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- Coffee Shop Walking Tour in Schanghai
Schanghai hat 7000 Cafés, wobei internationale Ketten nicht mitgezählt sind. Allein Starbucks eröffnete bisher 900 Filialen in der Stadt und hat damit hier die größte Dichte seiner Kaffeeläden weltweit. Mit China assoziiert man Tee, aber die Schanghaier haben den Kaffee entdeckt und sind begeistert. Es macht Spaß, die kleinen Cafés zu entdecken und aus dem Staunen nicht herauszukommen. Von bohèmeartigen kleinen, ja winzigen, liebevoll gestalteten Oasen bis zu minimalistischen Räumen, die als Setting für hippe Selfies dienen, findet man unzählige Variationen zwischen French Concession und Bund, in denen nicht nur der Kaffeegenuss, sondern auch das Entdecken dieser kleinen Welten in den Gassen und Seitenstraßen ein ganz besonderes Erlebnis sind. Meine Tour begann am Fuxing Park. Die App "MapsMe" war dabei besonders hilfreich, denn auf der Karte sind Cafés deutlich markiert. Eigentlich hatte ich ein festes Ziel, aber durch die App wurde ich zu interessanten Umwegen und Abstechern angeregt. Alle Cafés auf den folgenden Fotos habe ich in nur einem Carrée gefunden, in den Straßen Xiangshan Rd., Nachang Rd. und Sinan Rd. Café Chez W, Xiangshan Rd. Schanghai hat eine lange Kaffeegeschichte. Die ersten Schiffsladungen mit Kaffeebohnen kamen vor 170 Jahren in die Stadt. Laut Sun Ying, einem in Schanghai ansässigen Literaturforscher, der die Coffee Map of Modern Shanghai and Coffee Literature veröffentlichte, wurden die Worte „fünf Packungen Jiafei-Bohnen, 70 Jin (35.000 g) pro Packung“ in einer auf den 18. Mai 1844 datierten Liste importierter Waren gefunden. Im Jahr 1851 eröffnete ein kantonesischer Geschäftsmann das erste Café in Schanghai, das Shenjang-Café, das 1883 in die Fuzhou Rd. umzog und in Xinghualou umbenannt wurde. Es existiert bis heute und ist inzwischen ein mehrstöckiges Restaurant geworden. Man merkt ihm die Nostalgie nicht an, aber immerhin ist dieses Geschäft Zeuge der gesamten Entwicklung des modernen Schanghais geworden. Cain Coffee, Nachgang Rd. Un Cono, Nachang Rd. Metal Hands, Nachang Rd. Antique Garden Shanghai, Sinan Rd. Antique Garden Shanghai, Sinan Rd.
- Abendspaziergänge durch Schanghai
Endlich wandele ich wieder durch die schönen Viertel Schanghais. Die Stadt wirkt so samtweich, dass man dahingleitet auf Farben, Lichtern und liebevoll verspielten Details. Es ist manchmal wie eine Traumwelt, wie ein französischer Film. Weihnachtszeit in Schanghai Echte Weihnachtsbäume werden angeliefert. Hier kommen sie nicht aus dem Sauerland, sondern aus Sibirien. Aber Chinesen haben keinen Weihnachtsbaum und feiern auch kein Weihnachten. Diese Bäume sind für Expads.
- Entlang der Seidenstraße
Flug nach Dunhuang in der Provinz Gansu Anflug auf Dunhuang, im Hintergrund die Dünen der Wüste Gobi Souvenirs am Flughafen von Dunhuang, jetzt geht's in die Welt der Kamele und der ehemaligen Karawanen. Die Wüste ruft, irgendwo in den Sanddünen liegen der Halbmond-See und die Mingsha-Dünen Der Halbmond-See in der Wüste Gobi, dieser See gilt als Naturwunder. Seit Jahrtausenden existiert er und die Sanddünen reichen direkt an ihn heran. Es ist bis heute ein Rätsel, warum er nie vom Sand verschüttet wurde oder austrocknete. Hier kreuzen sich Straßen und Kamelwege. Abends in Dunhuang auf dem Shazhou Nachtmarkt - eine grandiose Atmosphäre und ein kulinarisches Erlebnis. Die Küchen Westchinas in allen Varianten - es schmeckt teilweise schon türkisch. Kein Wunder, gehören doch die zentralasiatischen Völker Uiguren, Kirgisen, Tadschiken zu den Turkvölkern. Ein Zauber von 1001 Nacht liegt über allem. Lammspieße nach uigurischer Art Köstliche Leckerei, getrocknete Dattel mit Yakmilch umhüllt. Tibetische und zentralasiatische Kultur treffen aufeinander. 