Nanjing ist ein wichtiger Ort der jüngeren chinesischen Geschichte, vor allem des 20. Jahrhunderts. Aber auch davor war die Stadt immer wieder bedeutend und erlebte vor allem unter der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) ihre erste Blüte.
In nur zwei Stunden erreicht man die Stadt von Schanghai mit dem Hochgeschwindigkeitszug. Ein ideales Kurzreiseziel für ein Wochenende. Allerdings reichen zwei Tage nicht aus, um sich die vielen Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Entweder man setzt Prioritäten oder besser noch: Man bleibt gleich ein paar Tage.
Folgendes sollte man auf keinen Fall verpassen:
- das Mausoleum des ersten chinesischen Präsidenten Dr. Sun Yat-Sen
- das Ming-Mausoleum Xiaoling,
- das Memorial zum Massaker von Nanjing.
Darüberhinaus hat Nanjing die mit 21 Kilometern längste erhaltene Stadtmauer der Welt, etliche interessante Tempelanlagen wie den Konfuziustempel Fuzi Mia oder den buddhistischen Jiming-Tempel. Außerdem ist das Nanjing Museum sehenswert und im Park der Schatzschiffe gibt es den Nachbau eines Schatzschiffes in Originalgröße, mit denen der legendäre Admiral Zheng He in See stach, um die Weltmeere zu erkunden.
Nicht auslassen sollte man den Präsidentenpalast, das heutige China Modern History Museum, ein Brennpunkt der Geschehnisse der politischen Wirren von der späten Qing-Dynastie bis zum Sieg der Kommunisten.
Interessant ist außerdem das Haus von Song Meiling, der Gattin von Chiang Kai-shek, und das Haus von John Rabe, einem Deutschen, der während des Massakers von Nanjing ca. 250.000 Chinesen rettete.
Das Nanjing der Ming
Bevor die Ming an die Macht kamen, stand China unter der Regentschaft der Mongolen (Yuan-Dynastie 1279 bis 1368), deren Anführer Kublai Khan, ein Enkel des legendären Dschingis Khans, China 1271 erobert hatte und im Norden, nahe der Mongolei die Stadt Khanbaliq, die "Stadt des Khan", gegründet hatte, das heutige Peking.
Der erste Ming-Kaiser Hong Wu
China litt unter der mongolischen Herrschaft, bis ein Bauernjunge aus ärmlichen Verhältnissen namens Zhu Yuanzhang das Schicksal Chinas maßgeblich verändern sollte. Dieser Junge hatte sich einer rebellischen Gruppe von Bauern angeschlossen, den sogenannten "Roten Turbanen", mit denen er gegen die Herrschaft der Mongolen kämpfte.
Die Rebellen, die "Roten Turbane", hatten rote Tücher um den Kopf gewickelt.
Im Jahr 1356 wurde er zum Anführer der Rebellion, er baute eine starke Armee auf und konnte mit ihr schließlich 1368 die Hauptstadt der Yuan-Dynastie, die "Stadt des Kahn", das heutige Peking, erobern und damit die Herrschaft der Mongolen beenden.
Dieser ehemalige arme Bauernjunge Zhu Yuanzhang wurde zum Kaiser Chinas, dem ersten Kaiser der Ming-Dynastie. Später wurde er Hong Wu genannt und wird heute oft als eine der prägendsten und einflussreichsten Figuren der chinesischen Geschichte betrachtet.
Während des Krieges gegen die Mongolen eroberte Zhu Yuanzhang einige Gebiete in Anhui südlich des Jangtsekiangs. Schließlich gelang es ihm im Jahr 1356 die Stadt Jiqing Lu (das heutige Nanjing) nach einer dreimonatigen Schlacht einzunehmen. Die Stadt war von strategischer Wichtigkeit auf der Südseite des Jangtsekiangs und wurde zur Ausgangsbasis seiner Herrschaft.
Kaiser Hong Wu baute Nanjing zur Residenz und zum Zentrum politischer Macht aus.
