Yunnan liegt im Südwesten Chinas, ist so groß wie Deutschland und die Niederlande zusammen und kann wegen seiner kulturellen und biologischen Vielfalt als eine der ungewöhnlichsten Provinzen Chinas bezeichnet werden. Im Norden grenzt es an Tibet und Sichuan, im Süden bildet es Chinas Außengrenze zu Laos, Myanmar und Vietnam. Entsprechend unterschiedlich sind die Klimazonen vom Hochgebirge im Norden, in dem Tibeter leben, bis zu tropischem Dschungel im Süden mit Regenwald, in dem Elefanten zu Hause sind. Von den insgesamt 55 anerkannten ethnischen Minderheiten Chinas leben allein 36 in Yunnan, deren Bräuche und Traditionen nicht selten zum Weltkulturerbe zählen.
3,5 Stunden Flug von Shanghai nach Yunnan, die Provinz liegt auf halber Strecke bis zur Westgrenze Chinas in Zentralasien. Chinas Größe erstaunt immer wieder. Unter mir tauchen die ersten Ausläufer des Himalayas auf.
Die Reise ging in den Norden Yunnans, also in die Berge, zuerst nach Kunming, der Provinzhauptstadt, von dort weiter nach Dali, der Stadt der ethnischen Minderheit Bai und Zentrum des ehemaligen Königreichs Dali, danach ganz in den Norden nach Shangri-La, ins Gebiet der Tibeter und von dort wieder Richtung Süden nach Lijiiang, der Hauptstadt des ehemaligen Königreichs der Naxi. Alle Orte lagen während der gesamten Zeit über 2000 Meter, den Rekord stellte Shangri La mit 3200 Metern auf.
Kunming, Provinzhauptstadt Yunnans
In Kunming kam ich abends an. Mich erwartete das traditionelle Chinesische Neujahrsfest mit Böllern und Feuerwerk, das in China nicht nur um Mitternacht entzündet wird, sondern bereits den ganzen Abend zuvor. Der Höhepunkt ist zweifelsohne nachts um zwölf, setzt sich aber bis in den Morgen und auch in den folgenden Tagen fort. Es gibt überall Verkaufsstände, die massenweise Knallkörper und Feuerwerk anbieten. Vor einigen Jahren war das Knallen noch von der Regierung verboten worden, aber niemand hielt sich daran. Inzwischen hat man diese Einschränkungen wieder aufgehoben, denn die Chinesen lieben ihr Feuerwerk. Es ist so etwas wie ein nationales Kulturerbe. Das Schwarzpulver wurden vor circa 1000 Jahren in China erfunden.
Der erste Tag des neuen Jahres begann mit Sonnenschein und auch wenn in Europa der Neujahrstag schon einige Wochen zurück lag, stellte sich bei mir ein Gefühl echter Neujahrsstimmung ein, vor allem bei einem Spaziergang mit herrlichstem Sonnenschein an diesem ganz frischen Neujahrsmorgen im Smaragd-See-Garten (Green Lake Garden).
Kunming gilt als Stadt der Blumen und wegen ihres milden Klimas als Stadt des ewigen Frühlings.
Weil Kunming nur der Ausgangspunkt meiner Reise war, wollte ich mich nicht lange aufhalten. Schon bald ging es weiter nach Shilin, den Steinwald, circa 120 Kilometer südlich von Kunming, eine Karstlandschaft, die mit ihren besonderen Gesteinsformationen zum UNESCO-Welterbe zählt. Die seltsamen Felsen kann man auf Spaziergängen durch Schluchten und beim Erklimmen von Gipfeln durchwandern. Beeindruckender fand ich jedoch, dass an diesem Neujahrstag viele Besucher in traditionellen Trachten kamen.
Vor dem Eingangsgebäude des Naturparks sitzt eine Reisegruppe von Uiguren.
Noch am gleichen Abend ging es von Kunming im Zug weiter nach Dali.
Fahrt aus Kunming mit dem Zug, diesen Anblick könnte man auch in einer deutschen Großstadt haben, z.B. Frankfurt.
Dali
Dali war im 8. und 10. Jahrhundert die Hauptstadt zweier großer Königreiche, während der Tang-Dynastie von 738 - 902 n. Chr. war es das Zentrum des Königreichs Nanzhao, in der darauffolgenden Song-Dynastie um 938 wurde daraus das Königreich Dali, das 500 Jahre währte, bis es von den Mongolen unter Kublai Khan, einem Enkel des legendären Dschingis Khan erobert wurde. Während der Eroberung wurden die Altstadt und der Palast zerstört und das politische Gewicht verlagerte sich von Dali nach Kunming. Die heutige Altstadt Dalis wurde Anfang des 14. Jahrhunderts während der Ming-Dynastie wieder aufgebaut.