590 Kilometer oder sieben Stunden Fahrt durch die Wüste bringen mich von Dunhuang zur nächsten Sehenswürdigkeit Gansus, dem Zhangye National Geopark. Unterwegs an einer Raststätte, die hier in Westchina ganz anders anders aussehen als an der Ostküste. Die Flaggen wurden zum 1. Oktober, dem Nationalfeiertag gehisst. Kamelmilch zum Probieren. Sie schmeckt tatsächlich gut. Der Ofen wird mit Holz befeuert. Das Hotel am Zhangye National Geopark besteht aus Jurten. Nachts wird es kalt, aber die Jurte ist beheizbar mit einem Radiator. Energetisch ist das nicht, aber das stört hier in China noch niemanden, obwohl der Klimawandel hier von niemandem geleugnet wird und die Politik China bis 2050 CO2-frei haben will. Mein Ausblick, wenn ich aus der Jurte trete. Das Hotel liegt direkt am Rand des Nationalparks. Im Zelt gibt es nur eine Waschschüssel. Alles weitere findet in Gemeinschaftsduschen statt. Dort laufen alle nackt rum. Muskelprotze wie auf dem Hinweisschild, die wie die Nachfahren Dschingis Khans aussehen, habe ich allerdings nicht gesehen. Nachts werden die Berge in wechselnden Farben beleuchtet. Was hier kitschig wirkt, war tatsächlich wunderschön. Sonnenaufgang über den Regenbogenbergen Wunderbare Eindrücke - es ist zwar voll mit Touristen, aber trotzdem bekommt man solche Ansichten geboten. Weiter geht es mit dem Zug, der schon eine beträchtliche Strecke hinter sich hat, als ich in Dunhuang einsteige. Er kommt aus Wulumuqi im äußersten Westen Chinas und fährt nach Schanghai an der Ostküste, Gesamtstrecke ca. 4500 Kilometer. Diesmal kein Hochgeschwindigkeitszug, sondern eine langsame, aber preisgünstige Verbindung. Zugfahren soll für alle Bevölkerungschichten erschwinglich bleiben, deswegen wird die Bahn subventioniert, um solche bezahlbaren Reisemöglichkeiten anzubieten. Allerdings ist man für die lange Reise mehrere Tage unterwegs. Deshalb gibt es Schlafwagen. Gemütlich eingerichtet lässt sich die tagelange Fahrt gut aushalten. Lesen, Kartenspielen, die Landschaft angucken. Reisen mit dem Zug ist immer noch die Variante, bei der man das Reisen am unmittelbarsten erlebt. Meine Fahrt dauert allerdings nur zwei Stunden, in Zhangye stieg ich schon wieder aus. Der Blick auf die Ebene mit den dahinterliegenden, majestätischen Qilian-Bergen, die Süd- und Nordchina trennen, davor weidende Yaks. Ca. 60 Kilometer von Zhangye befinden sich die Matisi-Grotten. Tibetischer Buddhismus Matisi Tempel, sie kleben an der Felswand wie Schwalbennester. Mit etwas Abstand von den Tempeln ein Friedhof für Mönche, deren Grabmale in die Felswand gehauen wurden. Herrlicher Herbsttag - gelbgrünes Laub in der späten Herbstsonne, im Hintergrund die majestätischen Qilian Berge Tibetische Pagode Kloster Kumbum Champa Ling in Xining Junger tibetischer Vater Alle wollen ein Foto mit dem Lao Wei, dem Ausländer - hier mit den Kindern eines Tibeters, der unbedingt wollte, dass wir ein Gruppenfoto machen. ein tibetischer Mönch Jiayuguan, das westliche Ende der Chinesischen Mauer. Dieser Punkt war das Tor zum Reich der Mitte, wenn man vom Westen kam. Die Seidenstraße war keine einfache Strecke, sondern bestand aus einem Geflecht von Handelsrouten. Die Magao Grotten - Weltkulturerbe und ein unfassbarer kunstgeschichtlicher Schatz, der Aufschluss über die Entwicklung der buddhisitschen Malerei über Jahrtausende gibt. Neben den Magao Grotten eine weitere Nekropole für buddhistische Mönche. Am Qinghai See, einem großen Süßwassersee auf über 3000 Metern Höhe Chaka Yan See, ein Salzsee, aus dem das Salz für weite Teile Chinas gewonnen wurde. Am Wulam Pass - der Winter bricht schon ein, obwohl es erst Anfang Oktober ist. Reiten auf einem Yak Wulam Pass, 3817 Meter Höhe - über 1000 Meter höher als das Stilfserjoch, der mit 2757 Metern höchste Pass der Alpen.
- Reisterrassen - ohne geht's nicht in China
Fuzhi Mountain in Zhejiang Reisterrassen gehören zu China wie Tee, Seide oder Porzellan. In Schanghai gibt es sie natürlich nicht, hier fehlen die Berge. Also auf in die Nachbarprovinz Zhejiang, wo es gebirgig wird und wo man die Großstadt richtig vergessen kann. Nah ist es nicht, man fährt circa 2,5-3 Stunden, wird dann aber voll und ganz entschädigt. Im Frühjahr wächst auf den Terrassen noch Raps, später werden die Felder für den Reisanbau unter Wasser gesetzt, und noch später erscheinen sie in frischem Grün. An den Hängen am Rand der Reisterrassen liegen kleine malerische Dörfer, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Die Menschen leben dort auf die gleiche Weise wie seit Jahrzehnten, vielleicht seit Jahrhunderten und betreiben Landwirtschaft wie ihre Vorfahren. Es ist ruhig, friedlich, kein Zivilisationslärm stört die Stille, ab und zu laufen ein paar Hühner über den Weg oder eine gelangweilte Katze verschläft den ganzen Tag an einem schattigen Plätzchen.