Bekannt war er für seine harte Hand gegenüber politischen Gegnern und für sein strenges Regierungssystem. Er ließ mehrere Säuberungswellen über Beamte, Gelehrte, Offiziere, Landbesitzer ergehen und ging dabei alles andere als zimperlich vor. Ca. 100.000 Menschen fielen diesen Säuberungswellen zum Opfer. Er war bestrebt, eine zentralisierte Kontrolle über das Land auszuüben und den Einfluss der Adelsfamilien einzuschränken, er setzte den Konfuzianismus durch, allerdings durch ein scharfes Kontrollsystem, in dem benachbarte Familien in Gruppen zu 10 und 100 aufgeteilt wurden, in denen das Prinzip der gegenseitigen Verantwortlichkeit galt. Der verordnete Konfuzianismus diente zur Herausbildung eines bürokratischen Absolutismus. Soziale Hierarchien, eingeteilt in die "Vier Stände" Gelehrte, Bauern, Handwerker und Händler wurden gefestigt, im Geistesleben fand ebenfalls eine Vereinheitlichung statt, damit sich keine Intellektuellen entwickeln konnten, sondern Denkbürokraten. Viele Aspekte von Hong Wus Politik wurden auf seine niedere Herkunft zurückgeführt.
Gleichzeitig legte er in den dreißig Jahren seiner Regentschaft die Grundlage für den Erfolg und die Blütezeit der Ming-Dynastie. Die Landwirtschaft wurde gefördert, wodurch sich die Ernährungslage verbesserte und sich die Bevölkerung in zweihundert Jahren verdoppelte.
Die Ming-Dynastie markierte eine neue Ära in China und hatte weitreichende Auswirkungen auf die politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Der Zhongshan Mountain Park
Hong Wus Grabmal, das Xiaoling-Mausoleum, befindet sich in Nanjing am Zhongshan Mountain.
Eine Erklärtafel zeigt das gesamte Gelände. Das Grabmal von Kaiser Hong Wu ist links zu sehen. Zentral in der Mitte liegt das Mausoleum von Sun-Yat-Sen
Der Zhongshan Mountain vereint mehrere Sehenswürdigkeiten Nanjings. Die wichtigsten sind das Mausoleum des ersten Ming-Kaisers und das Mausoleum Dr. Sun-Yat-Sens, des ersten Präsidenten der Republik China. Sie liegen in fußläufiger Entfernung am Hang dieses Berges nebeneinander. Angenehm ist zudem, dass alles in eine schöne Landschaft eingebettet ist, so dass man ausgiebig unter Schatten spendenden Bäumen spazieren gehen kann. Vor allem im Frühjahr zur Pflaumenbäume sollte man diese Gegend besuchen. Die Farbe der Pflaumenblüten brachte dem Berg den Beinamen "Purpurner Berg" ein.
Ming Xiaoling - das größte Mausoleum für den ersten Ming-Kaiser
Das Mausoleum des ersten Ming-Kaisers Hong Wu, das Ming Xiaoling ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes "Kaiserliche Grabstätten der Ming- und Qing-Dynastien", von denen die meisten allerdings in Peking liegen. Dafür ist aber das Ming Xiaoling die größte kaiserliche Grabstätte Chinas und zugleich auch die erste Ming-Grablege, ihr Bau dauerte von 1381-1431.
Bevor man sich den Hauptgebäuden nähert, gibt es den Shen Dao, den Seelenweg. Dieser 1800 Meter lange Weg ist gepflastert, verläuft nicht gradlinig, sondern in eine ost-westliche Richtung, die Shi Xiang Road und in eine nord-südliche Richtung, die Weng Zhong Road. Das Ungewöhnliche an diesem Weg ist sein 90 Grad-Knick. Einen solchen Seelenweg gib es auch in Peking, wo er aber schnurgerade verläuft, was der ästhetischen Auffassung der Ming eher entspricht, denn sie hatten ein gewisses Faible für Achsen und Symmetrie wie z.B. bei der Verbotenen Stadt in Peking. Die dahinter stehende Auffassung vom Zentrum der Welt, ja sogar des Kosmos hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem europäischen Barock: Zentralismus, Symmetrie und autokratische Herrschaft.
Zurück zur Anlage in Nanjing: Die ost-westliche Straße führt unter Bäumen entlang und wird von tierischen Steinskulpturen flankiert.
Die nord-südliche Straße führt zum Komplex des Mausoleums.
An dieser Straße stehen steinernen Generäle und Minister.
