schneegebirge wächst. Bis heute noch existiert diese aus Piktogrammen bestehende Schrift, die älteste noch existierende Bildsprache der Welt, die von Schamanen gelehrt wird und Hieroglyphen ähnelt. Dass die Schrift auch während der Kulturrevolution erhalten blieb, ist den Schamanen zu verdanken, die auch in den Zeiten der Unterdrückung des Volkes während der Kulturrevolution die Schrift weiterhin gelehrt hatten. Sie zählt zum immateriellen Weltkulturerbe. Die Dongba Schriften umfassen mehr als 20.000 Bücher. Sie gelten als Enzyklopädie der Geschichte der Naxi. Der Mu-Palast im Altstadtgewirr Lijiangs Es gibt auch innerhalb der Stadt Lijiang, mitten im Gassengewirr einen Palast, eine der größten Residenzanlagen ganz Chinas, den Mu-Palast. Begonnen wurde er während der Ming-Dynastie und während seiner Blütezeit umfasste das Palastgelände über 100 Gebäude. Es gibt die Redewendung „Im Norden ist die Verbotene Stadt, im Süden die Residenz der Mu“. Man nennt sie auch die Verbotene Stadt im Miniaturformat, zumal sich die Mu-Herrscher an dem Vorbild in Peking orientiert hatten. Hinter dem Palastgelände erhebt sich ein Berg, an dessen Hang sich ein Garten in die Höhe zieht. Es lohnt sich unbedingt, dort hinauf zu gehen, da man von oben eine großartige Aussicht auf die Altstadt hat. Diesen Gartenhang erreicht man ausschließlich bei einer Besichtigung der Palastanlagen. Der Blick auf die Anlage des Mu-Palastes vom Gartenhang aus Mit Lijiang endete meine Fahrt in die Provinz Yunnan. Die Fahrt zurück nach Schanghai war wie die Rückkehr in eine völlig andere Welt. Gerade noch war ich im uralten China, in exotischen Kulturen von Minderheiten, in landschaftlicher Schönheit und plötzlich wieder umgeben von Taxis, Werbetafeln, Sinneseindrücke wie Lautsprecherdurchsagen, Martinshörner, riesige Werbetafeln, Verkehr, Rolltreppen. Größer könnte der Unterschied nicht sein. China ist vielfältig.
- Nanjing
Nanjing ist ein wichtiger Ort der jüngeren chinesischen Geschichte, vor allem des 20. Jahrhunderts. Aber auch davor war die Stadt immer wieder bedeutend und erlebte vor allem unter der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) ihre erste Blüte. In nur zwei Stunden erreicht man die Stadt von Schanghai mit dem Hochgeschwindigkeitszug. Ein ideales Kurzreiseziel für ein Wochenende. Allerdings reichen zwei Tage nicht aus, um sich die vielen Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Entweder man setzt Prioritäten oder besser noch: Man bleibt gleich ein paar Tage. Folgendes sollte man auf keinen Fall verpassen: - das Mausoleum des ersten chinesischen Präsidenten Dr. Sun Yat-Sen - das Ming-Mausoleum Xiaoling, - das Memorial zum Massaker von Nanjing. Darüberhinaus hat Nanjing die mit 21 Kilometern längste erhaltene Stadtmauer der Welt, etliche interessante Tempelanlagen wie den Konfuziustempel Fuzi Mia oder den buddhistischen Jiming-Tempel. Außerdem ist das Nanjing Museum sehenswert und im Park der Schatzschiffe gibt es den Nachbau eines Schatzschiffes in Originalgröße, mit denen der legendäre Admiral Zheng He in See stach, um die Weltmeere zu erkunden. Nicht auslassen sollte man den Präsidentenpalast, das heutige China Modern History Museum, ein Brennpunkt der Geschehnisse der politischen Wirren von der späten Qing-Dynastie bis zum Sieg der Kommunisten. Interessant ist außerdem das Haus von Song Meiling, der Gattin von Chiang Kai-shek, und das Haus von John Rabe, einem Deutschen, der während des Massakers von Nanjing ca. 250.000 Chinesen rettete. Das Nanjing der Ming Bevor die Ming an die Macht kamen, stand China unter der Regentschaft der Mongolen (Yuan-Dynastie 1279 bis 1368), deren Anführer Kublai Khan, ein Enkel des legendären Dschingis Khans, China 1271 erobert hatte und im Norden, nahe der Mongolei die Stadt Khanbaliq, die "Stadt des Khan", gegründet hatte, das heutige Peking. Der erste Ming-Kaiser Hong Wu China litt unter der mongolischen Herrschaft, bis ein Bauernjunge aus ärmlichen Verhältnissen namens Zhu Yuanzhang das Schicksal Chinas maßgeblich verändern sollte. Dieser Junge hatte sich einer rebellischen Gruppe von Bauern angeschlossen, den sogenannten "Roten Turbanen", mit denen er gegen die Herrschaft der Mongolen kämpfte. Die Rebellen, die "Roten Turbane", hatten rote Tücher um den Kopf gewickelt. Im Jahr 1356 wurde er zum Anführer der Rebellion, er baute eine starke Armee auf und konnte mit ihr schließlich 1368 die Hauptstadt der Yuan-Dynastie, die "Stadt des Kahn", das heutige Peking, erobern und damit die Herrschaft der Mongolen beenden. Dieser ehemalige arme Bauernjunge Zhu Yuanzhang wurde zum Kaiser Chinas, dem ersten Kaiser der Ming-Dynastie. Später wurde er Hong Wu genannt und wird heute oft als eine der prägendsten und einflussreichsten Figuren der chinesischen Geschichte betrachtet. Während des Krieges gegen die Mongolen eroberte Zhu Yuanzhang einige Gebiete in Anhui südlich des Jangtsekiangs. Schließlich gelang es ihm im Jahr 1356 die Stadt Jiqing Lu (das heutige Nanjing) nach einer dreimonatigen Schlacht einzunehmen. Die Stadt war von strategischer Wichtigkeit auf der Südseite des Jangtsekiangs und wurde zur Ausgangsbasis seiner Herrschaft. Kaiser Hong Wu baute Nanjing zur Residenz und zum Zentrum politischer Macht aus. Bekannt war er für seine harte Hand gegenüber politischen Gegnern und für sein strenges Regierungssystem. Er ließ mehrere Säuberungswellen über Beamte, Gelehrte, Offiziere, Landbesitzer ergehen und ging dabei alles andere als zimperlich vor. Ca. 100.000 Menschen fielen diesen Säuberungswellen zum Opfer. Er war bestrebt, eine zentralisierte Kontrolle über das Land auszuüben und den Einfluss der Adelsfamilien einzuschränken, er setzte den Konfuzianismus durch, allerdings durch ein scharfes Kontrollsystem, in dem benachbarte Familien in Gruppen zu 10 und 100 aufgeteilt wurden, in denen das Prinzip der gegenseitigen Verantwortlichkeit galt. Der verordnete Konfuzianismus diente zur Herausbildung eines bürokratischen Absolutismus. Soziale Hierarchien, eingeteilt in die "Vier Stände" Gelehrte, Bauern, Handwerker und Händler wurden gefestigt, im Geistesleben fand ebenfalls eine Vereinheitlichung statt, damit sich keine Intellektuellen entwickeln konnten, sondern Denkbürokraten. Viele Aspekte von Hong Wus Politik wurden auf seine niedere Herkunft zurückgeführt. Gleichzeitig legte er in den dreißig Jahren seiner Regentschaft die Grundlage für den Erfolg und die Blütezeit der Ming-Dynastie. Die Landwirtschaft wurde gefördert, wodurch sich die Ernährungslage verbesserte und sich die Bevölkerung in zweihundert Jahren verdoppelte. Die Ming-Dynastie markierte eine neue Ära in China und hatte weitreichende Auswirkungen auf die politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Der Zhongshan Mountain Park Hong Wus Grabmal, das Xiaoling-Mausoleum, befindet sich in Nanjing am Zhongshan Mountain. Eine Erklärtafel zeigt das gesamte Gelände. Das Grabmal von Kaiser Hong Wu ist links zu sehen. Zentral in der Mitte liegt das Mausoleum von Sun-Yat-Sen Der Zhongshan Mountain vereint mehrere Sehenswürdigkeiten Nanjings. Die wichtigsten sind das Mausoleum des ersten Ming-Kaisers und das Mausoleum Dr. Sun-Yat-Sens, des ersten Präsidenten der Republik China. Sie liegen in fußläufiger Entfernung am Hang dieses Berges nebeneinander. Angenehm ist zudem, dass alles in eine schöne Landschaft eingebettet ist, so dass man ausgiebig unter Schatten spendenden Bäumen spazieren gehen kann. Vor allem im Frühjahr zur Pflaumenbäume sollte man diese Gegend besuchen. Die Farbe der Pflaumenblüten brachte dem Berg den Beinamen "Purpurner Berg" ein. Ming Xiaoling - das größte Mausoleum für den ersten Ming-Kaiser Das Mausoleum des ersten Ming-Kaisers Hong Wu, das Ming Xiaoling ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes "Kaiserliche Grabstätten der Ming- und Qing-Dynastien", von denen die meisten allerdings in Peking liegen. Dafür ist aber das Ming Xiaoling die größte kaiserliche Grabstätte Chinas und zugleich auch die erste Ming-Grablege, ihr Bau dauerte von 1381-1431. Bevor man sich den Hauptgebäuden nähert, gibt es den Shen Dao, den Seelenweg. Dieser 1800 Meter lange Weg ist gepflastert, verläuft nicht gradlinig, sondern in eine ost-westliche Richtung, die Shi Xiang Road und in eine nord-südliche Richtung, die Weng Zhong Road. Das Ungewöhnliche an diesem Weg ist sein 90 Grad-Knick. Einen solchen Seelenweg gib es auch in Peking, wo er aber schnurgerade verläuft, was der ästhetischen Auffassung der Ming eher entspricht, denn sie hatten ein gewisses Faible für Achsen und Symmetrie wie z.B. bei der Verbotenen Stadt in Peking. Die dahinter stehende Auffassung vom Zentrum der Welt, ja sogar des Kosmos hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem europäischen Barock: Zentralismus, Symmetrie und autokratische Herrschaft. Zurück zur Anlage in Nanjing: Die ost-westliche Straße führt unter Bäumen entlang und wird von tierischen Steinskulpturen flankiert. Die nord-südliche Straße führt zum Komplex des Mausoleums. An dieser Straße stehen steinernen Generäle und Minister. Am Ende der Nord-Süd-Achse angelangt, führt eine Brücke zum Komplex des Mausoleums, die Hauptachse läuft geradewegs auf das Hauptgebäude an ihrem Ende zu. Dabei spaziert man durch verschiedene Bereiche der Anlage, passiert Tore, Pavillons und Hallen und nähert sich langsam, bergan steigend dem größten Pavillon, Bao Shang, in dem der Kaiser beigesetzt ist. Bao Shang, das Grab des Kaisers, ist mit gelben Dächern gedeckt, der edelsten und hochrangigsten Farbe, die dem Kaiser, dem Sohn des Himmels, vorbehalten war. Gelb wurde mit den fünf Elementen der chinesischen Philosophie, insbesondere mit der Erde in Verbindung gebracht. Die Erde wurde als stabilisierendes und nährendes Element angesehen, das ähnlich wie der Kaiser für Stabilität und Harmonie im Reich sorgte. Gelb symbolisierte auch Fruchtbarkeit, Glück und Wohlstand. Das eigentliche Grab des Kaisers wurde nie geöffnet. Es ist davon auszugehen, dass er dort liegt. Es gehört zu den Eigenarten der chinesischen Archäologie, dass man die Gräber der chinesischen Kaiser bisher nicht geöffnet hat. Ist es die Befürchtung, dass durch Sauerstoff wertvolle Artefakte zerfallen könnten? Ist es eine Form des Respekts vor den toten Kaisern? Dr. Sun-Yat-Sen-Mausoleum Nach einem 20-minütigen