- Rooftop-Bars in Schanghai - chillen mit atemberaubenden Aussichten
Wenn man in Schanghai die Ansicht der Skyline genießen möchte, ohne ständig auf der Promenade abzuhängen, gibt es etliche Rooftop-Bars, auf denen man den Tag mit grandiosen Ausblicken ausklingen lassen kann. Roosevelt Sky Restaurant Einige Bars befinden sich direkt am Bund. So zum Beispiel das Roosevelt Sky Restaurant auf der Dachterrasse des House of Roosevelt. Heute gehört das Gebäude der gleichnamigen amerikanischen Familie, früher war darin die Niederlassung der britischen Handelsfirma und Opiumverkäufer Jardine Matheson, also ein Haus mit zweifelhafter Vergangenheit. Nach den Briten kamen die Japaner, die darin ihre Navy Intelligence untergebracht hatten, ihnen folgte die Shanghai Foreign Trade Commission. Die Roosevelts haben mittlerweile daraus den größten Weinkeller Schanghais gemacht. Im dritten Stock befindet sich der superelitäre Roosevelt Club und das Restaurant oben ist hochpreisig und konservativ. Ein nostalgischer Fahrstuhl bringt Gäste auf die Dachterasse, von der man einen guten Blick über den Bund, Huangpu-Fluss und die Skyline von Pudong hat. So altehrwürdig das Gebäude daher kommt, so teuer isst und trinkt man auf seiner Dachterrasse. The Captain Nicht direkt am Bund, aber dafür preiswerter und gemütlich ist "The Captain", 37 Fuzhou Lu, in der Nähe der Sichuan Zhong Lu. Man findet die Restaurantbar, wenn man sich von der Promenade bzw. der East Zhong Shan Road nähert. Der Eingang ist unscheinbar. Zuerst geht es durch ein Café zum Fahrstuhl, dann in den 5. Stock, von dort noch eine Etage höher über die Treppe. Die Bar ist nicht wirklich hoch gelegen, aber die Aussichten und das Ambiente mit nautischer Dekoration überzeugen voll. Sommers wie winters ist die Dachterrasse geöffnet. Wenn es kalt ist, werden draußen die Heizpilze eingeschaltet, wer trotzdem im kurzen Schanghai-Winter friert, kann auch von innen die Aussicht genießen, sofern man einen Platz am Fenster bekommt. Edition Wer höher hinauf will, sollte das "Edition" in der 199 Nanjing Dong Lu (East Nanjing Road) besuchen. Es ist in der Nähe der Metrostation East Nanjing Road, Linie 2, Exit 2 oder Linie 10, Exit 7. Auch hier ist wieder ein bisschen Suchen angesagt. Die Bars sind halt ziemlich dem Gesichtsfeld entrückt. Der Fahrstuhl bringt die Gäste in den 29. Stock. Oben angekommen, verschlägt einem der Ausblick die Sprache. Aus dieser Höhe kann man sogar sehen, wie sich der Huangpu-Fluss um Lujiazui windet. Preiswert ist es nicht, aber dafür atemberaubend. Radisson Blu Ohne Dachterasse, aber unbedingt empfehlenswert ist das Radisson Blu, ein drehbares Restaurant, das von außen an ein Ufo auf einem Hochhaus erinnert. Es gehört zu den markanten Gebäuden von Schanghais Skyline. Der Eingang liegt an der Nanjing Road, direkt gegenüber vom People's Park, Metrostation People's Park, Ausgang 8. Das Restaurant befindet sich im 45. Stock. Von 14:30 - 17 Uhr kann man Kaffee und Kuchen bekommen, die Küche öffnet ab 18 Uhr. Eine Umdrehung dauert zwei Stunden und die Aussichten sind definitiv spektakulär. Schanghai sieht nachts fast noch besser aus als tagsüber. Billig ist der Spaß nicht, aber dafür schwebt man über der Stadt, die ganz allmählich an einem vorbeizieht: die East Nanjing Road, das International Plaza, die Hochhäuser an der West Nanjing Road, der People's Park, der ehemalige Race Horse Club, das Gebäude Tomorrow Square, der Oriental Pearl Tower usw. Namen, mit denen man nichts anfangen kann, hinter denen sich aber charakteristische und schöne Wolkenkratzer verbergen. Ein besonderes Abendprogramm. Was will man mehr.
- Filmpark Shanghai
Als Cineast lasse ich mir ungern Settings von Filmen entgehen, zumal ich chinesische Filme liebe. Also auf in den Shanghai Chedun Film Park. Am besten fährt man mit der Metro bis Shanghai South Railway Station und von dort mit der Jinshan Railway bis zum Bahnhof Chedun. Ab da geht es noch ein Stückchen weiter mit dem Taxi. Man kann natürlich auch von Shanghai Zentrum mit dem Taxi fahren, das wird allerdings um einiges teurer. Hier der Name des Parks für Taxifahrer: 上海影視樂園 und die Adresse: 车墩镇北松公路4915号 邮政编码: 201611 Der Park begeistert Film-Fans, man sollte eine Kamera dabei haben, das Handy tut's auch, denn ein Fotomotiv jagt das nächste und wer Spaß hat an inszenierter Fotografie findet hier massenweise Hintergründe, Gebäude, Inneneinrichtungen, Straßenszenen und vieles mehr. Verschiedene Settings sind dauerhaft aufgebaut, so zum Beispiel das alte Schanghai mit der Nanjing Road, aber auch ein Film-Set für Szenen und Filme, die in Europa spielen, Hafenanlagen mit historischer Schiffswands, eine alte Dampf-Eisenbahn mit Bahnhof, eine alte Straßenbahn und etliches mehr. Man kann viel Zeit dort verbringen und es ist nicht ausgeschlossen, dass man einen Filmdreh miterlebt. Das Café, in dem Gefahr und Begierde gedreht wurde, ist heute ein echtes Café, in dem man eine Pause einlegen kann, zwischendurch gibt es Paraden mit Oldtimern und kostümierten Komparsen. Unter anderem wurden hier "Gefahr und Begierde" mit Tony Cheung von Ang Lee gedreht, "John Rabe" mit Ulrich Tukur von Florian Gallenberger, "Im Reich der Sonne" von Steven Spielberg, "Der bunte Schleier" mit Naomi Watts und John Curran, "Shanghai Serenade" mit Gong Li, "Mission Impossible III", "The White Countess" von James Ivory, "Rote Laterne" von Zhang Yimou mit Gong Li, "Lebe wohl, meine Konkubine" von Regisseur Chen Kaige, "Der Fluch der goldenen Blume" von Regisseur Zhang Yimou, "Hero" auch von Regisseur Zhang Yimou und viele andere Filme, etliche davon, die nur auf dem chinesischen Markt bekannt sind. Etliche aber auch, die internationale Filmpreise wie Oscars und Goldene Palmen abgeräumt haben.