Die Stadt liegt zwischen dem Fuß des Cangshan-Gebirges und dem Ufer des Erhai-Sees auf 2000 Metern Höhe. Die Berge des Cangshan-Gebirges haben immerhin beachtliche 4000 Meter. Von unten aus der Stadt Dali wirken die Berge nicht sehr hoch, da man selbst schon auf 2000 Metern ist und die Berge bis weit nach oben bewaldet sind.
Eine Straße in Dalis Altstadt. Im Hintergrund sind die die Berge des Cangshan-Gebirges zu sehen. Sie erheben sich unmittelbar am Westrand der Altstadt und sind 4000 Meter hoch.
Der Erhai-See an dessen Ufer Dalis Altstadt liegt.
Das historische Zentrum Dalis sieht aus, wie man sich eine alte Stadt Chinas klischeemäßig vorstellt, keine Hochglanzskyline, stattdessen zweigeschossige Häuser und prachtvolle Stadttore, größtenteils aus Holz errichtet und mit aufwendigen Schnitzereien versehen.
Das Südtor Dalis - Dali hat vier große Stadttore, die Stadt ist rechteckig angelegt, zwei Hauptstraßen, die sich orthogonal in der Mitte kreuzen und jeweils an einem der vier Tore enden.
Das Nordtor, davor Händler, die Feuerwerke verkaufen.
Als ich abends ankam, war auch diese Stadt in Neujahrsstimmung getaucht, ohrenbetäubender Lärm von Chinakracher-Kaskaden füllte die Luft, immer wieder gingen irgendwo festliche Feuerwerke in den Himmel, viele Menschen ließen sich durch die Abendstimmung treiben, die Luft war vom Rauch und Dampf der Garküchen und Grills, vom Schwarzpulver und dem Duft von frisch Gegrilltem getränkt und die bunten Lichter der Restaurants, beleuchteten Gebäude und Garküchen versanken in der Unschärfe der rauchigen Luft.
Das Westtor, auch hier Feuerwerksverkäufer.
Xi-Zhou, ein Stadtteil Dalis
Größere Städte wie Dali entstanden durch Eingemeindungen von kleineren Städten, die oft alte Stadtzentren haben. Daher gibt es nicht nur eine Altstadt in Dali, sondern gleich mehrere. Diese kleineren eingemeindeten Städte wirken aber oft autark, da sie mitunter einige Kilometer entfernt von der Zentralstadt liegen.
Xi-Zhou ist eine dieser alten, kleinen Städte, die heute zu Dali gehören.
Als typisches Street-Food sollte man unbedingt Xi-Zhou-Ba-Ba probieren, die beste Spezialität Dalis. Teigstücke werden mit ordentlich Schmalz bestrichen, Speck und Frühlingszwiebeln darüber gestreut und anschließend alles gebacken. Das Ganze ist ziemlich fettig, hat Kalorien für einen Winter, aber es schmeckt.
Za Ran - Batiktechnik der Bai
In Dali und seiner Umgebung ist die ethnische Minderheit der Bai beheimatet. Die Frauen tragen ihre Trachten nicht nur an Feiertagen, sondern täglich, verrichten darin ihre Arbeit, waschen darin Gemüse auf dem Markt, schuppen Fische auf der Straße oder stellen Batiktücher her
Hauptsächlich tragen ältere Frauen Trachten. Die Volksgruppe der Bai zählt etwa 1,9 Millionen Menschen, die hauptsächlich in Yunnan leben, aber auch in Guizhou und Hunan. Ihre Bai-Sprache gehört zur chinesisch-tibetischen Sprachgruppe.
Die Geschichte der Batikproduktion reicht in China bis ins 6. Jahrhundert zurück. In dieser Familienwerkstatt, die ich besuchte, wird die Knotentechnik angewandt, bei der Ornamente durch Fäden in das Tuch genäht werden, die bei der Färbung hell bleiben, so dass diese Muster entstehen.
Viele Knoten lassen komplexe Muster entstehen.
Wie ein Knäuel aus Knoten und Tuch wirkt diese Arbeit, die zum Färben bereit ist.
Nach dem Färbebad werden die Fäden wieder entfernt und das Tuch entfaltet.