Fußweg durch einen schönen Wald erreicht man diesen deutlich größeren Komplex, der sich durch Touristenmassen ankündigt. Das Grab des ersten Präsidenten der Republik China ist deutlich populärer als die Beisetzungsstätte des ersten Ming-Kaisers. Das Mausoleum von Dr. Sun Yat-Sen orientiert sich am Ming-Vorbild. Wieder führt eine gerade Achse bergan, man passiert diverse Pavillons und Tore bis man oben an der Heiligen Halle angelangt ist, in der der Präsident beigesetzt ist. Wer war Dr. Sun Yat-Sen? Dr. Sun Yat-Sen (auch bekannt als Sun Zhongshan) wurde 1866 in der Provinz Guangdong geboren, starb 1925 in Peking und war ein bedeutender chinesischer Politiker, Arzt und Revolutionär. Er spielte eine herausragende Rolle in der chinesischen Geschichte und wird oft als "Vater der chinesischen Nation" bezeichnet. Er führte die Xinhai-Revolution von 1911 an, die zum Sturz des letzten Kaisers und zur Gründung der Republik China führte. Es handelt sich dabei nicht um die Volksrepublik, die kam erst 1949. Zwischen dem Kaiserreich und der Volksrepublik war China eine Republik. Sun Yat-Sen war der erste provisorische Präsident dieser Republik und gründete die Kuomintang, eine politische Partei, die später als "Nationalisten" gegen die "Kommunisten" im Chinesischen Bürgerkrieg kämpfen sollte. Sun Yat-Sen hatte eine starke Vision für ein modernes China, das von der imperialen Vergangenheit befreit war und sich zu einer wohlhabenden und demokratischen Nation entwickeln sollte. Die Spaltung Chinas in die Volksrepublik und die Republik Es kam anders, als es sich Sun Yat-Sen gewünscht hatte. Der Konflikt begann mit der Spaltung der Politiker in die Kuomintang, angeführt von Chiang Kai-shek, und die Kommunistische Partei Chinas, angeführt von Mao Tse-tung. Zunächst waren die beiden Parteien während der Nordexpedition (1926-1928) vereint und kämpften gemeinsam gegen die Kriegsherren (War Lords) und gegen die ausländische Kontrolle in China. Nach der Einigung Chinas unter der Kuomintang-Führung brachen jedoch zunehmend Spannungen zwischen den beiden Parteien aus. Die Kommunisten strebten eine sozialistische Revolution an und genossen Unterstützung unter den Landarbeitern und den ärmeren Schichten der Gesellschaft, während die Kuomintang eine nationalistische und gemäßigt kapitalistische Vision für China verfolgten. Im Zweiten Weltkriegs vereinten Kuomintang und Kommunisten nochmals ihre Kräfte gegen die japanische Besatzungsmacht, allerdings setzte sich der Bürgerkrieg nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fort, als die Kuomintang und die Kommunisten ihre jeweiligen Einflussgebiete ausweiteten und um die Kontrolle über China kämpften. Schließlich erlangten die Kommunisten unter der Führung von Mao Tse-tung im Jahr 1949 die Oberhand und gründeten die Volksrepublik China auf dem chinesischen Festland, während die Kuomintang sich auf die Insel Taiwan zurückzogen. Taiwan war zu diesem Zeitpunkt ein Teil Chinas und ist es völkerrechtlich bis heute. Die Kuomintang sahen sich als die rechtmäßigen Nachfolger der Republik China und Chiang Kai-shek hoffte bis zu seinem Tod, Festland-China von Taiwan aus zurückerobern zu können, damit ganz China wieder eine vereinte Republik werde. Dazu ist es nicht gekommen. In den ersten Jahren erkannten die meisten Staaten der Welt die Kuomintang in Taiwan als Vertreter des rechtmäßigen Chinas an, ignorierten die kommunistische Volksrepublik und pflegten diplomatische Beziehungen mit Taipeh. Im Laufe der Jahre wandten sich aber mehr und mehr Staaten der Volksrepublik zu, respektierten deren One-China-Politik, brachen diplomatische Beziehungen mit Taiwan ab und orientierten sich an Peking. Kaum ein Land dieser Erde unterhält heutzutage noch diplomatische Beziehungen mit Taiwan, in Europa nur der Vatikan, was nicht verwundert, da die Kirche den Kommunismus bekanntlich scheut wie der Teufel das Weihwasser. Das Mausoleum von Yun Sat-Sen ist für Chinesen der Volksrepublik und Chinesen aus Taiwan ein gemeinsamer Identifikationsort. Beide Gruppen sehen in der Gründung der Republik und der damit einhergehenden Abschaffung des Kaiserreichs einen Fortschritt. Für die Taiwaner ist der Ort noch wichtiger, denn sie sehen sich als Fortsetzung des republikanischen Chinas. Die offizielle Bezeichnung Taiwans lautet übrigens bis heute - und daran rüttelt im Moment auch niemand - Republik China. Meinling Gong - Das Haus von Song Meiling Ebenfalls auf dem Zhong Shan Berg befindet sich Meiling Gong, das Haus von Song Meiling, der Frau von Chiang Kai-shek. Song Meiling, Madame Chiang Kai-shek, war eine der prominentesten Figuren auf der politischen Bühne Chinas. Sie war eine der einflussreichsten Frauen des 20. Jahrhunderts und verkörperte Schönheit, Intelligenz, Vermögen, Macht, Einfluss und Ehre. Durch ihr Studium in den USA, das ihr reicher Vater ihr ermöglicht hatte, lernte sie die westliche Kultur kennen. Sie sprach perfekt Englisch und handelte und redete wie eine Frau aus dem Westen. Sie sagte einst über sich: "Das einzig Asiatische an mir ist mein Gesicht." Nach der Heirat mit Chiang Kai-shek im Jahr 1927 war sie aktiv in die Politik und die auswärtigen Angelegenheiten eingebunden. Ihre Ausstrahlung und Sozialkompetenz hatten großen Einfluss auf die sino-amerikanischen Beziehungen. Sie erschien auf Titelseiten von Time, Life und Newsweek und ging im Weißen Haus bei Eleanor und Franklin Roosevelt ein und aus. Am 18. Februar 1943 trat sie als erste Chinesin und als zweite Frau vor den US-Senat und das Repräsentantenhaus mit einer flammenden Rede, die sie weltberühmt machte. Diese Rede brachte die USA an die Seite Chinas im Kampf gegen Japan. Interessanterweise hatte Meiling zwei Schwestern, die alle ebenso mit mächtigen Männern verheiratet waren. Die älteste Schwester Song Ailing hatte den Finanzmagnaten und späteren Finanzminister unter Chiang Kai-shek H.H. Kung geheiratet. Die andere Schwester Song Qingling war die Frau von niemand geringerem als Sun Yat-sen. Trotzdem stand sie nach dem Tod von Sun Yat-sen den Kommunisten nahe, was die Schwestern zu Feinden werden ließ. Sie sahen sich nie wieder. Eine Familiensaga, die ihresgleichen allenfalls noch beim Kennedy-Clan zu finden ist. Nach dem Sieg der Kommunisten floh Meiling mit Chiang Kai-shek nach Taiwan und regierte mit ihm dort autokratisch, wie sie es früher in Nanjing getan hatten. Chiang Kai-shek glaubte bis zu seinem Tod daran, dass er die Volksrepublik von Taiwan aus zurückerobern und die Kommunisten besiegen könne. Als er 1975 starb, ging Song Meiling nach New York, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2003 im Alter von 106 Jahren lebte. Sie lebte zurückgezogen, gab nie ein Interview und schrieb keine Memoiren. In den letzten Jahren ihres Lebens wurde sie gleichermaßen zur Ikone von Chinesen aus Taiwan wie aus der Volksrepublik. Seit ihrem 100. Geburtstag 1997 darf sie auch in der Volksrepublik bewundert werden. Song Meiling mit Chiang Kai-shek - ein Jahr vor der Niederlage der Nationalisten gegen die Kommunisten Hochzeitsfotos von Song Meiling mit Chiang Kai-shek Song Meiling und Chiang Kai-shek im Exil in Taipeh Song Meiling an ihrem 100. Geburtstag in New York. Meiling Gong, gebaut von 1931-1934, diente ursprünglich als Residenz für höhere Beamte der Nationalregierung, wenn sie das Mausoleum von Yun Sat-Sen besuchen wollten. Das riesige Haus ist in einem Mix aus chinesischem und westlichem Stil eingerichtet. Der Ming-Palast Vom Purpurnen Berg mit seinen Sehenswürdigkeiten geht es hinunter in die Stadt, in den Bezirk Xuanwu. Dort lag auch der Palast der Ming als Nanjing deren Hauptstadt war. Der ehemalige Ming Palast, die Verbotene Stadt Nanjings, war ebenfalls konsequent mit gelben Dächern, der Farbe des Kaisers, eingedeckt. 1367, als Nanjing noch Jiankang hieß, wurde der Bau des Palastes von Zhu Yuanzhang, dem ehemaligen Bauernjungen und ersten Kaiser der Ming-Dynastie begonnen. Nanjing war nicht lange Hauptstadt. 1402 machte der dritte Kaiser der Ming-Dynastie, Zhu Di, Peking wieder zur Residenz und begann unmittelbar danach mit dem Bau der dortigen Verbotenen Stadt. Nanjing war seitdem 300 Jahre Nebenhauptstadt. Verschiedene Brände verheerten Teile des Palastes, die nicht wieder aufgebaut wurden. Heute ist außer ein paar Grundmauern und einem Park nicht mehr viel übrig geblieben. Der Präsidentenpalast Ein paar Meter weiter westlich liegt der Präsidentenpalast, der seit der Qing-Dynastie als Verwaltungssitz des obersten Regierungsbeamten genutzt wurde. Der Palast spielte allerdings auch wieder eine gewichtige Rolle in der Geschichte des 19. und 20 Jahrhunderts. Bevor es aber wieder um Chiang Kai-shek geht, geht es noch in die kurze Phase der Taiping. Plan des Präsidentenpalastes 1853 wurde das Gebäude von Anhängern des Taiping-Aufstands besetzt und als Residenz für den Anführer der Rebellen deutlich erweitert und umbenannt in 'Himmlischer Palast'. Die Taiping waren eine religiöse, zunehmend politisch werdendere Sekte, die in der langsam niedergehenden Qing-Dynastie versuchte, die Macht an sich zu reißen und China zum Taiping-Königreich zu machen. Die Taiping: Der König des Himmels Hong Xiuquan hatte die Macht, sich der Qing-Dynastie entgegenzustellen. 1864 eroberten kaiserliche Truppen Nanjing von den Taiping zurück. Dabei wurde der Palast weitgehend zerstört, aber 1870 wieder errichtet in einer Stilmischung aus europäischen und chinesischen Elementen. Er wurde wieder als Sitz des Generalgouverneurs genutzt. 