Am Ende der Nord-Süd-Achse angelangt, führt eine Brücke zum Komplex des Mausoleums, die Hauptachse läuft geradewegs auf das Hauptgebäude an ihrem Ende zu. Dabei spaziert man durch verschiedene Bereiche der Anlage, passiert Tore, Pavillons und Hallen und nähert sich langsam, bergan steigend dem größten Pavillon, Bao Shang, in dem der Kaiser beigesetzt ist.
Bao Shang, das Grab des Kaisers, ist mit gelben Dächern gedeckt, der edelsten und hochrangigsten Farbe, die dem Kaiser, dem Sohn des Himmels, vorbehalten war. Gelb wurde mit den fünf Elementen der chinesischen Philosophie, insbesondere mit der Erde in Verbindung gebracht. Die Erde wurde als stabilisierendes und nährendes Element angesehen, das ähnlich wie der Kaiser für Stabilität und Harmonie im Reich sorgte. Gelb symbolisierte auch Fruchtbarkeit, Glück und Wohlstand.
Das eigentliche Grab des Kaisers wurde nie geöffnet. Es ist davon auszugehen, dass er dort liegt. Es gehört zu den Eigenarten der chinesischen Archäologie, dass man die Gräber der chinesischen Kaiser bisher nicht geöffnet hat. Ist es die Befürchtung, dass durch Sauerstoff wertvolle Artefakte zerfallen könnten? Ist es eine Form des Respekts vor den toten Kaisern?
Dr. Sun-Yat-Sen-Mausoleum
Nach einem 20-minütigen Fußweg durch einen schönen Wald erreicht man diesen deutlich größeren Komplex, der sich durch Touristenmassen ankündigt. Das Grab des ersten Präsidenten der Republik China ist deutlich populärer als die Beisetzungsstätte des ersten Ming-Kaisers.
Das Mausoleum von Dr. Sun Yat-Sen orientiert sich am Ming-Vorbild. Wieder führt eine gerade Achse bergan, man passiert diverse Pavillons und Tore bis man oben an der Heiligen Halle angelangt ist, in der der Präsident beigesetzt ist.
Wer war Dr. Sun Yat-Sen?
Dr. Sun Yat-Sen (auch bekannt als Sun Zhongshan) wurde 1866 in der Provinz Guangdong geboren, starb 1925 in Peking und war ein bedeutender chinesischer Politiker, Arzt und Revolutionär. Er spielte eine herausragende Rolle in der chinesischen Geschichte und wird oft als "Vater der chinesischen Nation" bezeichnet. Er führte die Xinhai-Revolution von 1911 an, die zum Sturz des letzten Kaisers und zur Gründung der Republik China führte. Es handelt sich dabei nicht um die Volksrepublik, die kam erst 1949. Zwischen dem Kaiserreich und der Volksrepublik war China eine Republik. Sun Yat-Sen war der erste provisorische Präsident dieser Republik und gründete die Kuomintang, eine politische Partei, die später als "Nationalisten" gegen die "Kommunisten" im Chinesischen Bürgerkrieg kämpfen sollte.
Sun Yat-Sen hatte eine starke Vision für ein modernes China, das von der imperialen Vergangenheit befreit war und sich zu einer wohlhabenden und demokratischen Nation entwickeln sollte.
Die Spaltung Chinas in die Volksrepublik und die Republik
Es kam anders, als es sich Sun Yat-Sen gewünscht hatte. Der Konflikt begann mit der Spaltung der Politiker in die Kuomintang, angeführt von Chiang Kai-shek, und die Kommunistische Partei Chinas, angeführt von Mao Tse-tung. Zunächst waren die beiden Parteien während der Nordexpedition (1926-1928) vereint und kämpften gemeinsam gegen die Kriegsherren (War Lords) und gegen die ausländische Kontrolle in China. Nach der Einigung Chinas unter der Kuomintang-Führung brachen jedoch zunehmend Spannungen zwischen den beiden Parteien aus.
Die Kommunisten strebten eine sozialistische Revolution an und genossen Unterstützung unter den Landarbeitern und den ärmeren Schichten der Gesellschaft, während die Kuomintang eine nationalistische und gemäßigt kapitalistische Vision für China verfolgten.