Bai-Frauen auf dem Markt
Fahrt nach Shangri-La mit Zwischenstopp an der Tigersprungschlucht
Von Dali ging meine Fahrt weiter in die Berge nach Shangri-La. Für die Fahrt dahin kann man zwischen zwei Routen wählen, entweder die ältere, die sich durch das Gebirge langsam immer höher windet oder den nagelneuen Xili Expressway, eine hypermoderne Autobahn, die Lijiang und Shangri-La mit deutlich kürzerer Fahrzeit verbindet, weil sie fast gradlinig nur über Brücken und durch Tunnel verläuft.
Für die Hinfahrt wählte ich die längere Route, die fantastische Aussichten bietet.
Zunächst ging es von Dali nordwärts auf der G214. Die Straße führt irgendwann direkt am Jangtsekiang entlang, der hier die Grenze zwischen der Region der Bai, dem Verwaltungsbezirk Dali, und der Region der Tibeter, dem Verwaltungsbezirk Shangri-La, bildet. In Yunnan macht der Strom seine erste große Windung und fließt danach ein Stück nach Norden. Als ich in das Tal des Jangtses kam, war erst mal eine Pause fällig, um den größten Fluss Asiens und Chinas zu sehen, der hier noch ganz klein ist, aber in seinem Verlauf mit 6380 Kilometern Länge zum drittgrößten Fluss der Erde wird. Bisher kenne ich den Strom nur von seiner Mündung in Schanghai, wo er so breit ist wie der Bodensee.
Der Jangtsekiang im Oberlauf, auf der anderen Seite liegt der Verwaltungsbezirk Shangri La, das Land der Tibeter.
An der Songyuan Brücke führt die Straße G214 über den Fluss. Auf der Shangri-La-Seite begrüßen mich eine tibetiche Pagode und einige Yak-Skulpturen. Ich bin im Land der Tibeter.
Bald darauf komme ich in das Dorf Changsheng, in dessen Nähe die Tigersprungschlucht liegt, eine Gegbirgsenge, durch die sich der Jangtsekiang zwängt. Der Weg dahin führt unter der 2020 eröffneten Jinshajiang-Brücke-Hutiaoxia hindurch. Darüber führt der schnelle Xili Expressway, die gradlinige Verbindung von Shangri La nach Lijiang, die ich später auf meiner Rückfahrt nutzen werde. Die Brücke führt in einer Höhe von 260 Metern über den Fluss und gehört damit zu den höchsten Brücken der Welt.
Die Jinshajiang-Brücke-Hutiaoxia mit roten Seilen, 700 Meter dahinter überquert eine Eisenbahnbrücke den Fluss. Im Hintergrund die beeeindruckenden Jade-Drachen-Schneeberge, die oberhalb der Tigersprungschlucht liegen.
Der Jangtsekiang in der Tigersprungschlucht
Am Oberlauf zwängt sich sich der Jangtsekiang als wilder Gebirgsfluss auf 15 Kilometer Länge durch die Tigersprungschlucht. Der Höhenunterschied vom Gipfel der Jade-Drachen-Schneeberge bis zum Wasser beträgt 3900 Meter, womit diese Schlucht die tiefste der Welt ist.
Den Namen "Tigersprungschlucht" erhielt sie von einem Felsen, der mitten im Fluss liegt. Es soll dort früher Tiger gegeben haben, die den Fluss an dieser Stelle mit zwei beherzten Sprüngen über den Felsen überqueren konnten.
Ist es Legende oder Wahrheit? Manche Quellen behaupten, es sei eine Legende, aber es soll noch alte Menschen geben, die unabhängig voneinander berichten, wie sie einen Tiger beim Sprung über den Fluss beobachtet haben. In Südchina gab es noch bis in die 1940er Jahre eine Tigerpopulation mit ca. 4000 Tieren. In den 50er und 60er Jahren wurden sie als Schädlinge zum Abschuss frei gegeben. Die Populuation reduzierte sich auf 1000 Tiere und konnte sich nicht mehr erholen. Umfangreiche Untersuchungen um die Jahrtausendwende haben keine direkten Beweise für die Existenz des Tigers in dieser Region ergeben. In China leben noch Tiger, aber nicht mehr hier.
Die drei Parallelflüsse Chinas
Nicht nur der Jangtse fließt durch Yunnan, sondern gleich zwei weitere große Ströme, der Mekong, mit 4909 Kilometern auch einer der längsten Flüsse der Erde, der ins Südchinesische Meer mündet und der Saluen, der nach 2980 Metern den Indischen Ozean erreicht.