1911 wurde der Palast nach der Xinhai-Revolution und dem damit einhergehenden Ende des Kaisertums, zum Sitz des ersten Präsidenten Dr. Yun-Sat-Sen, bis die Hauptstadt nach . der Gründung der Volksrepublik wieder nach Peking verlegt wurde. Das Büro des Präsidenten von 1911 bis 1949 Am 23. April 1949 wurde Nanjing von den Kommunisten erobert. Auf diesem Gemälde betreten sie den Präsidentenpalast. Deng Xiaoping, der Nachfolger von Mao Tse-tung, der China von 1979-1997 regierte, ist hier der zweite von rechts. Er ist der Architekt des heutigen modernen Chinas, der Reformer, der das berühmte Zitat prägte: "Es spielt keine Rolle, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, wenn sie eine Maus fängt, ist sie eine gute Katze". Mit dieser Formel plädierte er dafür, effiziente wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, ohne die marxistische Ideologie zu berücksichtigen. Manche Gelehrte bezeichnen Deng Xiaoping als wichtigsten Mann Chinas im 20. Jahrhhundert. Ihm ist der kometenhafte Aufstieg Chinas zu verdanken, der vor circa 35 Jahren begann. Der Präsidentenpalast steht für die gesamte Phase des Niedergangs der Qing-Dynastie, das Endes des Kaisertums, den Taiping-Aufstands, die Republik China und die Eroberung durch die Kommunisten und ist damit einer der wichtigsten Orte der jüngeren chinesischen Geschichte. Die Stadtmauer von Nanjing Nach dem historischen Exkurs ins 20. Jahrhundert geht es wieder zurück in die Ming-Zeit, ins 14. Jahrhhundert. Eine der bemerkenswertesten Errungenschaften der Ming-Kaiser in Nanjing war der Bau der mächtigen Stadtmauer. Dieses beeindruckende Bauwerk erstreckte sich über eine Länge von etwa 35 Kilometern und umgab die Stadt, um sie vor Eindringlingen zu schützen. Heute sind davon noch 21 Kilometer erhalten, in einem guten Zustand und damit eine wichtige historische Sehenswürdigkeit in Nanjing. Gebaut wurde sie von 1360-1386 ebenfalls von dem ersten Ming-Kaiser Zhu Yuanzhang. Sie ist 14-20 Meter hoch und mit ihrer Länge steckt sie alle mittelalterlichen Stadtmauern Europas locker in die Tasche. Die Höhe von Nanjings Stadtmauer misst zwischen 14-20 Meter. Auf vielen Ziegeln aus der Ming-Zeit findet man Schriftzeichen mit Namen der Handwerker. Von der nördlichen Stadtmauer in der Nähe des Jiming Tempels hat man eine gute Aussicht auf den Xuanwu See. Im Hintergrund sind die Purpurnen Berge zu sehen. Am beeindruckendsten ist das Zhonghua Men, das China-Tor, das auf der südlichen, entgegengesetzten Seite der Altstadt liegt, also 6,5 Kilometer entfernt. Es ist das größte der 13 Stadttore, eine Verteidigungsanlage mit mehreren Höfen, die man in Europa als Zwinger bezeichnen würde. Ich bleibe im Norden und sehe mir den Jiming Tempel an, der direkt an der Stadtmauer liegt und eine pittoreske Landmarke bildet. Jiming Tempel Direkt an der Mauer liegt der Jiming-Tempel mit eigenem Zugang. Er wurde 527 errichtet, mehrfach zerstört und immer wieder aufgebaut. Der heutige Tempel wurde im 14. Jahrhhundert während der Ming-Herrschaft auch von Kaiser Zhu Yuanzhang errichtet, während des Taiping-Aufstandes zerstört und danach wieder aufgebaut. Besonderer Blickfang ist die siebenstöckige Pagode. Vor allem junge Leute kommen auf der Suche nach Spiritualität. Es ist auffällig, wie viele es sind. Im Gegensatz zu Europa, wo nur noch wenige junge Menschen den Weg in die Kirchen finden, nimmt die Gläubigkeit in China zu. Viele junge Menschen beten für eine gute Zukunft, dass die Ausbildung gut abgeschlossen werden kann und dass sie einen guten Job finden. Derzeit ist es für junge Leute schwierig zu finden, was sie sich wünschen, die Jugendarbeitslosigkeit ist im Moment hoch. Die Luft ist vom Duft der Räucherstäbchen erfüllt. Die Schatzschiffe des Ming-Kaisers Die Ming-Zeit lässt einen in Nanjing nicht los. In der Zeit zwischen 1405 und 1433 schickte sich China an, eine Seefahrernation zu werden. Im Auftrag des dritten Kaisers der Ming-Dynastie, Yong Le, befuhren chinesische Schiffe den Indischen Ozean und den Pazifik. Dazu wurden die größten jemals aus Holz gebauten Schiffe in einer für damalige Verhältnisse unglaublichen Größenordnung fertig gestellt. Ca. 80 Meter lang sollen sie gewesen sein, mit neun Masten. Aber nicht allein die Größe der Schiffe beeindruckt, auch die Größe der Flotte. Bei den Expeditionen fuhr eine Armada von hunderten von Schiffen gemeinsam los, in der Mitte die Schatzschiffe, beladen mit kostbaren Produkten wie Porzellan und Seide, begleitet von Kriegsschiffen, Versorgungsschiffen, Getreide- und Vorratsdschunken, Wassertankschiffen usw. Der Leiter dieser Flotte war Admiral Zhang He, ein Mann aus der Stadt Kunming in Yunnan, der weit im Südwesten gelegenen Provinz, vermutlich ein Nachfahre mongolischer Eltern, sicher ein Moslem. Wenig ist über ihn bekannt. Es ist ein seltsamer Umstand, dass alle Aufzeichnungen, Logbücher und Informationen über diese Schatzschiffflotte vernichtet wurden. Nur eine schriftliche Quelle informiert über die damals stattgefundenen Expeditionen. Der junge muslimische Dolmetscher Ma Huhn, der Zheng He bei den Expeditionen begleitete, veröffentlichte 1433 eine Chronik seiner Jahre auf See. Darin erwähnt er alle Länder, die bereist wurden, die Fauna, die Religionen und die kunsthandwerklichen Fertigkeiten der Völker, die er kennen lernte. Über die Größe der Schiffe verliert er aber kein Wort, wodurch die Spekulationen ins Kraut schossen. Eine andere, spätere Quelle könnte Auskunft geben. Im Roman "Der dreifach geschmückte Eunuch Zheng He bereist den westlichen Ozean" wird die Größe der Schatzschiffe mit stolzen 140 Metern Länge angegeben, aber diese Quelle ist unbrauchbar, sie ist ein fiktiver Abenteuerroman über die Expeditionen, der erst 160 Jahre nach Zheng Hes Tod veröffentlicht wurde. Hinweise zu der möglichen Größe der Schiffe lieferten archäologische Funde, als 1957 die Trockendocks der Werft in Nanjing freigelegt wurden. Zwar fand man keine Überreste eines Schiffsrumpfs, aber dafür ein Ruder, von dessen Größe man die Ausmaße der Schatzschiffe ableitete. Andere Wissenschaftler gehen von der Manövrierbarkeit der Schiffe aus, beziehen die Belastungsgrenzen des Materials Holz mit ein und versuchen, daran eine mögliche Größe festzumachen. Bis heute gibt es Vermutungen, die von 60 bis 138 Meter variieren. Warum wurden die Aufzeichnungen über diese beeindruckende Hochseefahrer-Ära vernichtet? Eine mögliche Antwort ist die Kostspieligkeit dieses Unternehmens, die nach und nach Kritik in den Kreisen der Beamtenschaft am Kaiserhof laut werden ließ. Nach dem Tod von Kaiser Yong Le und der Thronbesteigung durch seinen Sohn wurde das Projekt Hochseeschifffahrt eingestampft. Das Kapitel wurde kurzerhand zugeklappt und nie mehr geöffnet. 65 Jahre nach der letzten Rückkehr Zheng Hes von einer Expedition kamen Schiffe aus einer ganz anderen Region der Erde in den Indischen Ozean - aus Portugal. Vasko da Gama erreichte 1497 als erster Europäer den Indischen Ozean und läutete damit das Zeitalter der europäischen Seeherrschaft ein, das die Welt für die nächsten 500 Jahre nachhaltig verändern sollte. Insgesamt wurden unter der Leitung von Admiral Zhang He sieben Expeditionen unternommen: 1405–1407 Erste Reise: Vietnam – Java – Sri Lanka – Süden von Indien 1407–1409 Zweite Reise: Indien. Allerdings ohne Zheng He. 1409–1411 Dritte Reise: Indien und Sri Lanka 1413–1415 Vierte Reise: Hormuz am Persischen Golf und die afrikanische Ostküste 1417–1419 Fünfte Reise: Ostafrika bis Mogadishu 1421–1422 Sechste Reise: Südostasien – Indien – Persischer Golf 1431–1433 Siebte Reise: Malakka und Thailand Aus der Zeit der Schiffsexpeditionen existieren historische Docks in Nanjing, die heute zu einem Museumspark umgestaltet wurden, in dem man die Zeit der Hochseeschifffahrt Chinas in einem kleinen Museum nachvollziehen kann. Höhepunkt des Parks ist ein nachgebautes Schatzschiff, das allerdings einer Grundsanierung bedürfte. Das Massaker von Nanking Bei Nanjing denkt mancher als erstes an das Massaker. Das Gedenken daran legt einen deprimierenden Schatten über die Stadt. Manch einer möchte deswegen Nanjing lieber nicht besuchen. Ich hatte gemischte Gefühle, einen Ort zu sehen, an dem das Grauen wahrhaftig wurde. Der Eintritt in das Memorial ist frei, aber gegen eine Spende erhält man am Eingang eine weiße Chrysantheme, die man unterwegs an irgendeinem Ort des Rundgangs ablegen kann. Um es vorwegzunehmen, der Besuch des "Memorial Hall of the Victims in Nanjing Massacre by Japanese Invaders" war weniger erschütternd, als ich erwartet hatte. Das Massaker wird nicht in hochauflösenden Bildern gezeigt, denn nicht selten kommen Familien mit Kindern. Um ihnen traumtisierende Eindrücke zu ersparen, ist der Erinnerungsort so gestaltet, dass den Besuchern das Schlimmste erspart bleibt. Während des Zweiten Weltkriegs war China in den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg von 1937-1945 verwickelt. Die Ursache waren japanische kolonialistische Bestrebungen, die sich auf China ausdehnten. China, das durch den Bürgerkrieg geschwächt war, konnte sich nicht verteidigen. Auf chinesischem Territorium richteten die Japaner den Marionettenstaat Mandschuko ein, um von dort aus die besetzten Gebiete zu verwalten. Nachdem die Japaner Schanghai angegriffen und erobert hatten, zogen sie weiter nach Nanjing. Kaiser Hirohito erteilte den Befehl, sich nicht an das Haager Abkommen zu halten, keine Kriegsgefangenen zu nehmen, sondern alle sofort zu exekutieren. Auf dem Weg nach Nanjing hinterließen die Japaner eine Spur des Terrors. Als sie am 8. Dezember 1937 Nanjing erreichten schlossen sie die Stadt ein, am 13. Dezember besetzten sie die Stadt. Was dann begann, war sieben Wochen die reinste Hölle. Menschen wurden auf offener Straße geköpft, lebendig begraben, bestialisch gefoltert, Kranke in ihren Betten zerhackt, Babys auf Bajonette gespießt, an Wände genagelt, über offenem Feuer geröstet, Frauen vergewaltigt und danach getötet. Chinesische Zivilisten werden von japanischen Soldaten lebendig begraben. Die Opferzahlen sind unklar, sehr unterschiedliche Zahlen werden angegeben. In den japanischen Kriegsverbrecherprozessen ging man 200.000 Menschen aus. Wer war John Rabe? Der Hamburger John Rabe arbeitete während des Massakers bei der Siemens-Halske-Niederlassung in Nanjing. Während der Geschehnisse richtete er eine Sonderschutzzone ein, in der 250.000 Chinesen Schutz vor den Japanern fanden und vor dem Tod gerettet wurden. Das Wohnhaus von John Rabe ist heute eine Gedenkstätte. In China ist er berühmt und gilt als zweiter Oskar Schindler. Er wurde 2009 von 56 Mio. Chinesen bei einer Umfrage von Radio China International unter die Top Ten Friends of China der letzten hundert Jahre, die Ausländer sind, auf Platz 2 gewählt. Als Mitglied der NSDAP wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg vorerst nicht entnazifiziert, später doch wegen seines humanitären Einsatzes. Eine verantwortungsvolle Position bekam er trotzdem nicht mehr und starb 1950 verarmt in Berlin. Er ist in Deutschland so gut wie vergessen, in China lebt sein Andenken weiter. Vermutlich kennt fast jeder Chinese ihn.