- Der Bund
Wenn man an Schanghai denkt, hat man meistens die Skyline von Pudong vor Augen. Nicht weniger interessant ist der West-Bund auf der gegenüberliegenden Flussseite mit seinen Bauten aus der Zeit der britischen Konzession. Die Franzosen besaßen auch ein Stück am Bund, aber sie haben nicht mit monumentalen Bauten geklotzt. Die Amerikaner hatten sich auch ein Stück Schanghai einverleibt, um auf Kosten Chinas reich zu werden, aber ihre Bereich wurde später mit dem britischen Sektor zur sogenannten "Internationalen Konzession" zusammengelegt. Auch auf amerikanischer Seite stehen einige imposante Gebäude, wovon das Broadway Mansions Hotel sicher das beeindruckendste ist. Die imposantesten Gebäude am britischen Abschnitt des Bunds können mit Whitehall in London konkurrieren. Stärker noch erinnern sie aber an Liverpool, das man auf dem Foto unten sieht. Pier Side in Liverpool - erinnert an Schanghai (©: CC BY-SA 3.0) Schanghais Bund-Architektur könnte auch Batman-Filmen entlehnt sein. Gotham-City, Monumentalarchitektur aus Backstein mit Art-Deko-Einflüssen, die etwas Molochhaftes ausstrahlt. Das fasziniert und begegnet einem überall im Viertel hinter dem Bund. Es ist alles voller Herrschaftsarchitektur, die mit ihren Kolossalordnungen und ihrer Wuchtigkeit etwas Absolutes ausstrahlt . Kolossalordnung vor dem Bank of Taiwan-Building (rechts) und dem Russo-Chinese-Bank-Building (links davon) Zur genaueren Orientierung hier noch einmal die Karten mit den Konzessionen. Rot: die französische Konzession, darüber in Ocker die britische, und nordöstlich von dem geschlängelten Fluss Suzhou, der von Westen kommt, die amerikanische. Der grüne Streifen am Flussufer ist der Uferabschnitt der britischen Konzession, also der Teil des Bunds, den heute die historische Skyline Schanghais prägt. Die Grenze zwischen der französischen und britischen Uferzone sieht man deutlich auf folgender historischer Abbildung. Es ist die Tordurchfahrt mit dem schlanken Turm daneben. Das Tor ist mittlerweile verschwunden, aber der sogenannte Gutzlaff-Signal-Tower gehört zur denkmalgeschützten Architektur. Er wurde 1865 errichtet und diente als Wetterstation. Heute ist darin im Sockelgeschoss ein kleines Bund-Museum untergebracht. Blick auf den Bund von der französischen Seite Die Straße ist noch erhalten, aber mittlerweile gibt es dort, wo auf der historischen Abbildung die Schiffe liegen, eine Uferpromenade, auf der allabendlich unzählige Besucher flanieren, um die gegenüberliegende Skyline in Pudong zu betrachten und zu fotografieren; natürlich auch, um sich die Bund-Architektur anzusehen. Der Gutzlaff-Signal-Tower Die Häuser am Bund sind monumental, aber wenn man sie von der Aussichtsetage eines der Gebäude von der gegenüberliegenden Pudong-Seite betrachtet, erscheinen sie lediglich stecknadelkopfgroß. Vielleicht spiegelt sich in dieser Architektur auf beiden Seiten des Flusses die Bedeutung Europas und Chinas von einst und jetzt wider. Peter Scholl-Latour beschrieb es ähnlich: Die Trutzburgen des ehemaligen europäischen Kapitalismus wirken wie winziges Spielzeug, wenn man sie aus der Höhe der monströsen Wolkenkratzer auf der Pudong-Seite betrachtet. Das grüne pyramidenartige Dach auf dem obigen Foto gehört zum Peace Hotel, einem der traditionsreichsten Häuser Schanghais. Die Geschichte zu diesem Luxushotels und Fotos vom Interieur dieses Gebäudes findest du im Post "Art-Deco in Shanghai". Auf der Straßenseite gegenüber von den alten Gebäuden gibt es einen Eingang zum Tunnel, der unter dem Huangpu-Fluss hindurchführt. Man kann nicht zu Fuß gehen, aber es gibt eine kleine Bahn, die einen durch den Tunnel fährt. Lichteffekte machen die Fahrt interessant für Kinder und es vor allem ist es bequem, um zum gegenüberliegenden Flussufer zu gelangen. Wem diese Fahrt für 50 Yuan, umgerechnet ca. sieben Euro, zu teuer ist, kann für nur 2 Yuan (30 Cent) mit einer Fähre übersetzen, deren Landungsbrücke am Gutzlaff Signal Tower zu finden ist. Man erreicht die Anlegestelle nicht von der Promenade, sondern muss ein paar Treppenstufen zur Straße hinuntergehen. Dort befindet sich die Kasse und gleich daneben der Zugang zur Fähre. Die Fähren erkennt man an ihrem gelben Streifen. Sie sind nicht für Touristen gemacht, daher gibt es wenige Plätze mit Aussicht an der frischen Luft, dafür aber einen Raum für die vielen Scooter, die auch von einer der einen Flussseite zur anderen wollen. Es ist ein Alltagstransportmittel wie die U-Bahn. Wenn man den Bund mit den historischen Gebäuden bis zum Ende geht, erreicht man die Waibaidu-Brücke, die man auf dem Foto unten sieht, dort endete der britische Abschnitt des Bunds. Die Brücke überspannt den Fluss Suzhou, der unmittelbar danach in den Huangpu-Fluss mündet. Auf der anderen Seite liegt der ehemalige amerikanische Teil Schanghais. Zur Zeit der japanischen Besatzung Schanghais, war diese Brücke die Grenze zwischen dem japanisch besetzten Teil der Stadt und dem nicht besetzten Teil der. Auf der Brücke gab es scharfe, demütigende Kontrollen durch die japanischen Streitkräfte. Jeder Chinese musste den Soldaten beim Passieren Respekt erweisen, sich verbeugen oder sogar bis zur Taille entkleiden, um Demütigungen und Bestrafungen durch die Japaner zu entgehen. Die Brücke hat einen festen Platz im kollektiven Bewusstsein der Schanghaier, sie ist eine der berühmtesten Brücken der Welt und in zahlreichen Filmen zu sehen, z.B. in Ang Lee's "Gefahr und Begierde".