Alle drei Flüsse zählen zu den größten Flüssen Asiens, fließen fast parallel, von bis zu 6000 Meter hohen Bergketten getrennt, durch den Drei-Parallelflüsse-Nationalpark.
Die drei Flüsse und ihre Umgebung zählen zum UNESCO-Welterbe unter anderem wegen ihrer ausgeprägten Biodiversität, der evolutionsgeschichtlichen und ökologischen Bedeutung und der landschaftlichen Schönheit. Auf kurzer Strecke gibt es etliche Klimazonen, bedingt durch die Höhe der Berge.
Die Jade-Drachen-Schneeberge von Lijiang aus gesehen. Hinter ihnen liegt die Tigersprungschlucht mit dem Jangste. Diese Berge, auf Chinesisch 玉龙雪山 (Pinyin: Yùlóng Xuěshān), kennt jeder Chinese, sie gelten als besonders schön.
Die Jade-Drachen-Schneeberge in der Morgensonne
Für meine Weiterfahrt nach Shangri-La fuhr ich zurück zum Dorf Changsheng, zur G214. Von dort führte mich die Straße in die Berge in den östlichen Teil des Himalayas und mit jedem Kilometer windet sie sich höher. Eine Markierung am Straßenrand zeigte irgendwann an, dass ich die Höhe von 3000 Metern überschritten hatte. Die Aussichten waren atemberaubend. In der Ferne begleitete mich immer wieder der majestätische Anblick der Jade-Drachen-Schneeberge und bei manchem Bergdorf, das ich passierte oder das an einem der gegenüberliegenden Hänge klebte, fragte ich mich, wie die Menschen dort leben, wie sie dort das Neujahrsfest feiern. Gibt es auch hier die ausgiebigen Familien-Festessen oder Feuerwerke auf den Dorfstraßen oder geht man einfach schlafen und wacht am nächsten Morgen im neuen Jahr auf? Die Umgangssprache der Dorfbewohner ist Tibetisch, Gebetsfahnen flattern in den Winden, Pagoden mit davor knienden, betenden Menschen prägten meine Eindrücke, Tibet ist ein sehr spirituelles Land. Das unterbewusste Gefühl der gewaltigen Größe und Höhe des Himalayas, der sich von hier 2500 Kilometer bis nach Afghanistan und Tadschikistan zieht, ist immer unterbewusst vorhanden.
Wie leben die Menschen hier oben in den kleinen Dörfern in den Bergen? Wie sieht ihr Alltag aus?
Shangri-La
Shangri-La liegt auf 3200 Meter Höhe. Bei meiner Ankunft war das Wetter grandios und sollte es auch in den kommenden Tagen bleiben. Die Nächte können dort oben empfindlich kalt werden. In den Betten gibt es beheizbare Matratzen. Ich suchte mir bei der Ankunft im Hotel ein warmes Plätzchen am Ofen, dennoch war die Tür sperrangelweit geöffnet. Das ist nichts Ungewöhnliches in China, denn Chinesen haben einen Frischluft-Fetisch, egal wie viel Energie es kostet. In der Nacht sanken die Temperaturen auf minus 7 Grad. Manchmal wachte ich auf, rang nach Luft, so als hätte ich im Schlaf vergessen zu atmen. Die Höhe und der Sauerstoffmangel machten sich bemerkbar. Auch das Treppensteigen strengte an und gab einen Vorgeschmack auf das Alter.
Shangri-La hieß früher Zhongdian County Town. 2001 wurde es umbenannt und bekam seinen heutigen tibetischen Namen, der so viel wie "Sonne und Mond im Herzen" bedeutet. Man hat den Ort umbenannt, um ihn für den Tourismus besser vermarkten zu können. Der fiktive Name stammt aus dem 1933 geschriebenen Roman "Lost Horizon" des britischen Autors James Hilton. Der Ort im Roman gilt als Rückzugsmöglichkeit aus dem Weltgeschehen und als das irdische Paradies auf Erden. Da der Roman ein Bestseller wurde und es auch noch eine erfolgreiche Verfilmung davon gab, entstand ein Shangri-La-Hype, der dazu führte, dass der Name heute in vielen Sprachen ein gewisses Eigenleben führt.
Der Ort ist über 1300 Jahre alt und war eine wichtige Station der alten Tee-Pferde-Straße über die Ziegeltee nach Tibet gebracht wurde. Er ist aber auch eine wichtige Verbindung zwischen chinesischer und tibetischer Sprache, Kultur, Menschen und Religion.