Im Zweiten Weltkriegs vereinten Kuomintang und Kommunisten nochmals ihre Kräfte gegen die japanische Besatzungsmacht, allerdings setzte sich der Bürgerkrieg nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fort, als die Kuomintang und die Kommunisten ihre jeweiligen Einflussgebiete ausweiteten und um die Kontrolle über China kämpften. Schließlich erlangten die Kommunisten unter der Führung von Mao Tse-tung im Jahr 1949 die Oberhand und gründeten die Volksrepublik China auf dem chinesischen Festland, während die Kuomintang sich auf die Insel Taiwan zurückzogen. Taiwan war zu diesem Zeitpunkt ein Teil Chinas und ist es völkerrechtlich bis heute. Die Kuomintang sahen sich als die rechtmäßigen Nachfolger der Republik China und Chiang Kai-shek hoffte bis zu seinem Tod, Festland-China von Taiwan aus zurückerobern zu können, damit ganz China wieder eine vereinte Republik werde. Dazu ist es nicht gekommen. In den ersten Jahren erkannten die meisten Staaten der Welt die Kuomintang in Taiwan als Vertreter des rechtmäßigen Chinas an, ignorierten die kommunistische Volksrepublik und pflegten diplomatische Beziehungen mit Taipeh. Im Laufe der Jahre wandten sich aber mehr und mehr Staaten der Volksrepublik zu, respektierten deren One-China-Politik, brachen diplomatische Beziehungen mit Taiwan ab und orientierten sich an Peking. Kaum ein Land dieser Erde unterhält heutzutage noch diplomatische Beziehungen mit Taiwan, in Europa nur der Vatikan, was nicht verwundert, da die Kirche den Kommunismus bekanntlich scheut wie der Teufel das Weihwasser.
Das Mausoleum von Yun Sat-Sen ist für Chinesen der Volksrepublik und Chinesen aus Taiwan ein gemeinsamer Identifikationsort. Beide Gruppen sehen in der Gründung der Republik und der damit einhergehenden Abschaffung des Kaiserreichs einen Fortschritt. Für die Taiwaner ist der Ort noch wichtiger, denn sie sehen sich als Fortsetzung des republikanischen Chinas. Die offizielle Bezeichnung Taiwans lautet übrigens bis heute - und daran rüttelt im Moment auch niemand - Republik China.
Meinling Gong - Das Haus von Song Meiling
Ebenfalls auf dem Zhong Shan Berg befindet sich Meiling Gong, das Haus von Song Meiling, der Frau von Chiang Kai-shek.
Song Meiling, Madame Chiang Kai-shek, war eine der prominentesten Figuren auf der politischen Bühne Chinas. Sie war eine der einflussreichsten Frauen des 20. Jahrhunderts und verkörperte Schönheit, Intelligenz, Vermögen, Macht, Einfluss und Ehre. Durch ihr Studium in den USA, das ihr reicher Vater ihr ermöglicht hatte, lernte sie die westliche Kultur kennen. Sie sprach perfekt Englisch und handelte und redete wie eine Frau aus dem Westen. Sie sagte einst über sich: "Das einzig Asiatische an mir ist mein Gesicht."
Nach der Heirat mit Chiang Kai-shek im Jahr 1927 war sie aktiv in die Politik und die auswärtigen Angelegenheiten eingebunden. Ihre Ausstrahlung und Sozialkompetenz hatten großen Einfluss auf die sino-amerikanischen Beziehungen. Sie erschien auf Titelseiten von Time, Life und Newsweek und ging im Weißen Haus bei Eleanor und Franklin Roosevelt ein und aus. Am 18. Februar 1943 trat sie als erste Chinesin und als zweite Frau vor den US-Senat und das Repräsentantenhaus mit einer flammenden Rede, die sie weltberühmt machte. Diese Rede brachte die USA an die Seite Chinas im Kampf gegen Japan.
Interessanterweise hatte Meiling zwei Schwestern, die alle ebenso mit mächtigen Männern verheiratet waren. Die älteste Schwester Song Ailing hatte den Finanzmagnaten und späteren Finanzminister unter Chiang Kai-shek H.H. Kung geheiratet.
Die andere Schwester Song Qingling war die Frau von niemand geringerem als Sun Yat-sen. Trotzdem stand sie nach dem Tod von Sun Yat-sen den Kommunisten nahe, was die Schwestern zu Feinden werden ließ. Sie sahen sich nie wieder.
Eine Familiensaga, die ihresgleichen allenfalls noch beim Kennedy-Clan zu finden ist.
