Quanzhou, eine 8-Millionen-Einwohner-Stadt in der Provinz Fujian, gegenüber von Taiwan an der Meeresstraße Taiwan Strait gelegen, war während der Song- und Yuan-Dynastie vom 10. -14. Jahrhhundert eine prosperierende Handelsstadt. Sie lag an der maritimen Seidenstraße, war das wichtigste Tor Chinas für wirtschaftlichen und kulturellen Austausch mit anderen Ländern und in jener Zeit der bedeutendste Hafen der Welt. Marco Polo bezeichnete Quanzhou als Alexandria Asiens. Quanzhous damaliger Name Zaytun blieb im Wort "Satin" erhalten, das Wort "Tee" in europäischen Sprachen entstammt dem örtlichen Dialekt (tä).
Die Stadt zog unzählige Händler aus der arabischen, persischen, indischen und europäischen Welt an, die ihre Kulturen und Religionen mitbrachten, vor Ort ihre Gebetshäuser errichteten, in einem friedlichen Nebeneinander lebten und sich teilweise durchmischten. Bis heute sind nicht nur historische Spuren der Händler erhalten, sondern deren Nachfahren setzen die Kultur mit lebendigem Brauchtum und gepflegten religiösen Stätten fort. In Quanzhou leben heute 60 - 70.000 Nachfahren der Perser und Araber.
Die beeindruckende Infrastruktur, die den Handel mit der Welt ermöglichte, umfasste ein Verkehrsnetz von Brücken, Hafenanlagen, Verwaltungsgebäuden und religiösen Stätten. Dieses historische Erbe führte dazu, dass die Stadt 2021 den UNESCO-Welterbetitel "Quanzhou: Emporium der Welt in der chinesischen Song- und Yuan-Dynastie" verliehen bekam. Insgesamt gibt es in der Stadt 22 Orte, die zum dem Welterbe der Stadt gehören.
Tuman Straße - die Reihe der religiösen Kultstätten
Ich starte meine Erkundungstour an der Tumen Street, wo man die Kultorte verschiedener Religionen auf kurzer Strecke nebeneinander findet.
Die Qingjing-Moschee
Die Qingjing-Moschee ist ein markantes Gebäude und unterscheidet sich von daoistischen, konfuzianischen und buddhistischen Tempeln. Sie steuere ich als erstes an.
1009 erbaut, ließ Ahmad Bin Muhammad Quds, ein berühmter Pilger aus Shiraz in Persien, sie 1310 restaurieren. Das Haupttor und der Fengtian Altar zeigen charakteristische Merkmale persisch-iranischer Moscheen.
Die Araber und Perser errichteten seinerzeit sechs bis sieben Moscheen, von denen diese eine übrig geblieben ist.
Der Eingangsturm zur Qingjing-Moschee. Deutlich sind architektonische Grundformen Persiens erkennbar, die man z.B. auch in Isfahan findet.
Nicht alle Teile der Moschee sind erhalten, vom alten Gebäude stehen nur noch die Grundmauern.
Lebendig ist die islamische Gemeinschaft bis heute. Zum Freitagsgebet kommt eine größere Gruppe Männer zusammen, die in der Moschee beten.
Der daoistische Tonghuai Guanyue-Tempel
Nur wenige Meter weiter liegt der daoistische Tonghuai-Tempel. Auf dem Weg dahin häufen sich die Geschäfte mit Zubehör für Pilger und Gläubige: Räucherstäbchen in allen Größen, Papiergeld zum Verbrennen, Ananas, Äpfel, Orangen, die die Geschäfte wie einen Obstladen erscheinen lassen, hier aber als Opfergaben verkauft werden, um sie vor die Götter in den Tempel zu legen. Auch Blumen werden hier zu über 80 Prozent als Geschenke für die Götter gekauft, nicht um damit sein Zuhause zu verschönern.
Nicht der Tonghuai-Tempel, sondern ein kleiner daoistischer Hausaltar in einem der Devotionalien- und Opfergabengeschäfte.
Papiergeld, das man als Opfergabe verbrennt.
Sehen aus wie Feuerwerkskörper, sind aber Räucherutensilien für den Tempelbesuch.
Interessante Blüten treibt der Verehrungskult im Devotionalienladen: Neben daoistischen Göttern sitzt Buddha, hier in der Erscheinungsform der Lebensfreude, und auch die Büste eines kommunistischen Parteisekretärs gesellt sich in den Reigen der verehrungswürdigen Figuren.
Auf dem Platz vor dem Tempel wimmelt es von betenden Menschen, Rauchschwaden füllen die Luft, es herrscht Gedränge. Kontemplative Stille zum Beten ist hier kaum zu finden.