- Am Li-Fluss
Der Li-Fluss verkörpert wie kaum eine andere Region unsere europäische Vorstellung von China. Zuckerhutähnliche Berge ragen aus einer Ebene, durch die der Fluss mäandert. Dazu kommt noch die Witterung, bei der die Berge oft in Nebelschwaden oder Wolken versinken und mit etwas Glück verzaubern Sonnenuntergänge die Landschaft, wenn Kormoranfischer auf ihren Bambusflößen in der Dämmerung ausfahren, um bei Laternenschein zu fischen. Ein Kormoranfischer auf dem Li-FLuss, nicht im Sonnenuntergang, sondern am Morgen Geschickt und behände bewegen sich die alten Männer auf dem schmalen Floß. Der Fluss hat teilweise starke Strömung. Um diese einzigartige Landschaft zu erfassen, bietet sich eine etwa vierstündige Schifffahrt von Guilin nach Yangshuo an. Bei der Flussfahrt gibt es nicht nur einen kurzen Abschnitt mit landschaftlicher Schönheit, sondern einen stundenlangen Rausch, 80 km von einem atemberaubenden Höhepunkt zum nächsten. Abends in Guilin am Shanhu Lake im Riyue Shuangta Cultural Park, Frauen in traditioneller Tracht der Miao, einer der Minderheiten der Provinz Gunagxi, in der der Li Jiang fließt. Ich flog nach Guilin, verbrachte dort einen Abend und eine Nacht, um am nächsten Morgen zur Ablegestelle "Zhujiang Passenger Transport Gangqu" zu fahren. Vom Zentrum Guilins mit dem Taxi dauert die Fahrt dorthin circa eine Stunde. Taxifahren ist in China nicht teuer, Kosten ca. 10 Euro. Als ich ankam, wartete schon eine ganze Armada von Booten. In der Nacht hatte es geregnet, alles war nass und tiefe Wolken hingen in den Bergen. Eine gemütliche Geschäftgkeit herrschte am Pier, Schiffe wurden mit Proviant beladen, es wurde geputzt und alles durchgecheckt für die Ankunft der Gäste. Großzügig und gemütlich wie eine Lounge. Eine Reisebegleiterin bereitet den Begrüßungstee für die Gäste vor. Die Panoramafenster bieten einen guten Blick auf den Fluss, aber irgendwann geht man sowieso an Deck, weil man dort den 360 Grad-Rundumblick hat. Und dann ging es los. Drei bis vier Stunden hatten wir ununterbrochen Ansichten, wie ich sie mir erträumt hatte und ich wollte gar nicht mehr unter Deck gehen. Nach dem absoluten Höhepunkt der Fahrt, den alle Chinesen sehnsüchtig erwarten - die Flusswindung bei Xing Ping Town mit der berühmten Ansicht auf dem 20 Yuan-Geldschein - gab es ein Büffet und alle verkrümelten sich nach unten, so dass ich das ganze Deck für mich allein hatte. Die 20-Yuan-Note mit der Ansicht des Li-Flusses bei Xing Ping Town Irgendwann ging ich auch essen, zwanzig Minuten kann man schon auf diese Aussichten verzichten, man wurde ja schon stundenlang mit grandiosen Anblicken gesättigt. Selbst bei schlechtem Wetter sehen die Berge gut aus. Es regnet häufig am Li-Fluss, das Klima ist subtropisch und die Provinz Guangxi liegt neben Vietnam, das schon zu Südostasien zählt. Chinesen sind relativ unempfindlich, was schlechtes Wetter betrifft. Man fährt im strömenden Regen auf Flößen, Motorrollern oder im Gespann, macht den Schirm auf und trotzdem fließt überall das Wasser hinein, aber da man barfuß Badelatschen trägt, ist es sowieso egal, ob man im Wasser steht. Übers Wetter wird nie genörgelt. Liegt es am Daoismus? Liegt es daran, dass sich Regen und Sonne, zwei dualistische Kräfte, ganz yin-yang-mäßig gegenseitig ergänzen? Dass es das eine nicht ohne das andere geben kann und daher beides gleichwertig ist? Beim Anblick chinesischer Landschaftsmalereien mit Bergen im Nebel bekommt man den Eindruck, dass Chinesen trübes Wetter, Wolken und Nebel mögen. Nicht umsonst sind wolkige Landschaften am Li-Fluss oder in den Gelben Bergen oder im Nationalpark Zhangjiajie Lieblingsmotive der chinesischen Landschaftsmalerei. Mai und Juni sind in Guilin die regenreichsten Monate. Weniger Niederschlag gibt es in den Wintermonaten, die aber kalt sind. Der September ist gut geeignet, weniger Regen, warme Temperaturen und vielleicht besseres Licht für stimmungsvolle Fotos durch die tiefer stehende Sonne. Obwohl morgens die vielen Boote auf einmal losfahren, entzerrt sich die Flotte, so dass man während der Fahrt teilweise kaum ein Schiff vor oder hinter sich sieht. Die Armada erreicht Yangshuo zwischen 13 und 14 Uhr. Dort ergießt sich dann die Touristenflut in den beliebten Ort, wo der Rummel bald auf Hochtouren läuft. Die Boote fahren ohne Gäste zurück. Yangshuo bietet das übliche chinesische Touristenprogramm. In der West-Street reiht sich ein Restaurant und Geschäft ans andere. Musik, Menschen, Lärm, Essen ohne Ende. Und immer wieder das Street-Food, das es überall in China gibt: Zongzi, in Bambusblätter eingewickelter Klebereis, gebratener Tofu in würziger Soße, Yang Rou Chuan, Lammfleischspieße mit scharfen Gewürzen aus der westchinesischen Küche usw. Dazu jede Menge frisch gepresste Obstsäfte aus Orangen, Passionsfrüchten oder Zuckerrohr. Spezialiät am Li-FLuss: Flussschnecken Für Leute, die nicht aus Südostasien kommen, ein bizarrer Anblick. Insekten als leckerer Snack. In Vietnam, Thailand, Kambodscha und den südwestlichen Provinzen Chinas normal. Der Rummel strengt an und man fragt sich, ob es für Chinesen noch andere wichtige Dinge außer Essen gibt? Ja, z.B. sich für Fotos in Pose zu werfen. Entsprechend gibt es unzählige Läden, in denen man sich für ein Fotoshooting landestypisch schminken und in Tracht einkleiden lassen kann. Dann geht es an den Fluss, wo man sich mit den Bergen im Hintergrund oder auf einem Bambusfloß fotografieren lässt usw. Wenn man Ruhe sucht, ... findet man sie außerhalb der Stadt. Am besten mietet man sich ein Fahrrad, besser noch einen Elektroscooter, mit dem man die Distanzen schnell und bequem überwinden kann und los geht's. Man braucht fürs Scooterfahren weder Führerschein noch Vorerfahrung und es ist leichter als man glaubt. Ich hatte keine Erfahrung, wurde drauf gesetzt, einmal 50 Meter die Straße rauf und runter, dann war der Vermieter der Auffassung, dass ich es kann. In China gibt es innerhalb der Stadt immer Extraspuren für Scooter, so dass man vom Autoverkehr getrennt ist. Das vorausschauende Fahren, das man in deutschen Fahrschulen eingebleut bekommt, ist hier Realität, denn Verkehrsregeln sind den Leute herzlich egal und gelten eher als Empfehlungen. Aber genau das macht das Fahren stressfrei, denn jeder fährt langsam, weil man mit allem rechnet. Hat man die Stadt verlassen, wird es sehr beschaulich, und ruhig und man hat die Straße fast für sich allein. Es ist warm trotz der Bewölkung und des gelegentlichen Regens. Der Fahrtwind bringt angenehme Abkühlung. Es geht durch Dörfer und vorbei an Feldern, auf denen die Bauern ihr Essen als Selbstversorger anbauen. Reis, Auberginen, Dragon-Fruits, Paprika, Erdnüsse, Tee, Mandarinen, Passionsfrüchte, Mangos usw. Südchina ist ein Früchte- und Gemüseparadies. Die Arbeit wird mit den Händen, ohne motorisierte Geräte verrichtet wie seit Jahrtausenden. Manche, die nicht arbeiten, sitzen im Dorf und spielen Karten, vereinzelt laufen ältere Menschen am Feldrain entlang und besehen den Stand der Ernte. Hier wachsen sie einfach so im Garten: Amaryllis Die Blüte einer Auberginenpflanze, jeder Garten ist ein kleines Paradies. Viele kleine Friedhöfe liegen am Rande der Dörfer. Meist etwas abseits, damit die Toten ihre Ruhe haben. In China werden die Menschen dort bestattet, wo ihre Vorfahren liegen. In Guangxi ähnelt die Bestattungskultur unseren Ritualen. Die Menschen werden in Särgen in der Erde bestattet, darüber wird ein Grabstein aufgestellt, hier ein Stein mit einem Phönix und einem Drachen. Der Drache wird in der chinesischen Mythologie oft als Beschützer angesehen, der gegen böse Geister kämpft. Der Phönix ist ein Symbol für Unsterblichkeit und Wiedergeburt. Es wird gesagt, dass er aus seiner Asche wiedergeboren wird, was ihn zu einem Symbol für Neubeginn und Erneuerung macht. Den Phönix gibt es übrigens mit einem fast gleichen mythologischen Hintergrund auch in der griechischen Kultur. Ca. 13 Kilometer entfernt von Yangshuo machte ich Mittagspause in dem winzigen Dorf Liugongcun, das vor 800 Jahren gegründet wurde und heute noch einen Verteidigungsturm hat, mit dem dieser Ort einst gesichert und kontrolliert wurde. Gemächlich, breit und träge fließt der Li-Fluss am Dorf vorbei. Das gegenüberliegende Ufer ist wild und dunkelgrün überwuchert. Ein kleines Restaurant, auf den ersten Blick gar nicht als solches erkennbar, lud mit seiner überdachten Terrasse und guter Aussicht auf den Fluss ein. Nach dem letzten heftigen Regenschauer war die Luft vorübergehend so abgekühlt, dass leichter Dampf aus dem Fluss aufstieg und sich geheimnisvoll über die Wasseroberfläche legte. Aus dem Dickicht vom gegenüber liegenden Ufer erklangen exotische Vogelrufe, das Glucksen des Wasser und das Träufeln vom Dach erinnerten noch einige Zeit an den letzten Regenguss. Die Zivilisation schien endlos weit weg zu sein, kein unnatürliches Geräusch war vernehmbar und die Szenerie ähnelte genau der auf Bildern aus der Song-Dynastie aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Wasserbüffel am Ufer des Li-FLusses Der Koch, ein älterer Mann und Großvater, wohnt dort mit seiner Familie. Als ich zu Gast war, war nur sein Enkel zu Hause, der mit seinem Freund den ganzen Tag ununterbrochen Fernsehen guckte. Es waren Ferien und die Kinder konnten endlich tun, was sie wollten. Der Großvater schlug vor, einen Bierfisch zu kochen, eines der Traditionsgerichte am Li-FLuss. Ich suchte mir aus einem Bassin den Wels aus, der zubereitet werden sollte und schaute danach dem Mann in der Küche beim Kochen zu. Der Fisch wurde in Stücke gehackt und in Erdnussöl gebraten, danach Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer und Chilli in Erdnussöl angeschmort, Tomatenstücke und Paprika und Frühlingszwiebeln hinzufügt, alles mit Sojasoße und Salz abgeschmeckt, etwas Kochwein hinzugegeben, die Fischstücke dazu, mit einer Flasche Bier aufgefüllt, ein paar Minuten schmoren, fertig und köstlich! Man darf in chinesischen Küchen nicht auf die Sauberkeit achten. Auch die Wohnsituation ist oft befremdlich. Nach dem Kochen kam der Großvater auf die Terrasse und sang. Es wirkte nicht, als ob er es für mich tun würde. Er schaute dabei die ganze Zeit auf den Fluss. Ich meinte mich zu erinnern, das Lied öfters in buddhistischen Klöstern gehört zu haben. Meine Fahrt ging weiter zum Moon Hill, einem Berg mit einem gigantischen runden Loch in der Mitte, das im Laufe der Jahrmillionen durch Erosion entstand und das die Chinesen an den Vollmond erinnert, der in der chinesischen Kultur symbolisch für Vollkommenheit, Harmonie und Einheit steht. Neben dem Li-Flusses gibt es einen ebenso interessanten und schönen Nebenfluss, den Yulong He, auf deutsch: Drachenfluss. Er ist nur 35 Kilometer lang und mündet bei Yangshuo in den Li-Fluss. Er ist schmaler und ruhiger, denn Touristen werden auf Bambusflößen von Bootsmännern mit einem langen Stab durch das Wasser gestochert. Auf dem Li-Fluss geht es hingegen mit kleinen, aber nervigen, weil lauten Motoren voran. Auch wenn man am Ufer bleibt, ist es schön, wenn die Flöße geräuschlos vorbei ziehen. In der Gegend um Baisha gibt es etliche Brücken wie z.B. die Fuli-Brücke oder die Drachenbrücke. Diese halbkreisförmigen Brücken haben Ähnlichkeit mit der Rakotzbrücke in Kromlau bei Görlitz oder den Genueserbrücken im westlichen Mittelmeerraum. Das Besondere an ihnen ist nicht nur ihr malerischer Anblick, sondern ihre Konstruktion, denn sie wurden ohne Mörtel errichtet. Ich musste meine Tour leider abbrechen, bevor ich die Brücken erreichte, da ein Gewitter aufzog, es dauerhaft zu regnen begann und sich stark abkühlte.