Nach dem Sieg der Kommunisten floh Meiling mit Chiang Kai-shek nach Taiwan und regierte mit ihm dort autokratisch, wie sie es früher in Nanjing getan hatten. Chiang Kai-shek glaubte bis zu seinem Tod daran, dass er die Volksrepublik von Taiwan aus zurückerobern und die Kommunisten besiegen könne. Als er 1975 starb, ging Song Meiling nach New York, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2003 im Alter von 106 Jahren lebte.
Sie lebte zurückgezogen, gab nie ein Interview und schrieb keine Memoiren.
In den letzten Jahren ihres Lebens wurde sie gleichermaßen zur Ikone von Chinesen aus Taiwan wie aus der Volksrepublik. Seit ihrem 100. Geburtstag 1997 darf sie auch in der Volksrepublik bewundert werden.
Song Meiling mit Chiang Kai-shek - ein Jahr vor der Niederlage der Nationalisten gegen die Kommunisten
Hochzeitsfotos von Song Meiling mit Chiang Kai-shek
Song Meiling und Chiang Kai-shek im Exil in Taipeh
Song Meiling an ihrem 100. Geburtstag in New York.
Meiling Gong, gebaut von 1931-1934, diente ursprünglich als Residenz für höhere Beamte der Nationalregierung, wenn sie das Mausoleum von Yun Sat-Sen besuchen wollten. Das riesige Haus ist in einem Mix aus chinesischem und westlichem Stil eingerichtet.
Der Ming-Palast
Vom Purpurnen Berg mit seinen Sehenswürdigkeiten geht es hinunter in die Stadt, in den Bezirk Xuanwu. Dort lag auch der Palast der Ming als Nanjing deren Hauptstadt war.
Der ehemalige Ming Palast, die Verbotene Stadt Nanjings, war ebenfalls konsequent mit gelben Dächern, der Farbe des Kaisers, eingedeckt. 1367, als Nanjing noch Jiankang hieß, wurde der Bau des Palastes von Zhu Yuanzhang, dem ehemaligen Bauernjungen und ersten Kaiser der Ming-Dynastie begonnen. Nanjing war nicht lange Hauptstadt. 1402 machte der dritte Kaiser der Ming-Dynastie, Zhu Di, Peking wieder zur Residenz und begann unmittelbar danach mit dem Bau der dortigen Verbotenen Stadt. Nanjing war seitdem 300 Jahre Nebenhauptstadt. Verschiedene Brände verheerten Teile des Palastes, die nicht wieder aufgebaut wurden. Heute ist außer ein paar Grundmauern und einem Park nicht mehr viel übrig geblieben.
Der Präsidentenpalast
Ein paar Meter weiter westlich liegt der Präsidentenpalast, der seit der Qing-Dynastie als Verwaltungssitz des obersten Regierungsbeamten genutzt wurde. Der Palast spielte allerdings auch wieder eine gewichtige Rolle in der Geschichte des 19. und 20 Jahrhunderts. Bevor es aber wieder um Chiang Kai-shek geht, geht es noch in die kurze Phase der Taiping.
Plan des Präsidentenpalastes
1853 wurde das Gebäude von Anhängern des Taiping-Aufstands besetzt und als Residenz für den Anführer der Rebellen deutlich erweitert und umbenannt in 'Himmlischer Palast'. Die Taiping waren eine religiöse, zunehmend politisch werdendere Sekte, die in der langsam niedergehenden Qing-Dynastie versuchte, die Macht an sich zu reißen und China zum Taiping-Königreich zu machen.
Die Taiping: Der König des Himmels Hong Xiuquan hatte die Macht, sich der Qing-Dynastie entgegenzustellen.
1864 eroberten kaiserliche Truppen Nanjing von den Taiping zurück. Dabei wurde der Palast weitgehend zerstört, aber 1870 wieder errichtet in einer Stilmischung aus europäischen und chinesischen Elementen. Er wurde wieder als Sitz des Generalgouverneurs genutzt.
1911 wurde der Palast nach der Xinhai-Revolution und dem damit einhergehenden Ende des Kaisertums, zum Sitz des ersten Präsidenten Dr. Yun-Sat-Sen, bis die Hauptstadt nach .
der Gründung der Volksrepublik wieder nach Peking verlegt wurde.