Der Konfuzius-Tempel
Der Konfuzius-Tempel liegt in entgegengesetzter Richtung . Ich gehe wieder an der Moschee vorbei und gelange zu einem Park mit großem Tempelvorplatz.
Der Tempel hat deutlich weniger Besucher als der daoistische, es ist angenehm ruhig. Ein paar Besucher kommen hierher, um für gute Studienabschlüsse und Examina zu beten. Konfuzius steht für Weisheit, Philosophie und Gelehrsamkeit. Seine Lehren wurden früher in konfuzianischen Schulen weitergegeben, deren Absolvierung zu hohen Beamtenlaufbahnen im Kaiserreich führten.
Das Viertel der Antiquitätenhändler
Hinter den religiösen Stätten, die an der Tumen Straße nebeneinander aufgereiht liegen wie Perlen auf einer Schnur, verläuft parallel die Houcheng Straße, eine gemütlich-beschauliche Gegend mit vielen Antiquitätenläden, Geschäften mit hochwertigem Zubehör für Kalligraphie und Kunst sowie einige historische Hofhäuser, die das Leben ehemaliger wohlhabender Bewohner erahnen lassen. Heute sind dort Kunstausstellungen oder Teestuben eingezogen. Die Türen sind weit geöffnet, die Ladenbesitzer stehen vor ihren Geschäften und halten einen Plausch mit den Nachbarn oder sie sitzen entspannt auf antik-chinesischen Stühlen und spielen gelassen, auf Kundschaft wartend, am Handy. Nichts scheint hier jemanden aus der Ruhe zu bringen.
Die ganze Umgebung eignet sich hervorragend zum Stöbern, direkt hinter der Moschee gibt es ein Café. Auch hier sitzen alle Gäste draußen, die Fenster sind geöffnet, die Temperaturen frühlingshaft.
Im Café sehe ich ein altes Mahjong-Spiel, das als Deko dient und leider unverkäuflich ist. Das Spielprinzip entspricht in etwa unserem Rommee-Spiel. Es geht ums Sortieren von Zeichen, die man sammelt, bis man sie offenlegt. Die Faszination, die davon ausgeht, liegt für mich im charakteristischen Klacken der Spielsteine, wenn sie beim ständigen Neu-Sortieren hin- und her und zu Gruppen zusammengeschoben werden. Solche ein Spiel wäre das perfekte Mitbringsel aus China. Ich finde es sehr charakteristisch für dieses Land. Das Spiel aus dem Laden sieht zwar sehr schön aus, aber fürs Spielen braucht man etliche Steine mehr. Das tröstet darüber hinweg, dass es unverkäuflich ist.
Aber immerhin bin ich der Gegend der Antiquitätenläden. Vielleicht hat irgendein Händler solch ein Spiel. Es ist nicht notwendig, jeden einzelnen Laden aufzusuchen und zu erklären, was man möchte. Wenn ein Händler bei sich nichts findet, geht die Kommunikation über die Straße los. In kürzester Zeit wissen alle von meiner Suche und es findet sich tatsächlich ein altes Spiel, das aber so speckig ist, dass ich es für den Preis von 1000 Yuan (140 Euro) nicht kaufen möchte. Der Händler ist offensichtlich nicht bereit zu handeln, aber bei dieser Ausgangssumme wären wir uns auch durch Handeln nicht näher gekommen.
Statt dessen ziehe ich weiter und finde in einem anderen Geschäft einen kleinen kugelbäuchigen Buddha. Nachdem ich mit dem Händler über den Kauf einig geworden bin, bittet er mich, Platz zu nehmen und bei einem Tee miteinander zu plaudern. In Asien wird ein abgeschlossenes Geschäft traditionell mit einem gemeinsamen Tee beendet, bei dem man irgendwie ein bisschen miteinander vertraut wird.
Mein Weg geht weiter. In der Nähe des daoistischen Tempels wird am Straßenrand aus der Hand gelesen und die Zukunft wahrgesagt.
Spezialitäten Quanzhous
An der Tamen Straße, zwischen der Moschee und dem Konfuziustempel kündigt schon von weitem eine besonders lange Schlange den angesagtesten Laden der Stadt für Ingwerenten an - die Spezialität Quanzhous. In zig schweren, gusseisernen Töpfen werden Enten auf offenem Feuer gebraten.