Mitten im Ort erhebt sich der sogenannte Schildkrötenhügel, auf dem ein Kloster thront. Eine Treppe führt hinauf und wieder spürte ich die dünne Luft, die mich manchmal zu einer kurzen Atempause zwang. Die Abendstimmung mit dem dämmerigen Himmel und der dünnen Mondsichel tauchten den Klosterberg in mystisches Licht.
Die Tempelanlage in Shangri-Las Altstadt beherbergt die größte Gebetsmühle der Welt. Sie ist über 21 Meter hoch und wiegt über 60 Tonnen. Ununterbrochen wird sie von Gläubigen bewegt, die im Uhrzeigersinn, um sie herumlaufen und sie dabei in Bewegung halten, so dass sie sich immerfort in gemächlicher Bewegung dreht. Dreimal um die Säule herumzulaufen und sie dabei zum Drehen zu bringen, führt zu gutem Karma.
1674 wurde es auf Geheiß des fünften Dalai Lama das Kloster Ganden Sumtseling erbaut und seinem Regierungssitz, dem Potala- Palast in Lhasa, nachempfunden. Es liegt auf 3400 Metern Höhe, 1959 wurde es während der Kulturrevolution zerstört und in den 80er Jahren wiederaufgebaut. Heute ist Ganden Sumtseling das spirituelle Zentrum von 700 tibetischen Mönchen und Lamas. Es ist die größte tibetisch-buddhistische Anlage Yunnans und zugleich eines der wichtigsten Klöster des tibetischen Buddhismus.
Beim Besuch kündigte sich schon aus der Ferne die spirituelle Aura durch vereinzelte, tiefe, dumpfe Trommelschläge an, die von weitem herüber klangen.
Das Eingangstor zum Kloster befindet sich am Fuße des Foping-Hügels. Nach 146 Stufen erreicht man den Vorplatz vor den beiden Haupthallen, die Zhacang Halle und die Jikang Halle, die das Zentrum bilden. Die beiden Haupthallen sind umgeben von acht Khamstsen, den Studier- und Wohnbereichen der Mönche.
Zugang zur Haupthalle des Ganden Sumtseling-Klosters
In den Hallen darf nicht fotografiert werden, schade, denn die Eindrücke sind überwältigend. Die Haupthalle wird von 108 imposanten Säulen getragen, die wie ein Wald den Raum ausfüllen und durch ihre Höhe im oberen Teil des Gebäudes wie in einem Himmel verschwinden. Die Höhe, in der sich die Säulen im Dunkeln verlieren, erinnerte mich ein bisschen an einen Schnürboden in einem Theater. Die Wände der Halle sind mit Fresken bemalt, die buddhistische Geschichten und Legenden zeigen. Auf dem Boden zwischen den Säulen liegen Kissen, Plätze für mehr als 1600 Mönche, die hier singen und meditieren können. Die Hallen werden mit Weihrauch- und Yakbutteröl-Lampen beleuchtet, die Altäre sind dauerhaft mit Yakbutter-Blumenskulpturen geschmückt und die Kreuzgänge sind mit Skulpturen und Fresken geschmückt. Vereinzelt sitzen Mönche auf den Kissen, verdeckt durch den Wald aus Säulen, die man erst bemerkt, wenn man sich am Rand der Halle entlang bewegt und immer neue Einblicke in den Saal bekommt. Ein stehender, an eine Säule gelehnter Mönch hat unter dem Arm seine typische, gelbe Kopfbedeckung, die die Mönche der tibetischen Gelug-Schule tragen.
Ein traditionelles, tibetisches Frühstück. Hauptbestandteil ist die Yak-Milch, aus der auch Quark und Butter hergestellt werden. Man trinkt Buttertee, ein Tee, dem Yakbutter und Salz zugefügt werden. Der Tee wird weiterverwendet, um ihn mit Tsampa, einem Mehl aus gerösteten Gerstenkörnern zu einem Brei zu verkneten, der zu Kugeln geformt wird, die man zum Buttertee isst. Tampa ist auf dem Foto oben links zu sehen, Quark und Butter in den beiden mittleren Schälchen. Die Butter schwimmt in Fett. Yakmilchprodukte haben einen ungewöhnlichen Geschmack und sind sehr nahrhaft. Ohne Yaks wäre das Leben in den Höhen des Himalayas schwer oder sogar unmöglich. Sie sind ein wesentlicher Nährstoffgeber. Gemüse gibt es in diesen Höhen nicht. Ein Umstand, der übrigens dazu führt, dass tibetisch-buddhistische Mönchen nicht vegetarisch leben.