Das Büro des Präsidenten von 1911 bis 1949
Am 23. April 1949 wurde Nanjing von den Kommunisten erobert. Auf diesem Gemälde betreten sie den Präsidentenpalast. Deng Xiaoping, der Nachfolger von Mao Tse-tung, der China von 1979-1997 regierte, ist hier der zweite von rechts. Er ist der Architekt des heutigen modernen Chinas, der Reformer, der das berühmte Zitat prägte: "Es spielt keine Rolle, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, wenn sie eine Maus fängt, ist sie eine gute Katze". Mit dieser Formel plädierte er dafür, effiziente wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, ohne die marxistische Ideologie zu berücksichtigen. Manche Gelehrte bezeichnen Deng Xiaoping als wichtigsten Mann Chinas im 20. Jahrhhundert. Ihm ist der kometenhafte Aufstieg Chinas zu verdanken, der vor circa 35 Jahren begann.
Der Präsidentenpalast steht für die gesamte Phase des Niedergangs der Qing-Dynastie, das Endes des Kaisertums, den Taiping-Aufstands, die Republik China und die Eroberung durch die Kommunisten und ist damit einer der wichtigsten Orte der jüngeren chinesischen Geschichte.
Die Stadtmauer von Nanjing
Nach dem historischen Exkurs ins 20. Jahrhundert geht es wieder zurück in die Ming-Zeit, ins 14. Jahrhhundert.
Eine der bemerkenswertesten Errungenschaften der Ming-Kaiser in Nanjing war der Bau der mächtigen Stadtmauer. Dieses beeindruckende Bauwerk erstreckte sich über eine Länge von etwa 35 Kilometern und umgab die Stadt, um sie vor Eindringlingen zu schützen. Heute sind davon noch 21 Kilometer erhalten, in einem guten Zustand und damit eine wichtige historische Sehenswürdigkeit in Nanjing. Gebaut wurde sie von 1360-1386 ebenfalls von dem ersten Ming-Kaiser Zhu Yuanzhang. Sie ist 14-20 Meter hoch und mit ihrer Länge steckt sie alle mittelalterlichen Stadtmauern Europas locker in die Tasche.
Die Höhe von Nanjings Stadtmauer misst zwischen 14-20 Meter.
Auf vielen Ziegeln aus der Ming-Zeit findet man Schriftzeichen mit Namen der Handwerker.
Von der nördlichen Stadtmauer in der Nähe des Jiming Tempels hat man eine gute Aussicht auf den Xuanwu See. Im Hintergrund sind die Purpurnen Berge zu sehen.
Am beeindruckendsten ist das Zhonghua Men, das China-Tor, das auf der südlichen, entgegengesetzten Seite der Altstadt liegt, also 6,5 Kilometer entfernt. Es ist das größte der 13 Stadttore, eine Verteidigungsanlage mit mehreren Höfen, die man in Europa als Zwinger bezeichnen würde.
Ich bleibe im Norden und sehe mir den Jiming Tempel an, der direkt an der Stadtmauer liegt und eine pittoreske Landmarke bildet.
Jiming Tempel
Direkt an der Mauer liegt der Jiming-Tempel mit eigenem Zugang.
Er wurde 527 errichtet, mehrfach zerstört und immer wieder aufgebaut. Der heutige Tempel wurde im 14. Jahrhhundert während der Ming-Herrschaft auch von Kaiser Zhu Yuanzhang errichtet, während des Taiping-Aufstandes zerstört und danach wieder aufgebaut.
Besonderer Blickfang ist die siebenstöckige Pagode. Vor allem junge Leute kommen auf der Suche nach Spiritualität. Es ist auffällig, wie viele es sind. Im Gegensatz zu Europa, wo nur noch wenige junge Menschen den Weg in die Kirchen finden, nimmt die Gläubigkeit in China zu. Viele junge Menschen beten für eine gute Zukunft, dass die Ausbildung gut abgeschlossen werden kann und dass sie einen guten Job finden. Derzeit ist es für junge Leute schwierig zu finden, was sie sich wünschen, die Jugendarbeitslosigkeit ist im Moment hoch.
Die Luft ist vom Duft der Räucherstäbchen erfüllt.
Die Schatzschiffe des Ming-Kaisers
Die Ming-Zeit lässt einen in Nanjing nicht los.