- Das Changde Apartment
Im Stil des Neuen Bauens wurde das Apartmenthaus errichtet, in dem eine der bekanntesten Schriftstellerinnen der modernen chinesischen Literatur wohnte, Zhang Ailing oder auf Englisch: Eileen Chang. Das Haus wird wohl für immer mit ihr assoziiert werden, sogar dessen ursprünglicher Name Eddington House wurde umgeändert zu Changde Apartment. Eileen Chang lebte zweimal in diesem Gebäude, zunächst 1939 als ganz junge Frau mit ihrer Mutter und ihrer Tante und später, nach ihrem Studium in Hong Kong in den Jahren von 1942 bis 1947 im Apartment No. 60. Während dieser Zeit erlebte sie ihre produktivste und kreativste Schaffensphase, in der sie einige ihrer wichtigsten Werke schrieb, z.B. Red Rose, White Rose (红玫瑰与白玫瑰) von 1944, Love in a fallen City (倾城之恋) von 1943, Das Goldene Joch (金锁记) von 1943 oder die Kurzgeschichte Sealed Off (封锁). In Deutschland ist sie hauptsächlich bekannt durch Ang Lees Film "Gefahr und Begierde", erzählt nach einer ca. 40 Seiten umfassenden Kurzgeschichte, die Eileen Chang 1979 schrieb, als sie bereits in den USA lebte. Szenenfoto aus Ang Lees Film "Gefahr und Begierde" Das Gebäude wurde 1936 im Stil des Neuen Bauens errichtet, einer Architekturrichtung, die das Schanghai der 20er bis 40er Jahre prägte und Architekturliebhaber in dieser Stadt voll auf ihre Kosten kommen lässt. Auffällig sind an diesem Haus vor allem die abgerundeten Balkone, die an aerodynamische Formen moderner Transportmittel wie Autos oder Schiffe erinnern. Die deutschen Architekten des Neuen Bauens Erich Mendelsohn und Emil Fahrenkamp lassen grüßen. Speziell sind auch die in Schanghai als europäische Fenster bezeichneten gusseisernen Fenster mit ihren schmalen Sprossen, die nicht nur bei diesem Gebäude die Architektur Schanghais markant prägen. An Art Deco erinnern die Symmetrie sowie die horizontalen und vertikalen Linien, die sich als Simse oder schlanke Pilaster über die gesamte Höhe des Gebäudes erstrecken und ihm eine markante Erscheinung geben. Moderne Architektur, in der die moderne, emanzipierte Schriftstellerin lebte, arbeitete und das Geschehen der Großstadt genoss. In dem Artikel "Notes of Delight in the Living of Changde Apartment" beschreibt Eileen Chang ihr Leben in ihrer Wohnung: "Ich höre gern dem Klang der Stadt zu. Menschen, die poetischer sind als ich, liegen auf ihren Kissen und lauschen dem Rauschen des Windes in den Kiefern des Waldes oder dem Rauschen der tosenden Wellen des Meeres. Ich hingegen muss zum Einschlafen das Klingeln der Straßenbahn hören. Eine Wohnung ist ein idealer Rückzugsort von der Außenwelt. Menschen, die des Großstadtlebens überdrüssig sind, sehnen sich nach dem Tag, an dem sie sich in ihr altes Landhaus zurückziehen, Bienen halten, ein paar Feldfrüchte anbauen und eine wohlverdiente Ruhe genießen können. Sie wissen aber nicht, dass auf dem Land schon der Kauf von einem halben Pfund geräuchertem Fleisch einen Sturm von Klatsch und Tratsch auslöst, während man sich in einer Wohnung im obersten Stockwerk direkt vor dem Fenster umziehen kann, ohne dass irgendjemand Anstoß daran nehmen würde." Eileen Changs Schreibstil ist eine Mischung aus Eleganz, Emotionalität und intellektueller Schärfe. Besonders geschickt ist sie darin, innere Konflikte und Emotionen ihrer Charaktere zu erkunden. Sie zeichnet komplexe Porträts von Menschen, die mit Liebe, Verlust, Einsamkeit und Identitätssuche konfrontiert sind. Sie kritisiert subtil die Geschlechterrollen, soziale Hierarchien und politische Umstände ihrer Zeit. Chang erschafft dichte und sinnliche Atmosphären, die den Leser in die Welt ihrer Geschichten eintauchen lassen. Ihre Beschreibungen von Orten, Kleidung, Geräuschen und Gerüchen tragen zur Atmosphäre ihrer Erzählungen bei. Obwohl ihre Werke oft ernste Themen behandeln, verwendet Chang auch Ironie und subtilen Humor, um die Absurdität des menschlichen Verhaltens und der sozialen Normen zu beleuchten. Als das Changde Apartment noch als Eddington Apartment bekannt war, befand sich in der unteren Etage ein Café. Jeden Nachmittag ging Eileen Chang dorthin, um sich zu entspannen. Das aktuelle Changde Apartment soll von einem Fan von ihr gekauft worden sein und darf daher nicht ohne Erlaubnis betreten werden. Allerdings wurde im Erdgeschoss eine Buchhandlung im Eileen-Chang-Stil mit dem Namen Eddington Literary House (Qian Mai Shu Fang) eröffnet, die im Stil der damaligen Zeit eingerichtet wurde und Scharen von Eileen-Chang-Fans anzieht. Wenn man die Berühmtheiten Schanghais aufzählen würde, wäre Eileen Chang ganz oben dabei. Ihre Spuren lassen sich in der ehemaligen Französischen und der Internationalen Konzession verfolgen. Dort lag ihr Umfeld, dort waren ihre literarischen Räume, die eng mit der modernen Architektur und dem modernen Leben Schanghais verbunden waren.
- Qipao - der Shanghai-Style und die Frauenmode der 20er Jahre
Der Qipao ist ein eng anliegendes, taille- und figurbetonendes, seitlich geschlitztes Kleid mit Stehkragen und kurzen Ärmeln, das durch eine Knopfleiste an der Seite geschlossen wird. Die Ärmellänge und die Höhe des Kragens können variieren, ebenso die Länge des Kleides, das bis zu den Knien oder den Knöcheln reichen kann oder sogar über den Boden beim Gehen streift. Der Qipao gilt bei westlichen Menschen als Symbol für weibliche chinesische Kleidungskultur schlechthin. Die Stoffe reichen von Krepp, Seide, Satin, Tweed und Baumwolle, Popelin, Polyesterseide bis zu vielen anderen Materialien. Die Muster sind entweder gewebt oder gedruckt und variieren von Blumen über Tiere, Streifen, geometrische Ornamente, Federn usw. Entwickelt wurde diese Form in Schanghai. Bis zur Entwicklung des Qipao war die traditionelle Kleidung der Chinesinnen zweiteilig, bestehend aus einer Hose und einer Jacke. Der Qipao entstand durch die Kombination von westlichen Einflüssen und der traditionellen Kleidung der Mandschu-Frauen. Die Kombination zwischen östlicher und westlicher Kultur ist das Hauptmerkmal dieses Kleides. Dass es in Schanghai entstand, verwundert nicht, denn die Stadt war damals ein europäisches Zentrum in China und unzählige Europäer lebten in Schanghais Konzessionen. Seit 2007 gehört der Qipao zum immateriellen Kulturerbe der Stadt. Der Charme und die Schönheit des Schanghai-Qipaos haben eine ganze Generation chinesischer Frauen bei der Kleiderwahl stark beeinflusst. Den modischen Höhepunkt erreichte das Kleidungsstück in den 30er Jahren. Als die Kommunisten die Volksrepublik ausriefen, verließen viele Schneider Schanghai und gingen nach Hongkong, wo der Qipao noch bis in die 50er/60er Jahre sehr populär blieb. Der Qipao heute Bei der alljährlichen Show des chinesischen Staatsfernsehens zum Neujahrsfest wurde 2020 eine Choreographie gezeigt, die den Stil der Qipao tragenden Schanghai-Frau in den 20er und 30er Jahren aufgreift. Die Nummer mit diesen träumerischen, ätherischen, fast schwebenden Frauengestalten ist beeindruckend. Um sie zu sehen, klicke auf den folgenden Link Choreographie in Qipao-Kleidern bei der Neujahrsshow 2020 Im Film "In the Mood for Love" von Wong Kar Wei trägt die Schauspielerin Maggie Cheung in jeder Szene einen Qipao. Der melancholische Film, der zwei Goldene Palmen in Cannes gewann und von einer platonischen, unerfüllten Liebe im Hongkong der 60er Jahre handelt, hat den Qipao wieder sehr populär gemacht. Ebensolches bewirkte die Darstellung von Tang Wei in Ang Lees grandios ausgestattetem, aber tragischem Film "Gefahr und Begierde", der im Schanghai der 40er Jahre unter japanischer Besatzung spielt. Wie man merkt, kann ich eine Liebe für das chinesische Kino nicht leugnen. Um den Trailer zu "Gefahr und Begierde" zu sehen, klicke auf den folgenden Link Trailer zum Film "Gefahr und Begierde Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde der Qipao zur Kleidung der Hostessen, womit dieses Kleidungsstückes weltweit Aufmerksamkeit erregte. In Schanghai kaufen Frauen heute ihren Qipao in der Changle Road und der Maoming Road, wenn sie ein ganz besonderes Stück haben möchten, da dort die besten Schneider und die größte Auswahl an Stoffen und Materialien zu finden sind. Die Maoming Road ist lang. Besonders gute und zugleich sehr teure Schneider befinden sich zwischen Changle Road und Huaihai Road zwischen dem Garden Hotel und dem Jin Jiang Hotel, zwei besonders schöne historische Bauten aus der Zeit der Konzessionen. In der Changle Road ist der Abschnitt zwischen Maoming Road und Shanxi Road hervorzuheben, wo ein Qipao-Geschäft neben dem anderen liegt. Ich habe selten eine Stadt gesehen, in der sich so viel um die Schönheit von Frauen dreht wie in Schanghai. Ich glaube, es ist nicht zu viel gesagt, wenn man Schanghai auf gleiche Ebene wie Paris stellt.