Ein Yak
Tibetische Häuser haben eine ungewöhnliche Architektur. Die Wände laufen leicht schräg nach oben zu, ebensolches gilt für die Fensterlaibungen. Die flachen Satteldächer kragen über die Hauswände hervor und wirken dadurch wie Dächer in den Alpenregionen. Eine Hausseite ist loggenartig geöffnet und wird in der Regel von zwei großen Baumstämmen, also Säulen getragen.
Ungewöhnlich und weniger ästhetisch sind die Wintergärten, die vor die Häuser gebaut werden. Aber sie halten scharfe Winde und Kälte ab.
Von Shangri-La geht die Reise wieder zurück Richtung Süden. Diesmal über den Express-Highway, der mich auch über die Brücke über der Tigersprungschlucht bringen wird. Ich bin beeindruckt von der Straße. Sie besteht fast ausschließlich aus Tunneln und Brücken. Eine beeindruckende Ingenieurleistung.
Naxi - eine weitere ethnische Minderheit Chinas
Schließlich kam ich nach Baisha, wo die Naxi, eine weitere ethnische Minderheit Chinas, leben.
Erforscht wurde die Naxi-Kultur von dem österreichisch-amerikanischen Botaniker Joseph Francis Rock, der eigentlich die Fauna in Yunnan erforschen wollte, aber ein Universalgelehrter, Geograph, Sprachwissenschaftler und Völkerkundler war. Er schrieb das zweibändige Werk The Ancient Nakhi Kingdom of Southwest China. Rock lebte und forschte fast 30 Jahre in Yunnan, Sichuan, Gansu, im östlichen Tibet und auf Hawaii und gilt als einer der renommiertesten Forscher der chinesischen und hawaiianischen Flora. Er lebte in einem Dorf bei Lijiang in einem Haus, das heute ein Museum über ihn beherbergt. Seine Erlebnisse, die er im National Geographic Magazine veröffentlichte, inspirierten den Schriftsteller James Hilton zu seinem Roman Der verlorene Horizont, in dessen Mittelpunkt Shangri-La steht, eben jener fiktive, mythische Ort in Tibet, nach dem das heutige Shagri-La umbenannt wurde.
Die Naxi haben eine starke Beziehung zur Natur und respektieren sie entsprechend, besonders ihre Wälder. In ihrer gesamten Geschichte war das Fällen von Bäumen verboten, was mich eher verblüfft, denn die Schnitzkunst wird von den Naxi perfekt beherrscht und ihre Häuser sind ebenfalls aus Holz bebaut. Wer gegen diese Grundsätze verstieß, musste in die Natur gehen und dort um Vergebung bitten.
Die Naxi-Gesellschaft ist ein Matriarchat, Frauen sind die Oberhäupter der Familie, Erbschaften gehen an die Töchter, nicht an die Söhne. Monogame Ehen gibt es bei den Naxi nicht, entsprechend gibt es auch keine Heiratsrituale und jeder Naxi, egal ob Mann oder Frau, kann mehrere Partner haben.
Die Naxi-Religion ist stark von Tibet beeinflusst, weshalb die meisten Naxi dem tibetischen Buddhismus anhängen. Ihre Lebensweise verschwindet allerdings allmählich in einer immer globalisierteren Welt, genauso wie ihre Schrift Dongba, die einzige noch im Gebrauch befindliche Hieroglyphen-Schrift auf der Erde, die mit dieser Besonderheit zum Weltkulturerbe zählt.
Die Tee-Pferde-Straße und Seidenstickerei in Baisha
Die alte Stadt Bashi am Fuße der Jade-Drachen-Schneeberge ist eine wichtige Stadt für Seidenstickerei und zugleich ein wichtiges Zentrum auf der alten Tee-Pferde-Straße, die auch als Südliche Seidenstraße bezeichnet wird. Diese Südliche Seidenstraße diente hauptsächlich dem Handel mit zwei Gütern: Ziegeltee und Pferde. Der Tee wurde von Yunnan nach Tibet gebracht und von Tibet kamen als Bezahlung Pferde nach Yunnan. Die Tee-Pferde-Straße umfasst nicht nur eine einzelne Straße, sondern ein ganzes Netz von Handelswegen. Der Weg nach Tibet war beschwerlich, ging bis über 4000 Meter Höhe und die Entfernung Dali - Lhasa betrug 2000 Kilometer. Von dort ging ein Teil des Tees weiter bis Kalkutta, was noch zusätzliche 1000 Kilometer Wegstrecke waren.