In der Zeit zwischen 1405 und 1433 schickte sich China an, eine Seefahrernation zu werden. Im Auftrag des dritten Kaisers der Ming-Dynastie, Yong Le, befuhren chinesische Schiffe den Indischen Ozean und den Pazifik. Dazu wurden die größten jemals aus Holz gebauten Schiffe in einer für damalige Verhältnisse unglaublichen Größenordnung fertig gestellt. Ca. 80 Meter lang sollen sie gewesen sein, mit neun Masten.
Aber nicht allein die Größe der Schiffe beeindruckt, auch die Größe der Flotte. Bei den Expeditionen fuhr eine Armada von hunderten von Schiffen gemeinsam los, in der Mitte die Schatzschiffe, beladen mit kostbaren Produkten wie Porzellan und Seide, begleitet von Kriegsschiffen, Versorgungsschiffen, Getreide- und Vorratsdschunken, Wassertankschiffen usw.
Der Leiter dieser Flotte war Admiral Zhang He, ein Mann aus der Stadt Kunming in Yunnan, der weit im Südwesten gelegenen Provinz, vermutlich ein Nachfahre mongolischer Eltern, sicher ein Moslem. Wenig ist über ihn bekannt. Es ist ein seltsamer Umstand, dass alle Aufzeichnungen, Logbücher und Informationen über diese Schatzschiffflotte vernichtet wurden. Nur eine schriftliche Quelle informiert über die damals stattgefundenen Expeditionen. Der junge muslimische Dolmetscher Ma Huhn, der Zheng He bei den Expeditionen begleitete, veröffentlichte 1433 eine Chronik seiner Jahre auf See. Darin erwähnt er alle Länder, die bereist wurden, die Fauna, die Religionen und die kunsthandwerklichen Fertigkeiten der Völker, die er kennen lernte. Über die Größe der Schiffe verliert er aber kein Wort, wodurch die Spekulationen ins Kraut schossen. Eine andere, spätere Quelle könnte Auskunft geben. Im Roman "Der dreifach geschmückte Eunuch Zheng He bereist den westlichen Ozean" wird die Größe der Schatzschiffe mit stolzen 140 Metern Länge angegeben, aber diese Quelle ist unbrauchbar, sie ist ein fiktiver Abenteuerroman über die Expeditionen, der erst 160 Jahre nach Zheng Hes Tod veröffentlicht wurde.
Hinweise zu der möglichen Größe der Schiffe lieferten archäologische Funde, als 1957 die Trockendocks der Werft in Nanjing freigelegt wurden. Zwar fand man keine Überreste eines Schiffsrumpfs, aber dafür ein Ruder, von dessen Größe man die Ausmaße der Schatzschiffe ableitete. Andere Wissenschaftler gehen von der Manövrierbarkeit der Schiffe aus, beziehen die Belastungsgrenzen des Materials Holz mit ein und versuchen, daran eine mögliche Größe festzumachen. Bis heute gibt es Vermutungen, die von 60 bis 138 Meter variieren.
Warum wurden die Aufzeichnungen über diese beeindruckende Hochseefahrer-Ära vernichtet? Eine mögliche Antwort ist die Kostspieligkeit dieses Unternehmens, die nach und nach Kritik in den Kreisen der Beamtenschaft am Kaiserhof laut werden ließ. Nach dem Tod von Kaiser Yong Le und der Thronbesteigung durch seinen Sohn wurde das Projekt Hochseeschifffahrt eingestampft. Das Kapitel wurde kurzerhand zugeklappt und nie mehr geöffnet.
65 Jahre nach der letzten Rückkehr Zheng Hes von einer Expedition kamen Schiffe aus einer ganz anderen Region der Erde in den Indischen Ozean - aus Portugal. Vasko da Gama erreichte 1497 als erster Europäer den Indischen Ozean und läutete damit das Zeitalter der europäischen Seeherrschaft ein, das die Welt für die nächsten 500 Jahre nachhaltig verändern sollte.
Insgesamt wurden unter der Leitung von Admiral Zhang He sieben Expeditionen unternommen:
1405–1407 Erste Reise: Vietnam – Java – Sri Lanka – Süden von Indien
1407–1409 Zweite Reise: Indien. Allerdings ohne Zheng He.