- Huang Shan, die Gelben Berge
Vielleicht hast du schon einmal eine typisch chinesische Landschaftsmalerei gesehen: Ein Gebirge, dessen kegelartige Berge aus einem Nebelmeer herausragen, auf deren Gipfeln sich vereinzelte knorrig-bizarre Kiefern an die Felsen krallen und dort Wind und Wetter trotzen. Vorbild dafür sind die Gelben Berge, eines der schönsten Gebirge Chinas. Es gehört wegen seiner landschaftlichen Einzigartigkeit zum Unesco-Weltnatur- und Kulturerbe und ist Partnergebirge des Yosemite-Nationalparks und des Jungfraumassivs. Ganz nebenbei inspirierten diese Berge James Cameron zum Setting für seinen Film Avatar, auch wenn der National Forest Park Zhangjiajie aus Promotion-Gründen für sich proklamiert, das Vorbild für Pandora zu sein. Jede Jahreszeit in Huang Shan ist schön. Der Winter bezaubert durch Nebel und Wolken, in denen sich die Konturen der Bäume und Felsen im diffusen Nebel wie grau-weiße Grafiken auflösen. Manchmal kann es dort auch schneien. Für die spektakulären Sonnenauf- und -untergänge braucht man schon ein bisschen Glück und vor allem muss man dafür in einem der Hotels in den Bergen übernachten. Unzählige chinesische Landschaftsmaler befassten sich seit dem 8. Jahrhundert mit den Gelben Bergen und erlernten dort die chinesische Landschafts-Tuschemalerei. Tusche aus Anhui, der Provinz, in der die Gelben Berge liegen, wurde mittlerweile zum immateriellen Kulturerbe Chinas. Sie wird hergestellt aus Lampenruß, der mit Bindemittel zu Stangen geformt wird. Diese Stäbchen werden auf einem Mahlstein mit Wasser gerieben, bis die Tusche die gewünschte Konsistenz erhält. Links ein Tuschestein In der Mitte ein Reibestein, auf dem der Tuschestein so lange mit Wasser gerieben wird, bis man eine schwarze Tusche mit gewünschter Konsistenz und Pigmentdichte hat. Als wir die Gelben Berge besuchten, brachte uns eine Seilbahn nach oben. Insgesamt gibt es drei Bahnen (Yungu, Taiping und Telpher und Yuping). Alternativ kann man auch zu Fuß gehen, aber es ist anstrengend, dauert mehrere Stunden und von der Bergstation der Seilbahn geht es ohnehin noch ein ordentliches Stück zu Fuß weiter. Wir saßen in der Seilbahnkabine, die nach einigen hundert Metern in dichtem Nebel verschwand, so dass wir kaum noch das Seil sehen konnten, an dem wir hingen. Lautlos schwebten wir durch das Weiß, das uns umgab, und hatten keine Ahnung, wie hoch wir waren, ob wir über Abgründe fuhren oder wie steil die Berge um uns herum waren. Die Stille und Orientierungslosigkeit waren unheimlich, schließlich zerrte der Wind an unserer Kabine und pfeifende Geräusche ließen ahnen, dass wir sehr hoch sein mussten. Der Betrieb dieser Seilbahn wird bei stärkerem Wind eingestellt, also gingen wir davon aus, dass alles seine Richtigkeit hat, denn die Bahn fuhr ja an diesem Tag. Trotzdem stellte sich eine gewisse Erleichterung ein, als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Die Wege, die man als Besucher gehen kann, sind vollständig mit geraden Platten und Pflasterung ausgelegt und es gibt unzählige Treppen. Wegweiser leiten die Besucher zu besonders schönen Aussichtspunkten, man sollte aber vor allem zur Hauptreisezeit möglichst einsamere Gegenden aufsuchen, denn es wird voll. Wie überall ballen sich die Massen an bestimmten Hotspots, aber wenn man weitergeht, kann man Ruhe finden. Oder man besucht Huang Shan im Winter an einem Wochentag - so wie wir. Wir übernachteten in einem Hotel weit oben in den Bergen. Bei unserer Wanderung wurde es spät und begann allmählich zu dämmern. Unruhig beschäftigte uns die Frage, ob wir das Hotel noch vor Einbruch der Nacht erreichen. Schließlich, es war schon fast dunkel, tauchte es wie eine rettende Herberge vor uns auf. In der Hotellobby saßen einige erschöpfte Wanderer, die kurz vor uns eingetroffen waren. Erschöpfung und das wohlige Gefühl von Sicherheit mischten sich. Zur Begrüßung brachte man uns heißen Tee. Später, nach einer Dusche, die wir nach dem anstrengenden Weg durch die Berge brauchten, kamen wir wunderbar zur Ruhe, es gab ein reichhaltiges Abendbüffet und danach eine stille Nacht in der klaren, frischen Luft in der Abgeschiedenheit der Berge. Huang Shan ist ca. 5 Stunden mit dem Auto von Shanghai entfernt. Mit dem Zug erreicht man die Gegend in ca. 3 Stunden. Der Bahnhof liegt ziemlich im nirgendwo, was in China nicht unüblich ist, da das Eisenbahnnetz erst in den letzten Jahrzehnten ausgebaut wurde und Hochgeschwindigkeitszüge nicht in die Städte hineinfahren, sondern außerhalb halten. Vom Bahnhof geht es mit dem Bus weiter in die Stadt Tangkou zum Zhaixi-Bus-Transfer. Von dort bringen einen Shuttlebusse zu den Ticketschaltern Ciguangge oder Yungusi. Das Zurechtkommen in China ist immer mit viel Orientierungslosigkeit und Suchen verbunden, was vor allem am Sprachproblem liegt. Es ist anstrengend und man braucht Zeit. Mit ein wenig Mühe wird man trotzdem irgendwann zum Ziel kommen. Es ist ratsam, im Vorfeld Fotos oder Screenshots mit den chinesischen Namen der Orte zu machen, die man erreichen will.