- U-Bahn-Fahren in Schanghai
Die U-Bahn in Schanghai ist ultramodern, hocheffizient, sauber, mit viel Personal. Derzeit hat das Netz 18 Linien, umfasst ca. 800 Kilometer, die genaue Zahl der Stationen ist im Internet nicht herauszufinden, da die Informationen ständig veralten. Das Netz soll in den nächsten Jahren auf 1000 Kilometer ausgebaut werden. Es ist jetzt schon streckenmäßig das größte der Welt, obwohl es erst vor 30 Jahren begonnen wurde. Zum Vergleich der U-Bahn-Ausbau in Berlin: Die Ergänzung der U 5 vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz mit einer Strecke von zwei Kilometern und drei Bahnhöfen wurde 2010 begonnen und 2021 abgeschlossen. Elf Jahre Bauzeit für zwei Kilometer in Berlin. Wenn man einen U-Bahnhof betritt, muss man seine Taschen durch einen Röntgenscanner laufen lassen. Keine Angst, das geht schnell. Die Bahnsteige und Gleiskörper sind durch Glasscheiben voneinander getrennt, damit niemand auf die Gleise fällt, die Türen der Glastrennwände öffnen sich gleichzeitig mit den Türen der haltenden Züge. U-Bahnen haben in vielen Städten ein interessantes Erscheinungsbild, sie sind wie eine eigene kleine Welt, eine Bühne für Kreative, für Spinner und Normalos, ein Panoptikum der Menschen einer Stadt und nicht selten sind U-Bahnen Schauplätze in Filmen, vor allem französischen, weil sie einen cineastischen Wert haben. Nicht so in Schanghai. Die Schanghaier U-Bahn hat wenig Atmosphäre. Sie ist rein funktional und die Farben Weiß, Schwarz, Grau und Silber bestimmen das Bild ebenso wie die Materialien Granit, Edelstahl und Glas. Alle Stationen sehen irgendwie total gleich aus. Es gibt kein Saxophon, das durch die Gänge hallt, keine nostalgische Architektur mit facettierten Kacheln, keine gefliesten Jugendstilschilder wie in vielen alten europäischen U-Bahnen, keine jungen Leute, die mit Bier oder ClubMate in der Hand zum Feiern in die einschlägigen Bezirke fahren. Dafür gibt es in Schanghai aber auch keinen Siff oder Schmierereien, es ist absolut sauber. Wer aber U-Bahnen eben wegen ihrer ganz speziellen, inspirierenden Atmosphäre mag, wird in Schanghai nicht auf seine Kosten kommen. Nicht einmal den typischen U-Bahn-Geruch gibt es, von irgendwelchen Bremsklötzen oder Stromabnehmern, von dem manche sagen, dass es irgendwie nach Gummi und Elektrizität riecht. Wie benutzt man die Schanghais Metro? Man könnte befürchten, dass man in Schanghai in gigantischen, labyrinthartigen U-Bahn-Stationen mit chinesischen Schriftzeichen untergeht. Da ist was dran. Aber in der U-Bahn wird alles auch mit lateinischen Buchstaben ausgeschildert, die Durchsagen in den Zügen erfolgen auf Chinesisch und Englisch und überhaupt funktioniert die Metro wie überall auf der Welt - eigentlich. Nur "eigentlich", weil es trotzdem schwierig ist: Die Stationen ähneln unterirdischen Labyrinthen mit endlosen Gängen, teilweise muss man sehr weite Wege zurücklegen, um von einer U-Bahn zur nächsten zu kommen und die minutenlange Tippelei nervt. Endlose Gänge unter der Erde, typisch für die Schanghaier Metro Die Stationen sind durch ihre Größe und Umsteigemöglichkeiten ziemlich unübersichtlich. Hinweisschilder weisen den Weg, aber man muss sie suchen, manchmal schwierig, weil man mit Informationen und Wegweisern überhäuft wird. Es fühlt sich an wie in einem Playstation-Spiel, wo man als Figur minutenlang den Weg sucht. Die U-Bahn-Stationen ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Daher kann man sich kaum Wege merken, selbst wenn man an dieser Station schon einmal war. Die Sucherei bleibt das Dauerthema. Wenn man endlich den Bahnsteig erreicht hat, muss man die richtige Seite wählen. Fährt die gewünschte Bahn links oder rechts? Um das zu klären, guckt man idealerweise vor dem Betreten des Bahnsteigs auf die Schilder mit den Endstationen der Linie. Diese Schilder hängen über dem Ende der Rolltreppe. Wenn man sie übersehen hat, geht die Sucherei auf dem Bahnsteig los. Über den Türen in den Glaswänden zwischen Gleis und Bahnsteig stehen irgendwo die Endstationen, aber sehr klein gedruckt. Man wird es finden, aber man muss suchen. Die drei Namen über der Tür sind die gegenwärtige