1409–1411 Dritte Reise: Indien und Sri Lanka
1413–1415 Vierte Reise: Hormuz am Persischen Golf und die afrikanische Ostküste
1417–1419 Fünfte Reise: Ostafrika bis Mogadishu
1421–1422 Sechste Reise: Südostasien – Indien – Persischer Golf
1431–1433 Siebte Reise: Malakka und Thailand
Aus der Zeit der Schiffsexpeditionen existieren historische Docks in Nanjing, die heute zu einem Museumspark umgestaltet wurden, in dem man die Zeit der Hochseeschifffahrt Chinas in einem kleinen Museum nachvollziehen kann. Höhepunkt des Parks ist ein nachgebautes Schatzschiff, das allerdings einer Grundsanierung bedürfte.
Das Massaker von Nanking
Bei Nanjing denkt mancher als erstes an das Massaker. Das Gedenken daran legt einen deprimierenden Schatten über die Stadt. Manch einer möchte deswegen Nanjing lieber nicht besuchen. Ich hatte gemischte Gefühle, einen Ort zu sehen, an dem das Grauen wahrhaftig wurde.
Der Eintritt in das Memorial ist frei, aber gegen eine Spende erhält man am Eingang eine weiße Chrysantheme, die man unterwegs an irgendeinem Ort des Rundgangs ablegen kann.
Um es vorwegzunehmen, der Besuch des "Memorial Hall of the Victims in Nanjing Massacre by Japanese Invaders" war weniger erschütternd, als ich erwartet hatte. Das Massaker wird nicht in hochauflösenden Bildern gezeigt, denn nicht selten kommen Familien mit Kindern. Um ihnen traumtisierende Eindrücke zu ersparen, ist der Erinnerungsort so gestaltet, dass den Besuchern das Schlimmste erspart bleibt.
Während des Zweiten Weltkriegs war China in den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg von 1937-1945 verwickelt.
Die Ursache waren japanische kolonialistische Bestrebungen, die sich auf China ausdehnten. China, das durch den Bürgerkrieg geschwächt war, konnte sich nicht verteidigen. Auf chinesischem Territorium richteten die Japaner den Marionettenstaat Mandschuko ein, um von dort aus die besetzten Gebiete zu verwalten. Nachdem die Japaner Schanghai angegriffen und erobert hatten, zogen sie weiter nach Nanjing. Kaiser Hirohito erteilte den Befehl, sich nicht an das Haager Abkommen zu halten, keine Kriegsgefangenen zu nehmen, sondern alle sofort zu exekutieren. Auf dem Weg nach Nanjing hinterließen die Japaner eine Spur des Terrors.
Als sie am 8. Dezember 1937 Nanjing erreichten schlossen sie die Stadt ein, am 13. Dezember besetzten sie die Stadt.
Was dann begann, war sieben Wochen die reinste Hölle. Menschen wurden auf offener Straße geköpft, lebendig begraben, bestialisch gefoltert, Kranke in ihren Betten zerhackt, Babys auf Bajonette gespießt, an Wände genagelt, über offenem Feuer geröstet, Frauen vergewaltigt und danach getötet.
Chinesische Zivilisten werden von japanischen Soldaten lebendig begraben.
Die Opferzahlen sind unklar, sehr unterschiedliche Zahlen werden angegeben. In den japanischen Kriegsverbrecherprozessen ging man 200.000 Menschen aus.
Wer war John Rabe?
Der Hamburger John Rabe arbeitete während des Massakers bei der Siemens-Halske-Niederlassung in Nanjing. Während der Geschehnisse richtete er eine Sonderschutzzone ein, in der 250.000 Chinesen Schutz vor den Japanern fanden und vor dem Tod gerettet wurden.
Das Wohnhaus von John Rabe ist heute eine Gedenkstätte. In China ist er berühmt und gilt als zweiter Oskar Schindler. Er wurde 2009 von 56 Mio. Chinesen bei einer Umfrage von Radio China International unter die Top Ten Friends of China der letzten hundert Jahre, die Ausländer sind, auf Platz 2 gewählt.
Als Mitglied der NSDAP wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg vorerst nicht entnazifiziert, später doch wegen seines humanitären Einsatzes. Eine verantwortungsvolle Position bekam er trotzdem nicht mehr und starb 1950 verarmt in Berlin. Er ist in Deutschland so gut wie vergessen, in China lebt sein Andenken weiter. Vermutlich kennt fast jeder Chinese ihn.