- Quanzhou - wo sich Weltkulturen mischten
Quanzhou, eine 8-Millionen-Einwohner-Stadt in der Provinz Fujian, gegenüber von Taiwan an der Meeresstraße Taiwan Strait gelegen, war während der Song- und Yuan-Dynastie vom 10. -14. Jahrhhundert eine prosperierende Handelsstadt. Sie lag an der maritimen Seidenstraße, war das wichtigste Tor Chinas für wirtschaftlichen und kulturellen Austausch mit anderen Ländern und in jener Zeit der bedeutendste Hafen der Welt. Marco Polo bezeichnete Quanzhou als Alexandria Asiens. Quanzhous damaliger Name Zaytun blieb im Wort "Satin" erhalten, das Wort "Tee" in europäischen Sprachen entstammt dem örtlichen Dialekt (tä). Die Stadt zog unzählige Händler aus der arabischen, persischen, indischen und europäischen Welt an, die ihre Kulturen und Religionen mitbrachten, vor Ort ihre Gebetshäuser errichteten, in einem friedlichen Nebeneinander lebten und sich teilweise durchmischten. Bis heute sind nicht nur historische Spuren der Händler erhalten, sondern deren Nachfahren setzen die Kultur mit lebendigem Brauchtum und gepflegten religiösen Stätten fort. In Quanzhou leben heute 60 - 70.000 Nachfahren der Perser und Araber. Die beeindruckende Infrastruktur, die den Handel mit der Welt ermöglichte, umfasste ein Verkehrsnetz von Brücken, Hafenanlagen, Verwaltungsgebäuden und religiösen Stätten. Dieses historische Erbe führte dazu, dass die Stadt 2021 den UNESCO-Welterbetitel "Quanzhou: Emporium der Welt in der chinesischen Song- und Yuan-Dynastie" verliehen bekam. Insgesamt gibt es in der Stadt 22 Orte, die zum dem Welterbe der Stadt gehören. Tuman Straße - die Reihe der religiösen Kultstätten Ich starte meine Erkundungstour an der Tumen Street, wo man die Kultorte verschiedener Religionen auf kurzer Strecke nebeneinander findet. Die Qingjing-Moschee Die Qingjing-Moschee ist ein markantes Gebäude und unterscheidet sich von daoistischen, konfuzianischen und buddhistischen Tempeln. Sie steuere ich als erstes an. 1009 erbaut, ließ Ahmad Bin Muhammad Quds, ein berühmter Pilger aus Shiraz in Persien, sie 1310 restaurieren. Das Haupttor und der Fengtian Altar zeigen charakteristische Merkmale persisch-iranischer Moscheen. Die Araber und Perser errichteten seinerzeit sechs bis sieben Moscheen, von denen diese eine übrig geblieben ist. Der Eingangsturm zur Qingjing-Moschee. Deutlich sind architektonische Grundformen Persiens erkennbar, die man z.B. auch in Isfahan findet. Nicht alle Teile der Moschee sind erhalten, vom alten Gebäude stehen nur noch die Grundmauern. Lebendig ist die islamische Gemeinschaft bis heute. Zum Freitagsgebet kommt eine größere Gruppe Männer zusammen, die in der Moschee beten. Der daoistische Tonghuai Guanyue-Tempel Nur wenige Meter weiter liegt der daoistische Tonghuai-Tempel. Auf dem Weg dahin häufen sich die Geschäfte mit Zubehör für Pilger und Gläubige: Räucherstäbchen in allen Größen, Papiergeld zum Verbrennen, Ananas, Äpfel, Orangen, die die Geschäfte wie einen Obstladen erscheinen lassen, hier aber als Opfergaben verkauft werden, um sie vor die Götter in den Tempel zu legen. Auch Blumen werden hier zu über 80 Prozent als Geschenke für die Götter gekauft, nicht um damit sein Zuhause zu verschönern. Nicht der Tonghuai-Tempel, sondern ein kleiner daoistischer Hausaltar in einem der Devotionalien- und Opfergabengeschäfte. Papiergeld, das man als Opfergabe verbrennt. Sehen aus wie Feuerwerkskörper, sind aber Räucherutensilien für den Tempelbesuch. Interessante Blüten treibt der Verehrungskult im Devotionalienladen: Neben daoistischen Göttern sitzt Buddha, hier in der Erscheinungsform der Lebensfreude, und auch die Büste eines kommunistischen Parteisekretärs gesellt sich in den Reigen der verehrungswürdigen Figuren. Auf dem Platz vor dem Tempel wimmelt es von betenden Menschen, Rauchschwaden füllen die Luft, es herrscht Gedränge. Kontemplative Stille zum Beten ist hier kaum zu finden. Der Konfuzius-Tempel Der Konfuzius-Tempel liegt in entgegengesetzter Richtung . Ich gehe wieder an der Moschee vorbei und gelange zu einem Park mit großem Tempelvorplatz. Der Tempel hat deutlich weniger Besucher als der daoistische, es ist angenehm ruhig. Ein paar Besucher kommen hierher, um für gute Studienabschlüsse und Examina zu beten. Konfuzius steht für Weisheit, Philosophie und Gelehrsamkeit. Seine Lehren wurden früher in konfuzianischen Schulen weitergegeben, deren Absolvierung zu hohen Beamtenlaufbahnen im Kaiserreich führten. Das Viertel der Antiquitätenhändler Hinter den religiösen Stätten, die an der Tumen Straße nebeneinander aufgereiht liegen wie Perlen auf einer Schnur, verläuft parallel die Houcheng Straße, eine gemütlich-beschauliche Gegend mit vielen Antiquitätenläden, Geschäften mit hochwertigem Zubehör für Kalligraphie und Kunst sowie einige historische Hofhäuser, die das Leben ehemaliger wohlhabender Bewohner erahnen lassen. Heute sind dort Kunstausstellungen oder Teestuben eingezogen. Die Türen sind weit geöffnet, die Ladenbesitzer stehen vor ihren Geschäften und halten einen Plausch mit den Nachbarn oder sie sitzen entspannt auf antik-chinesischen Stühlen und spielen gelassen, auf Kundschaft wartend, am Handy. Nichts scheint hier jemanden aus der Ruhe zu bringen. Die ganze Umgebung eignet sich hervorragend zum Stöbern, direkt hinter der Moschee gibt es ein Café. Auch hier sitzen alle Gäste draußen, die Fenster sind geöffnet, die Temperaturen frühlingshaft. Im Café sehe ich ein altes Mahjong-Spiel, das als Deko dient und leider unverkäuflich ist. Das Spielprinzip entspricht in etwa unserem Rommee-Spiel. Es geht ums Sortieren von Zeichen, die man sammelt, bis man sie offenlegt. Die Faszination, die davon ausgeht, liegt für mich im charakteristischen Klacken der Spielsteine, wenn sie beim ständigen Neu-Sortieren hin- und her und zu Gruppen zusammengeschoben werden. Solche ein Spiel wäre das perfekte Mitbringsel aus China. Ich finde es sehr charakteristisch für dieses Land. Das Spiel aus dem Laden sieht zwar sehr schön aus, aber fürs Spielen braucht man etliche Steine mehr. Das tröstet darüber hinweg, dass es unverkäuflich ist. Aber immerhin bin ich der Gegend der Antiquitätenläden. Vielleicht hat irgendein Händler solch ein Spiel. Es ist nicht notwendig, jeden einzelnen Laden aufzusuchen und zu erklären, was man möchte. Wenn ein Händler bei sich nichts findet, geht die Kommunikation über die Straße los. In kürzester Zeit wissen alle von meiner Suche und es findet sich tatsächlich ein altes Spiel, das aber so speckig ist, dass ich es für den Preis von 1000 Yuan (140 Euro) nicht kaufen möchte. Der Händler ist offensichtlich nicht bereit zu handeln, aber bei dieser Ausgangssumme wären wir uns auch durch Handeln nicht näher gekommen. Statt dessen ziehe ich weiter und finde in einem anderen Geschäft einen kleinen kugelbäuchigen Buddha. Nachdem ich mit dem Händler über den Kauf einig geworden bin, bittet er mich, Platz zu nehmen und bei einem Tee miteinander zu plaudern. In Asien wird ein abgeschlossenes Geschäft traditionell mit einem gemeinsamen Tee beendet, bei dem man irgendwie ein bisschen miteinander vertraut wird. Mein Weg geht weiter. In der Nähe des daoistischen Tempels wird am Straßenrand aus der Hand gelesen und die Zukunft wahrgesagt. Spezialitäten Quanzhous An der Tamen Straße, zwischen der Moschee und dem Konfuziustempel kündigt schon von weitem eine besonders lange Schlange den angesagtesten Laden der Stadt für Ingwerenten an - die Spezialität Quanzhous. In zig schweren, gusseisernen Töpfen werden Enten auf offenem Feuer gebraten. Die Einrichtung der Essensräume ist spartanisch und ähneln eher einer Spanferkelbraterei mit Imbissbude. Einer dieser gusseisernen Töpfe wird an meinen Tisch gebracht. Der Kellner trägt schwere, dicke Handschuhe, die vor der Hitze schützen. Deckel ab und die Ente kocht im Topf noch ordentlich weiter. Das Essen soll vorzüglich sein, mir persönlich geht das Abnagen des heißen Fleischs vom Knochen ein bisschen auf die Nerven, dauernd verbrenne ich mir die Lippen, ich nage am Hals und am Kopf, aber alle um mich herum haben echten Spaß. Der Entenkopf fehlt natürlich nicht. Mit Kind und Kegel zum Entenessen. Mich verblüfft immer wieder, mit welcher Begeisterung die Kleinen genau das essen, was auch die Erwachsenen bekommen. Jedes Kind kriegt eine Entenkeule in die Hand gedrückt und dann wird abgenagt. Eine andere Spezialität Quanzhous sind Austern. Die werden in dieser Gegend mit Rührei, Frühlingszwiebeln und allerhand Gewürzen durch die Pfanne geschwenkt und gehören zu den Klassikern der regionalen Küche. Die Qingyuan-Berge Weiter geht die Tour auf den Spuren der religiösen Multikulti-Orte. Mein Weg führt mich stadtauswärts zu den Qingyuan Bergen, eine Natur- und Kulturstätte, die schon seit der Qin-Dynastie vor circa 1800 Jahren genutzt wurde. Der Berg birgt eine Menge historischer und spiritueller Orte wie z.B. neun gut erhaltene, aus Felsen gemeißelte Statuen, die dem Buddhismus und Daoismus zugerechnet werden. Außerdem gibt es über 600 Inschriften mit Versen und Weisheiten, die in Felswände gemeißelt wurden. Die bekannteste Skulptur ist der Laozi, eine Figur des Begründers des Daoismus, die aus einem großen Felsbrocken herausgehauen wurde. Er ist eines der Wahrzeichen Quanzhous. Die Steinstatue von Laotse wurde aus einem ganzen Granitfelsen herausgearbeitet. Es ist die früheste und größte Daoismus-Steinskulptur von Laotse in China. Buddha-Statuen im tibetischen Stil, ein heiliges, islamisches Grab liegen an den Wegen, die am Berg entlang führen. Auffällig ist auch hier, dass alle Religionen diese Umgebung für sich nutzen und ein Nebeneinander möglich ist, wie wir es uns bei den monotheistischen Religionen nur selten vorstellen können. Kaiyuan-Tempel - wo Buddhismus und Hinduismus verschmelzen Wieder in der Stadt angelangt, führt mich mein Weg zum Kaiyuan-Tempel, der der Richtung des esoterischen Buddhismus angehört. Zugleich ist er einer der wenigen erhaltenen hinduistischen Tempel in China. Hinter der Mahavira-Halle, der Haupthalle eines buddhistischen Tempels, findet man Säulen die aus einem hinduistischen Tempel stammen, der 1283 von der tamilischen Handelsgemeinschaft Ainnurruvar Valanjiyar in Quanzhou erbaut wurde. Auf der hinteren Veranda der Mahavira Halle im Kaiyuan Tempel gibt es 16 steinerne Pfeiler mit Reliefs klassischer Hindumythen. Diese Reliefe stellen Figuren der Inkarnation des Vishnus dar, einer der wichtigsten Formen des Göttlichen im Hinduismus, die sich hier mit der traditionellen chinesischen Formensprache mischen. Vishnu, hier in der Erscheinungsform eines Löwen, erkennbar an der Mähne, der einen bösen Dämonen austreibt. Er gehört zum Hinduismus. Shiva, eine der drei Hauptgottheiten des Hinduismus, die in verschiedenen Erscheinungsformen dargestellt wird. Hier in der Haltung der Buße. Der übrige Teil des Tempels wurde bereits 685 während der Tang-Dynastie errichtet in einem Maulbeerbaumgarten, dessen Besitzer im Traum ein bettelnder Mönch erschienen war, der darum bat, in diesem Garten den Tempel zu errichten. Ein Maulbeerbaum steht immer noch dort. Die Renshou-Pagode wurde 917 in Stein gebaut und wurde weder durch Erdbeben noch durch Kulturrevolution zerstört. Die zweite Pagode war zunächst aus Holz, wurde dann 1238 ebenfalls aus Stein gebaut. Sie waren früher Landmarken, an denen sich die Seefahrer orientierten. Das Maritime Museum Woher kam die kosmopolitische Ausrichtung der Stadt? Dass es eine Hafen- und Handelsstadt war, ist bekannt. Deswegen gibt es in Quanzhou das Maritime Museum, das die chinesische Seefahrt und den dadurch möglichen Handel beleuchtet. In der Abteilung mit Grabsteinen und anderen Artefakten, findet man reichlich Belege für die Multikulturalität und den Schmelztiegel der Kulturen. Exotische Religionen wie das Christentum verschmolzen hier mit einheimischen Formen der Spiritualität. Z.B. zeigt der Grabstein unten eine Mischung aus Hinduismus, Buddhismus und Christentum. Im Zentrum sitzt ein vierflügeliger Engel, ein christliches Symbol, der auf dem Kopf eine dreizackige Krone trägt, die dem Buddhismus zuzurechnen ist. In der Hand hält er eine Lotusblüte, aus der ein christliches Kreuz erwächst. Die Wolken, die das gesamte Relief umgeben, entstammen der daoistischen Kulturtradition Neben den Artefakten, die Quanzhous Geschichte als Schmelztiegel widerspiegeln, gibt es auch die politische Geschichte, in der Taiwan eine Rolle spielt. Taiwan, das früher Formosa hieß, war eine niederländische Eroberung, die von den Chinesen im Jahr 1661 unter Zhen Chenggong, auch bekannt als Koxinga aus Shijing, zurück gewonnen wurde. Taiwan, das 38 Jahre von den Niederländern besetzt war, hatte er mithilfe seiner 25.000 Mann starken Armee, die mit 4000 Schiffen übersetzte, zurückerobert. Zhen Chenggong, der Eroberer Formosas Die obige Abbildung zeigt ein sogenanntes Schatzschiff. Diese Schiffe waren die größten, die jemals aus Holz gebaut wurden. Mit ihnen unternahmen chinesische Seeleute Expeditionen, die sie durch ganz Fernost und an die Küsten Ostafrikas und Arabiens brachten. Diese Expeditionen unter Admiral Zheng He wurden allerdings nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Die Chinesen fanden nichts außerhalb ihres Landes, das ihnen Innovation gebracht hätte. Hier liegt ein deutlicher Unterschied zu den europäischen Seefahrern, die nicht selbstgenügsam in die Heimat zurücksegelten, sondern Kapital aus den eroberten Gebieten schlugen. Vielleicht fing an diesem Punkt eine verhängnisvolle Entwicklung in der chinesischen Geschichte an, die Mitte des 19. Jahrhunderts zu Chinas Untergang führte, als es zur endgültigen Konfrontation mit den Europäern kam. (Willst du Näheres dazu wissen? Klick hier.) Infrastruktur für eine prosperierende Hafenstadt - die Luoyang-Brücke Die Luoyang-Brücke wurde während der Song-Dynastie in den Jahren 1053 bis 1059 erbaut. Sie überquert den Fluss Luoyang und bot damals den Händlern eine Direktverbindung von dem Hafen von Quanzhou zu den nördlich gelegenen Städten. Ohne diese Brücke wären Umwege durch die westlich gelegenen Berge notwendig gewesen. Das Projekt diente der Erschließung des gesamten Wirtschaftsraums. Zusammen mit den Docks, weiteren Brücken wie der Anping-Brücke, der Shunji-Brücke, so wie der Maritimen Handelskammer, die heute noch, teilweise allerdings nur noch als Ruinen zu besichtigen sind, ist die Brücke ein Zeugnis für die wirtschaftliche Bedeutung der Hafenstadt vor 700- 1000 Jahren. Heute ist sie nur noch von Fußgängern zu nutzen und ein beliebtes Ausflugsziel. Sie gehört zu den bedeutendsten historischen Top-4-Brücken Chinas. Die anderen drei sind die Zhaozhou, Guangji und Lugou-Brücke. Der Erbauer der Brücke: Cai Xiang Drei Männer in typischer Kleidung der Song-Dynastie beim Sonntagsausflug auf der Brücke Wudianshi Nicht auslassen sollte man bei einer Reise nach Quanzhou das Wudianshi-Viertel. Diese Sehenswürdigkeit befindet sich in Qingyan, der Altstadt von Jinjiang City, einem Stadtteil von Quanzhou. Das Wudianshi-Viertel ist voller historischer Gebäude, die aus Backstein im Stil Süd-Fujians gebaut wurden, d.h. die Backsteine weisen eine rot, schwarze Marmorierung auf, die den Fassaden eine gewisse Lebendigkeit geben. Das Viertel ist heute für Besucher und Touristen erschlossen, es gibt unzählige gastronomische Angebote, Bühnen für Künstler, Opern und Musikaufführungen und jede Menge schöne Interieurs, in denen Teestuben und Geschenk- und Antiquitätenläden und Kunsthandwerker eingezogen sind.