Station sowie die letzte und die nächste. Uhren über dem Bahnsteig informieren, wie viele Minuten es dauert , bis die nächste Bahn kommt, aber diese Uhren sind klein und es gibt davon so wenige, dass man sie meistens nicht erkennen kann. Die Uhr unten zeigt an, dass der nächste Zug in 1:20 Minuten kommt. Hat man es schließlich in den richtigen U-Bahn-Zug geschafft, ist der Stress nicht vorbei. Es ist laut. Aus dem Lautsprecher wird man ununterbrochen mit Informationen zugetextet. Will man aus dem Zug herausschauen, etwa weil man gerade in eine Station einfährt und sich für den Stationennamen interessiert, folgt das nächste Stresserlebnis. Die Scheiben der Züge sind getönt, die Scheiben, der gläsernen Sicherheitsabtrennung zwischen Bahnsteig und Gleisen auch. Doppelt getönt ist besser - ganz toll, denn man sieht wenig. Aber das macht nichts, die Lautsprecherdurchsagen hören nicht auf zu reden und sie nennen auch die Stationennamen. In allen U-Bahnen, die ich kenne, gibt es Schilder mit den Stationennamen auch an der Wand, die dem Bahnsteig gegenüber liegt. Das ist sehr sinnvoll, denn in der Bahn schaut die Hälfte der Leute von ihren Sitzen auf genau diese Wand. Es wäre hilfreich, wenn man dort den Namen der Stationen lesen kann und genau weiß, wo man gerade ist. In Schanghai gibt es das nicht. Kleine zusätzliche Schwierigkeit für Ausländer: Die Stationennamen sind schwer zu merken: Ohnehin ist Pin Yin, also die lateinische Schreibweise chinesischer Wörter, eine spezielle Herausforderung, aber besonders speziell bei Namen wie z.B.: Changping Road oder Changqing Road, Changshu Road oder Changshou Road, beide übrigens auf Linie 7. Oder wie sieht es aus mit Changzhong Road? Zhongshan Park oder Zhongtan Road oder North Zhongshan Road? Usw. Eine weitere Schwierigkeit bereiten die unzähligen Ausgänge aus der Metrostation. Welchen soll man nehmen? 5-9 oder 3,4 oder 13? Dazu kommen teilweise bizarre Erklärtafeln, die nur wenige richtig verstehen. Wenn man aus Versehen den falschen Ausgang gewählt hat, gelangt man in einer völlig anderen Ecke an die Oberfläche. Die Ausgänge liegen aber teilweise so weit auseinander, weil man ja unterirdisch minutenlang gelaufen ist, dass man überhaupt nicht mehr weiß, wo man ist. Und da auch oben auf der Straße alles ziemlich gleich aussieht und man eigentlich nie Orientierung hat, kann man verzweifeln. Meistens helfen Apps. Ohne Apps läuft in China nicht viel. Apps wie MAPS.ME zeigen sogar die Ausgänge auf der Straßenkarte an. Das ist eine große Hilfe. Wie kommt man an ein Ticket? Die Tickets bekommt man am Automaten, an dem man per Touchscreen zwischen Chinesisch und Englisch wählen kann, und wenn alle Stricke reißen, gibt es immer noch einen Info-Schalter, wo sogar mit etwas Glück jemand steht, der Geld wechselt und Englisch spricht. Man kann also auch noch mit Münzen oder Scheinen bezahlen und braucht nicht unbedingt Bezahl-Apps. Die Hauptschwierigkeit für Nicht-Chinesen liegt darin, dass man sich die Namen der Stationen nicht merken kann, auch wenn sie in Pin Yin, also lateinischer Schrift, geschrieben sind. 1. So sieht der Ticketautomat aus, wenn man sich ihm nähert. 2. Man wählt die Sprache Englisch. 3. Dann sollte man wissen, auf welcher Linie die Station liegt, zu der man fahren möchte. Wenn man es nicht weiß, kann man bei der Information nachfragen oder eine Metro App benutzen (z.B. Metro Man. Danach wählt man am unteren Bildrand die Linie aus, auf der die gewünschte Station liegt. Alle 18 Linien sind dort aufgeführt. In meinem Beispiel brauche ich ein Ticket zur Station Linyi Xincun; die liegt auf der Linie 6, also wähle ich diese Linie durch Tippen. 4. Danach erscheint auf dem Bildschirm nur noch die gewünschte Linie ohne das gesamte Metronetz. In meinem Fall ist es die Linie 6. 5. Man wählt die gewünschte Station. Ich wähle die Station Linyi Xincun, tippe darauf und der Fahrpreis wird mitgeteilt. Bezahlt wird mit Münzen, Scheinen oder den Apps Alipay oder WeChat. Und los geht's. Masken waren in Zeiten der Pandemie Pflicht. Übrigens sind die Züge herrlich klimatisiert. Bei 32 Grad Außentemperatur ist man echt froh, wenn man in die Bahn kommt, .