Bis 1830 gab es in Indien keinen Tee. Der wurde dort erst von den Briten eingeführt, um die Abhängigkeit von China zu umgehen. Der größte Teil des Tees, der auf der alten Tee-Pferde-Straße transportiert wurde, blieb jedoch in Tibet. Der Handel auf der Südlichen Seidenstraße wurde im 7./8. Jahrhhundert begonnen. Als Transporttiere wurden Maultiere eingesetzt oder Träger, die bis zu 300 Pfund Tee auf dem Rücken transportierten. Natürlich legten weder Maultiere noch Träger die gesamte Strecke zurück, sondern immer nur Teile davon. Dann wurde die Ware umgeladen auf andere Tiere und Träger für die nächste Etappe.
Ziegeltee - eine südwestchinesische Spezialität
Ziegeltee ist gepresster Tee, der auf diese Weise platzsparend transportiert werden konnte. Man nennt ihn wegen der Transportwege auf dem Land auch Karawanentee. Hauptsächlich wurde er in Russland getrunken, woher er auch den bei uns geläufigen Namen Russischer Tee bekam. Er ist dunkel, rotbraun und hat einen würzigen, erdigen Geschmack. Man sagt, dass sich während des Karawanentransports durch das Aufbewahren neben dem Lagerfeuer ein Raucharoma auf die Teeblätter übertragen habe, das ein Charakteristikum des Karawanentees ist. Außerdem soll die Wärme auf dem Rücken der Maultiere während des Transports zur aromatischen Reifung beigetragen haben. Dass der Rauchgeschmack durch die Lagerfeuer in den Tee zog, gehört wohl in den Bereich der romantischen Märchen, die beim Tee trinken gelegentlich erzählt werden. Heutzutage steht kein Tee mehr neben Lagerfeuern von Karawanen, aber noch immer ist der leicht rauchige Geschmack ein Charakterstikum, das mittlerweile durch Räuchern erreicht wird.
Die Seidenstickerei ist ein weiteres Kulturerbe der Naxi und gilt als eine der besten und einflussreichsten in ganz China. Seit 1200 Jahren wird diese Kultur gepflegt. Man stickt Bilder aus Seide mit Landschaftsmotiven aus der Umgebung von Lijiang oder Applikationen mit Ornamenten für die Kleidung. In Baisha gibt es ein staatliches, renommiertes Institut, in dem Schüler die Seidenstickkunst erlernen können.
Die Altstadt Baishas liegt am Fuße der Jade-Drachen-Schnee-Berge, die man auf den Fotos unten im Hintergrund erkennt. Dieses Bergmassiv kannte ich schon von der Tigersprungschlucht. Die Schlucht liegt jetzt, von Baisha und Lijiang gesehen, hinter den Bergen.
In den Gassen von Lijiang, im Hintergrund leuchten wieder die Jade-Drachen-Schneeberge im Abendrot.
Lijiang
Von Baisha ging es weiter ins ca. 15 Kilometer entfernte Lijiang, eine Stadt mit der riesigen, labyrithartigen Altstadt, Dayan, in der man sich beim Wandeln durch die malerischen Gassen entlang der Kanäle und Wasserläufe schnell verlaufen kann. Es ist eine der best erhaltenen Altstädte ganz Chinas. Sie zählt seit 1997 zum Weltkulturerbe.
Der Black-Dragon-Pool
Lijiang war die Residenzstadt der Mu-Herrscher. Vor den Toren der Stadt legten sie 1737 die Umgebung um den Black Dragon Pool an. Die bekannteste Ansicht davon ist die fünfbogige Marmorbrücke, die zum "Pavillon, der den Mond umarmt", führt. Der Garten um den Black Dragon Pool war ein Erholungsort für die Naxi-Fürsten, sozusagen ihre Residenz für die Sommerfrische. Im Hintergrund sind wieder die schneebedeckten Jade-Drachen-Schnee-Berge zu sehen.