- Das Qingming-Fest
Im April jedes Jahres besuchen die Chinesen die Gräber ihrer Vorfahren. Man geht davon aus, dass an diesem Tag die Toten als Geister auf die Erde zurückkehren. Deshalb bringt man ihnen ihr Lieblingsessen und verbrennt Papiergeld am Grab, sogenanntes Totengeld, damit die Verstorbenen in der jenseitigen Welt alles haben, was sie brauchen. Die Gräber werden sauber gemacht, mit Blumen geschmückt und beim Abbrennen von Räucherstäbchen essen die Geister von den mitgebrachten Speisen. Es werden am Qingming Tag nur kalte Speisen verzehrt. Chinesen gehen nur einmal pro Jahr zu den Toten. Den Rest des Jahres lässt man sie in Frieden schlafen und stört sie nicht. Eine Grabpflege wie bei uns, wo man nach eigenem Bedürfnis zum Grab geht, gibt es nicht. Traditionell werden Chinesen immer neben ihren Eltern beerdigt als Zeichen der Verehrung. Daraus resultiert auch der Gedanke, dass ein Chinese im Alter immer an den Ort zurückkehrt, woher er kommt, dass das Blatt dort vom Baum auf die Erde fällt, in der der Baum wurzelt. Traditionelle Bestattungen Beerdigungen laufen in den verschiedenen Teilen Chinas unterschiedlich ab, denoch gibt es einige Rituale, die vergleichbar sind. Nach dem Tod wird die Familie benachrichtigt, die zusammenkommt und drei Tage bei dem Toten bleibt. In dieser Zeit beauftragt man einen buddhistischen oder daoistischen Mönch, der nach dem Mondkalender den besten Tag der Beerdigung bestimmt. Die Mönche sprechen Gebete und begleiten die Familie. Bei dem Weg zum Begräbnisort gilt es, böse Geister, die in Ecken lauern und den Weg des Trauerzuges behindern könnten, zu besänftigen oder zu vertreiben, entweder, indem man Totengeld verbrennt, um sie zu bestechen oder indem man Feuerwerk anzündet, um sie zu vertreiben. Tote werden traditionell in Särgen bestattet. Der Begräbnisort wird nach Feng Shui bestimmt. Es soll ein schöner Ort sein, an dem der Tote sich wohlfühlt, vielleicht in der Nähe eines Flusslaufs. Moderne Bestattungen Heutzutage hat sich vieles geändert. Die Gesellschaft ist in einem starken Wandel und Traditionen, die uralt anmuten, aber noch bis vor wenigen Jahrzehnten üblich waren, verschwinden. Das Verbrennen von Geld wird aus Umweltschutzgründen nicht mehr praktiziert, der Platz für Beerdigungen ist bei der Bevölkerungsdichte knapp. Ein Grab in Shanghai ist unbezahlbar, weshalb manche sich in den Provinzen ihrer Vorfahren beerdigen lassen wollen, auch wenn sie ihr ganzes Leben in Shanghai zugebracht haben. Viele lassen sich verbrennen und ihre Asche unter Bäumen beisetzen, ähnlich wie in unseren Friedwäldern. Auch Seebestattungen kommen vor. Die ungewöhnlichste Art der Bestattung findet man bei den Tibetern, die den Leichnam im Gebirge den Vögeln überlassen. Dies ist eine der hochrangigsten Beisetzungen in Tibet. Man glaubt, dass dadurch die Seelen der Toten von den Vögeln in den Himmel gebracht werden. Das Qingming-Fest fällt immer auf den 15. Tag nach der Frühlings-Tagundnachtgleiche, also auf den 4. oder 5. April. Es wird seit 2500 Jahren begangen. Seit 2006 ist es auf der Liste des nationalen immateriellen Kulturerbes und seit 2008 ein gesetzlicher Feiertag. Im Kalender der chinesischen Feiertage wird es als religiöses, buddhistisches Fest erwähnt. Die Qingming-Rolle Was hat dieser Tag mit der Qingming-Rolle zu tun, einem der berühmtesten Kunstwerke der chinesischen Kultur überhaupt. Es ist eine ca. fünf Meter lange Papierrolle, ca. 25 Zentimeter hoch, gemalt von dem Künstler Zhang Zeduan im 11. Jahrhhundert. Heute kann man sie im Palastmuseum von Peking besichtigen. Ursprünglich befand sie sich in der Verbotenen Stadt. Viel chinesische Kunst gelangte nach Taiwan oder wurde von Kolonialmächten gestohlen. Die Qingming-Rolle blieb in China, weil der letzte Kaiser Puyi sie nach Mandschuko mitgenommen hatte, wohin er während des Bürgerkriegs zwischen Nationalisten und Kommunisten ins Exil ging. Auf dieser Rolle sieht man nichts von Totenverehrung, sondern eine sehr lebendige Stadt in der es von Menschen nur so wimmelt, vielleicht vergleichbar mit Bildern von Pieter Bruegel. Was hat das miteinander zu tun? Qingming fällt ins Frühjar, eine Zeit, in der die Natur voll erwacht ist, in der es warm ist, in der man wieder leichte Kleidung tragen kann. Es ist vergleichbar mit unserem Osterfest. Nach einem mittlerweile vergessenen Brauch trug man an diesem Tag Weidenzweige im Haar. Vielerorts werden Drachen steigen gelassen, aber nicht nur tagsüber, sondern auch abends. Dann werden kleine Laternen an die Drachen gebunden. Heute wird am Qingming-Tag neben der Verehrung der Toten auch der Frühling gefeiert, indem man in die Natur geht. Dieses wiedererwachte Leben nach dem Winter wird auf der Qingming Rolle dargestellt. Am Qingming-Tag in China verbindet sich die Trauer um die Toten mit der Freude über den Frühlingsbeginn.
- Shanghai-Flaneurs II
Shanghai hat eine Poesie, die sich erst auf den zweiten Blick erschließt. Poesie? In einer Stadt mit der hypermodernen Skyline des Finanzdistrikts in Pudong? Einer Stadt, mit der man nur Wirtschaftskraft und Business assoziiert? Shanghai hat viele Gesichter. Einer meiner Lieblingsbezirke zum Herumschlendern ist die ehemalige French Concession, ein großes Areal mit den Ausmaßen einer Kleinstadt. Man kann unentwegt Neues entdecken, Straßen ablaufen, die man noch nicht zuvor gesehen hat, und selbst wenn sich die Wege wiederholen, macht es Spaß, die Schaufenster genauer anzusehen, in den kleinen Geschäften etwas zu kaufen oder sich in ein Café zu setzen und zu lesen oder Leute zu beobachten. Der Stadtteil ist voll mit jungen, schönen Menschen, Modeboutiquen und Anklängen an den ehemaligen Kosmopolitismus der 20er und 30er Jahre, dessen Glamour bis in die heutige Zeit strahlt und an dessen Mythos die Stadt anknüpft. Man wandelt zwischen Architektur von Art Deco bis klassischer Moderne oder sitzt im Teegarten unter Palmen und Bananenstauden, das Improvisierte, Unrenovierte wird zur Historie mit Patina und irgendwann stören die wirren Verkabelungen über den Straßen oder die Rohrleitungen und Klimaanlagen, die überall an den Hauswänden hängen, genauso wenig wie die alten, morschen, ungeputzten Fenster. Das alles strahlt den Charme süditalienischer Lässigkeit aus, die anscheinend von der chinesischen Mentalität nicht ganz fern ist. Man kann am Wukang Mansion, dem bekannten Bügeleisenhaus, eine Erkundungstour auf der Wukang Road und Anfu Road beginnen (um dorthin zu kommen: Metrostation "Jiaotong Universität", Exit 3 oder 4, dann Huaihai Road Richtung Osten gehen). Auf diesen beiden Straßen gibt es unzählige Cafés, Teeräume mit schönen, kleinen Gärten, Restaurants und Hinterhöfe, wie zum Beispiel in der Ferguson Line, die von der Wukang Road abgeht. Schicke Getränke werden am Stand verkauft und junge Leute verwirklichen ihre kreativen Ideen. Es wirkt künstlerisch, man läuft durch verschiedene Architekturstile vom Landhaus bis zur klassischen Moderne und überall erklingt Vogelgezwitscher aus den Gärten der schönen Villen.