- Vorläufiger Abschied von Schanghai
Der Lockdown nahm kein Ende. Das wäre zwar auszuhalten gewesen, allerdings kamen bei mir gesundheitliche Probleme hinzu, die sich nicht von selbst lösten. Letztendlich entschied ich mich, nach Hause zu fliegen. Nachdem diese Entscheidung gefallen war, beriefen meine Kollegen noch am späten Freitagabend eine Online-Sitzung mit der Schulleitung, der Parteisekretärin, der Fachbereichsleiterin und einigen anderen ein. Solche Sitzungen finden spontan statt - egal, ob es Freitagabend ist oder nicht. Mir war sichtlich peinlich, dass wegen mir eine Freitagsabendssitzung einberufen wurde, aber in China nimmt man das weniger schwer als bei uns. Sie sagen, es müsse eine Lösung gefunden werden - und zwar schnell. Es dauerte keine zwei Stunden und ein Flug war gebucht und ich musste mich um nichts kümmern. Wenn in China eine Entscheidung gefallen ist, laufen die Prozesse so schnell ab, dass man als Deutscher kaum Luft holen kann. An einem Freitagabend würde in Deutschland ein Anliegen definitiv bis zum kommenden Montag Zeit haben. Dann würde man einen Termin mit den betreffenden Kollegen koordinieren, was in der Regel schon schwierig genug ist, und dann würde die Sitzung vermutlich Ende der Woche stattfinden. Mit chinesischer Organisation landete ich bereits am Montagmorgen um sechs Uhr in Deutschland und hatte in dieser Zeitspanne auch noch 12 Stunden Flug hinter mir. Zwischen meiner Entscheidung und dem Eintreffen in Deutschland waren 60 Stunden vergangen. Das ist rekordverdächtig. Wenn man als Deutscher in China lebt, hat man irgendwann das Gefühl, dass Deutschland ein extrem langsames Land ist. Hier ein letztes Foto von meinen beiden lieben Kollegen Thomas und Emma mit mir. Ein Fahrzeug wurde extra für mich angefordert, der Fahrer bekam die schriftliche Genehmigung der Schulleitung und der Verwaltung, dass er mich durch die Stadt fahren durfte, für den Fall, dass wir an einer Kontrollstelle angehalten werden. Nach Umarmung und Verabschiedung von meinen Kollegen ging es im Schutzanzug durch die fast menschenleere Stadt auf leeren zehnspurigen Autobahnen zum Flughafen. Die Fahrt durch Schanghai Richtung Flughafen Pudong kam mir vor wie ein Traum oder wie ein Film - alles so fremd, so irreal. Der Flughafen war still, das Gebäude war leer. An diesem Tag gab es nur einen einzigen Flug - von Schanghai nach Frankfurt. Kein Geschäft war geöffnet, kein Snack, kein Getränk konnte gekauft werden. Meine Kollegen nahmen die gesamte Zeit Anteil an meiner Abreise, verfolgten online, ob alles glatt lief und keine Schwierigkeiten entstanden, bis ich im Flugzeug saß. Dahinter stehen Anteilnahme und Interesse. Chinesen wären in Europa sicher tief enttäuscht, wenn man sich nicht um sie kümmern würde und sie würden es für Kälte und Gleichgültigkeit halten. Für sie ist das Kümmern um den anderen eine Selbstverständlichkeit. Wir Europäer sind meistens auf uns selbst gestellt und empfinden es vielleicht sogar als Kontrolle, wenn andere zu sehr Anteil an einem Geschehen nehmen. Vielleicht ist es in China eine Mischung aus Anteilnehmen und Kontrolle. Wenn bei meiner Ausreise in Coronazeiten, in die viele Leute involviert waren, etwas schief gegangen wäre, hätte sich der Verantwortliche, dem die Abwicklung meiner Ausreise anvertraut wurde, rechtfertigen müssen, also hat er lieber die ganze Zeit im Blick, wofür man ihm die Verantwortung übertragen hat. In China ist jeder bestrebt, eine Aufgabe, die ihm gegeben wurde, erfolgreich und so gut wie möglich abzuschließen. Eines meiner Ziele im Ausland war, Standpunkte zu relativieren und die Dinge aus anderer Perspektive zu sehen. Während dieser Erfahrung habe sicher am stärksten gemerkt, was unterschiedliche Standpunkte sind. Eindrücke von einem der größten Flughäfen der Welt während des Lockdowns Wir starteten auf die Sekunde pünktlich am Ostermontag um 00:05. Das Flugzeug war fast leer. Ca. zwei Drittel der Plätze waren nicht belegt. Trotzdem saßen fast alle Passagiere in nur einem Teil des Flugzeugs relativ dicht beieinander, während der gesamte mittlere Teil leer blieb. Die Flugroute ging zunächst nach Norden über Sibirien und ich sah stundenlang einen Streifen heller Dämmerung am Horizont, da wir uns dem Polarkreis näherten und damit dem Polartag auf der Nordhalbkugel. Schließlich ging es wieder Richtung Süden, wir ließen die Dämmerung hinter uns und tauchten wieder in die Nacht ein. Als wir uns Frankfurt näherten, war es noch stockfinster. Ich wurde in China sehr gut behandelt und habe wirkliche Gastfreundschaft erlebt, Interesse aneinander und Unterstützung in allen Belangen. Würde man z.B. in Deutschland für chinesische Kollegen das chinesische Neujahrsfest so organisieren und feiern, wie Weihnachten für uns europäische Kollegen gefeiert wurde? Ich frage mich, wann ich zurück komme. Es gibt kaum Flüge nach China und wenn, dann sind es Charterflüge von der Deutschen Außenhandelskammer, die unfassbar teuer sind. Jetzt werde ich meinen Unterricht von Deutschland online fortsetzen, was ich die letzten Wochen ohnehin schon gemacht hatte wegen des Lockdowns.