Eine alte Legende gab dem Black Dragon Pool seinen Namen: Vor langer Zeit gab es zehn böse Drachen, die viel Zerstörung anrichteten und den Menschen großen Schaden zufügten. Eines Tages unterwarf einer der acht Unsterblichen der chinesischen Legende Lu Dungbin neun der Drachen und sperrte sie in einen Turm. Nur der jüngste schwarze Drachen war übrig, der als Preis für seine Freiheit anbot, den Menschen zu nützen und ihnen Schutz zu geben. Man sagt, er lebe seitdem in diesem Gewässer.
Angelegt wurde dieser schöne Garten von Tusi Mu, einem der Stammeshäuptlinge oder Fürsten der Naxi. Das Herrschersystem der Tusi war von den Mongolen eingeführt worden, die 1253 das Königreich Dali erobert hatten und als Yuan-Dynastie das Reich der Mitte bis zur Ming-Dynastie regierten. In diesem Tusi-System wurden Stammeshäuptlinge ehemaliger Fürstenreiche bzw. Stammeshäuptlinge von den Yuan-Herrschern in Peking als Beamte eingesetzt, lebten aber weiterhin wie Fürsten und konnten ihren Titel vererben. Das System diente einerseits der Eingliederung der eroberten Gebiete ins Reich, andererseits konnten die nationalen Minderheiten auf diese Weise ihre Gewohnheiten und ihre Lebensart beibehalten. Das Tusi-System wurde erstmalig in der Provinz Yunnan eingeführt und später in zahlreichen, vor allem westchinesischen Provinzen übernommen. Es wurde während aller folgenden Kaiserdynastien beibehalten, also auch den auf die Yuan folgenden Ming und Qing-Dynastien. Es existierte sogar über das 1912 beendete Kaiserreich hinaus und wurde erst in der Volksrepublik aufgelöst. Während der Kulturrevolution litten viele Kulturen und Religionen, mittlerweile sind alle Minderheiten geschützt und in der Volksrepublik herrscht Glaubensfreiheit.
Dongba - die älteste, noch verwendete Piktogrammschrift der Menschheit
In einem Zentrum am See wird die Dongba-Schrift gelehrt und bewahrt. Auch das spezielle Papier für die Bilderschrift wird hier hergestellt. Der Grundstoff für das Papier sind die Blätter einer Pflanze, dir nur in über 2000 Meter hohen Schuchten des Goldsandflusses im Schneegebirge wächst.
Bis heute noch existiert diese aus Piktogrammen bestehende Schrift, die älteste noch existierende Bildsprache der Welt, die von Schamanen gelehrt wird und Hieroglyphen ähnelt. Dass die Schrift auch während der Kulturrevolution erhalten blieb, ist den Schamanen zu verdanken, die auch in den Zeiten der Unterdrückung des Volkes während der Kulturrevolution die Schrift weiterhin gelehrt hatten. Sie zählt zum immateriellen Weltkulturerbe.
Die Dongba Schriften umfassen mehr als 20.000 Bücher. Sie gelten als Enzyklopädie der Geschichte der Naxi.
Der Mu-Palast im Altstadtgewirr Lijiangs
Es gibt auch innerhalb der Stadt Lijiang, mitten im Gassengewirr einen Palast, eine der größten Residenzanlagen ganz Chinas, den Mu-Palast. Begonnen wurde er während der Ming-Dynastie und während seiner Blütezeit umfasste das Palastgelände über 100 Gebäude. Es gibt die Redewendung „Im Norden ist die Verbotene Stadt, im Süden die Residenz der Mu“. Man nennt sie auch die Verbotene Stadt im Miniaturformat, zumal sich die Mu-Herrscher an dem Vorbild in Peking orientiert hatten.
Hinter dem Palastgelände erhebt sich ein Berg, an dessen Hang sich ein Garten in die Höhe zieht. Es lohnt sich unbedingt, dort hinauf zu gehen, da man von oben eine großartige Aussicht auf die Altstadt hat. Diesen Gartenhang erreicht man ausschließlich bei einer Besichtigung der Palastanlagen.
Der Blick auf die Anlage des Mu-Palastes vom Gartenhang aus
Mit Lijiang endete meine Fahrt in die Provinz Yunnan.
Die Fahrt zurück nach Schanghai war wie die Rückkehr in eine völlig andere Welt. Gerade noch war ich im uralten China, in exotischen Kulturen von Minderheiten, in landschaftlicher Schönheit und plötzlich wieder umgeben von Taxis, Werbetafeln, Sinneseindrücke wie Lautsprecherdurchsagen, Martinshörner, riesige Werbetafeln, Verkehr, Rolltreppen. Größer könnte der Unterschied nicht sein. China ist vielfältig.