Die Einrichtung der Essensräume ist spartanisch und ähneln eher einer Spanferkelbraterei mit Imbissbude. Einer dieser gusseisernen Töpfe wird an meinen Tisch gebracht. Der Kellner trägt schwere, dicke Handschuhe, die vor der Hitze schützen. Deckel ab und die Ente kocht im Topf noch ordentlich weiter. Das Essen soll vorzüglich sein, mir persönlich geht das Abnagen des heißen Fleischs vom Knochen ein bisschen auf die Nerven, dauernd verbrenne ich mir die Lippen, ich nage am Hals und am Kopf, aber alle um mich herum haben echten Spaß.
Der Entenkopf fehlt natürlich nicht.
Mit Kind und Kegel zum Entenessen. Mich verblüfft immer wieder, mit welcher Begeisterung die Kleinen genau das essen, was auch die Erwachsenen bekommen. Jedes Kind kriegt eine Entenkeule in die Hand gedrückt und dann wird abgenagt.
Eine andere Spezialität Quanzhous sind Austern. Die werden in dieser Gegend mit Rührei, Frühlingszwiebeln und allerhand Gewürzen durch die Pfanne geschwenkt und gehören zu den Klassikern der regionalen Küche.
Die Qingyuan-Berge
Weiter geht die Tour auf den Spuren der religiösen Multikulti-Orte. Mein Weg führt mich stadtauswärts zu den Qingyuan Bergen, eine Natur- und Kulturstätte, die schon seit der Qin-Dynastie vor circa 1800 Jahren genutzt wurde. Der Berg birgt eine Menge historischer und spiritueller Orte wie z.B. neun gut erhaltene, aus Felsen gemeißelte Statuen, die dem Buddhismus und Daoismus zugerechnet werden. Außerdem gibt es über 600 Inschriften mit Versen und Weisheiten, die in Felswände gemeißelt wurden. Die bekannteste Skulptur ist der Laozi, eine Figur des Begründers des Daoismus, die aus einem großen Felsbrocken herausgehauen wurde. Er ist eines der Wahrzeichen Quanzhous.
Die Steinstatue von Laotse wurde aus einem ganzen Granitfelsen herausgearbeitet. Es ist die früheste und größte Daoismus-Steinskulptur von Laotse in China.
Buddha-Statuen im tibetischen Stil, ein heiliges, islamisches Grab liegen an den Wegen, die am Berg entlang führen. Auffällig ist auch hier, dass alle Religionen diese Umgebung für sich nutzen und ein Nebeneinander möglich ist, wie wir es uns bei den monotheistischen Religionen nur selten vorstellen können.
Kaiyuan-Tempel - wo Buddhismus und Hinduismus verschmelzen
Wieder in der Stadt angelangt, führt mich mein Weg zum Kaiyuan-Tempel, der der Richtung des esoterischen Buddhismus angehört. Zugleich ist er einer der wenigen erhaltenen hinduistischen Tempel in China. Hinter der Mahavira-Halle, der Haupthalle eines buddhistischen Tempels, findet man Säulen die aus einem hinduistischen Tempel stammen, der 1283 von der tamilischen Handelsgemeinschaft Ainnurruvar Valanjiyar in Quanzhou erbaut wurde.
Auf der hinteren Veranda der Mahavira Halle im Kaiyuan Tempel gibt es 16 steinerne Pfeiler mit Reliefs klassischer Hindumythen. Diese Reliefe stellen Figuren der Inkarnation des Vishnus dar, einer der wichtigsten Formen des Göttlichen im Hinduismus, die sich hier mit der traditionellen chinesischen Formensprache mischen.
Vishnu, hier in der Erscheinungsform eines Löwen, erkennbar an der Mähne, der einen bösen Dämonen austreibt. Er gehört zum Hinduismus.
Shiva, eine der drei Hauptgottheiten des Hinduismus, die in verschiedenen Erscheinungsformen dargestellt wird. Hier in der Haltung der Buße.
Der übrige Teil des Tempels wurde bereits 685 während der Tang-Dynastie errichtet in einem Maulbeerbaumgarten, dessen Besitzer im Traum ein bettelnder Mönch erschienen war, der darum bat, in diesem Garten den Tempel zu errichten. Ein Maulbeerbaum steht immer noch dort.
Die Renshou-Pagode wurde 917 in Stein gebaut und wurde weder durch Erdbeben noch durch Kulturrevolution zerstört. Die zweite Pagode war zunächst aus Holz, wurde dann 1238 ebenfalls aus Stein gebaut. Sie waren früher Landmarken, an denen sich die Seefahrer orientierten.
Das Maritime Museum
Woher kam die kosmopolitische Ausrichtung der Stadt? Dass es eine Hafen- und Handelsstadt war, ist bekannt. Deswegen gibt es in Quanzhou das Maritime Museum, das die chinesische Seefahrt und den dadurch möglichen Handel beleuchtet.
In der Abteilung mit Grabsteinen und anderen Artefakten, findet man reichlich Belege für die Multikulturalität und den Schmelztiegel der Kulturen. Exotische Religionen wie das Christentum verschmolzen hier mit einheimischen Formen der Spiritualität.
Z.B. zeigt der Grabstein unten eine Mischung aus Hinduismus, Buddhismus und Christentum. Im Zentrum sitzt ein vierflügeliger Engel, ein christliches Symbol, der auf dem Kopf eine dreizackige Krone trägt, die dem Buddhismus zuzurechnen ist. In der Hand hält er eine Lotusblüte, aus der ein christliches Kreuz erwächst. Die Wolken, die das gesamte Relief umgeben, entstammen der daoistischen Kulturtradition
Neben den Artefakten, die Quanzhous Geschichte als Schmelztiegel widerspiegeln, gibt es auch die politische Geschichte, in der Taiwan eine Rolle spielt. Taiwan, das früher Formosa hieß, war eine niederländische Eroberung, die von den Chinesen im Jahr 1661 unter Zhen Chenggong, auch bekannt als Koxinga aus Shijing, zurück gewonnen wurde. Taiwan, das 38 Jahre von den Niederländern besetzt war, hatte er mithilfe seiner 25.000 Mann starken Armee, die mit 4000 Schiffen übersetzte, zurückerobert.
Zhen Chenggong, der Eroberer Formosas
Die obige Abbildung zeigt ein sogenanntes Schatzschiff. Diese Schiffe waren die größten, die jemals aus Holz gebaut wurden. Mit ihnen unternahmen chinesische Seeleute Expeditionen, die sie durch ganz Fernost und an die Küsten Ostafrikas und Arabiens brachten. Diese Expeditionen unter Admiral Zheng He wurden allerdings nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Die Chinesen fanden nichts außerhalb ihres Landes, das ihnen Innovation gebracht hätte. Hier liegt ein deutlicher Unterschied zu den europäischen Seefahrern, die nicht selbstgenügsam in die Heimat zurücksegelten, sondern Kapital aus den eroberten Gebieten schlugen. Vielleicht fing an diesem Punkt eine verhängnisvolle Entwicklung in der chinesischen Geschichte an, die Mitte des 19. Jahrhunderts zu Chinas Untergang führte, als es zur endgültigen Konfrontation mit den Europäern kam. (Willst du Näheres dazu wissen? Klick hier.)
Infrastruktur für eine prosperierende Hafenstadt - die Luoyang-Brücke
Die Luoyang-Brücke wurde während der Song-Dynastie in den Jahren 1053 bis 1059 erbaut. Sie überquert den Fluss Luoyang und bot damals den Händlern eine Direktverbindung von dem Hafen von Quanzhou zu den nördlich gelegenen Städten. Ohne diese Brücke wären Umwege durch die westlich gelegenen Berge notwendig gewesen. Das Projekt diente der Erschließung des gesamten Wirtschaftsraums. Zusammen mit den Docks, weiteren Brücken wie der Anping-Brücke, der Shunji-Brücke, so wie der Maritimen Handelskammer, die heute noch, teilweise allerdings nur noch als Ruinen zu besichtigen sind, ist die Brücke ein Zeugnis für die wirtschaftliche Bedeutung der Hafenstadt vor 700- 1000 Jahren.
Heute ist sie nur noch von Fußgängern zu nutzen und ein beliebtes Ausflugsziel. Sie gehört zu den bedeutendsten historischen Top-4-Brücken Chinas. Die anderen drei sind die Zhaozhou, Guangji und Lugou-Brücke.
Der Erbauer der Brücke: Cai Xiang
Drei Männer in typischer Kleidung der Song-Dynastie beim Sonntagsausflug auf der Brücke
Wudianshi
Nicht auslassen sollte man bei einer Reise nach Quanzhou das Wudianshi-Viertel. Diese Sehenswürdigkeit befindet sich in Qingyan, der Altstadt von Jinjiang City, einem Stadtteil von Quanzhou.
Das Wudianshi-Viertel ist voller historischer Gebäude, die aus Backstein im Stil Süd-Fujians gebaut wurden, d.h. die Backsteine weisen eine rot, schwarze Marmorierung auf, die den Fassaden eine gewisse Lebendigkeit geben.
Das Viertel ist heute für Besucher und Touristen erschlossen, es gibt unzählige gastronomische Angebote, Bühnen für Künstler, Opern und Musikaufführungen und jede Menge schöne Interieurs, in denen Teestuben und Geschenk- und Antiquitätenläden und Kunsthandwerker eingezogen sind.