- Begegnung Europas und Chinas am Beginn der Neuzeit
Chinas Flotte unter Kaiser Zhu Di Die ersten Westeuropäer, die die Welt mit ihren Schiffen befuhren, waren die Portugiesen, gefolgt von den Spaniern, dann den Briten und den Niederländer - Seefahrernationen, die direkten Zugang zum Meer hatten. Zeitgleich mit Portugal hatte auch das hochentwickelte China eine Flotte, die an Größe jeder europäischen überlegen war. Entsprechend machten sich die Chinesen auch auf den Weg, um die Welt jenseits der Meere zu erforschen. Im Jahr 1403 nach unserer Zeit bauten sie ihre Schiffsarmada unter dem Ming-Kaiser Zhu Di. Die Flotte bestand aus 300 Schiffen, darunter 60 Schatzschiffe, die größten Holzschiffe, die jemals in See stachen, mit einer Länge von 80 Metern und neun Masten, in anderen Quellen ist von 135 Metern Länge und 50 Metern Breite die Rede. Eines der Schatzschiffe von Zheng He im Vergleich mit dem Schiff von Columbus Lars Plougmann / CC BY-SA 2.0 20.000 Leute sollen an Bord der Flotte gewesen sein. In der Zeit von 1404 bis 1433 war der Eunuch Admiral Zheng He im Dienste des Kaisers mehrfach aufgebrochen und gelangte bis Afrika. Das Projekt wurde nur wenige Jahrzehnte fortgesetzt, dann beendete China seine Expeditionen und kehrte zur Selbstgenügsamkeit zurück. Vielleicht war das ein Fehler, der sich ca. 300 Jahre später rächen sollte, als Europa, vor allem die Briten technologisch so aufgeholt hatten, dass sie schwer bewaffnet an Chinas Tür klopften. Chinas Reichtum hatte Begehrlichkeiten geweckt. Es folgten der Opiumkrieg, die Ungleichen Verträgen und das Jahrhhundert der Demütigung, Erfahrungen, die bis heute tief in der chinesischen Seele sitzen. Wie auch immer. Auffällig ist an Chinas Beendigung seines Schifffahrtsprojekts vor allem eins: Keine konkurrierende Macht hatte die Flotte bezwungen, sondern sie wurde aus freien Stücken aufgegeben. Das ist insofern ungewöhnlich, da alle anderen Seemächte immer in die Knie gezwungen wurden von Nationen, die mächtiger geworden waren. Portugiesen von Spaniern, Spanier von Briten usw. Die Chinesen aber wurden von niemandem besiegt. Sie hatten einfach befunden, dass ihre Expeditionen zu keinem Erkenntnisgewinn geführt hatten, also wurden die Schiffe aufgegeben. In Nanjing kann man heutzutage den Nachbau eines solchen Schatzschiffes besichtigen. Begegnungen zwischen Europa und China Bildnis von Xu Guangxi, Minister der Ming-Dynastie, Shanghai Histroy Museum Bevor die Briten in kriegerischer Absicht kamen, waren schon italienische Missionare nach China gekommen, die aber mit ihren Missionabsichten wenig erreicht hatten - das Christentum spielt in China eine marginale Rolle - statt dessen kam es aber zu intensivem kulturellen Austausch. Der Ming-Dynastie-Minister Xu Guangxi, geboren 1562, war ein hoher Beamter im Mandarinat, der ursprünglich aus ärmlichen Verhältnissen stammte, aber durch eine gute Schulbildung die schwierigen Beamtenprüfungen ablegen konnte, die ihn in höchste Ämter aufsteigen ließen. Er steht für die Anfänge der sino-europäischen Begegnungen, da er durch den italienischen Jesuitenpater Mattheo Ricci zum katholischen Glauben konvertierte, was aber keinen Effekt auf die Etablierung des Christentums in China hatte. Mattheo Ricci, Jesuitenpriester in China, Shanghai History Museum Der italienische Jesuitenpater und Missionar Mattheo Ricci war ein kultureller Vermittler zwischen beiden gegensätzlichen Kulturen. Er missionierte nicht mit Gewalt, sondern mit dem, was die Chinesen am meisten überzeugte, mit seiner Gelehrtheit. Er hatte eine profunde naturwissenschaftliche Ausbildung, die die Chinesen beeindruckte, und bewirkte durch seine Bildung mehr als durch seine Predigten. Außerdem erlernte er die chinesische Sprache und kleidete sich wie ein buddhistischer Mönch, so dass die Chinesen ihn nach seinem Sinisierungsprozess für einen der ihren hielten. Ihm sind die Grundlagen der Transkription der chinesischen Sprache in lateinische Schrift zu verdanken, das sogenannte Pinyin, das in veränderter Form bis heute verwendet wird. Alle chinesischen Wörter, die wir Nicht-Chinesen lesen können, sind Transkriptionen der chinesischen Zeichen in lateinische Buchstaben. Mattheo Ricci baute enge und langanhaltende Freundschaften zu hochrangigen chinesischen Beamten auf, unter anderem zu Xu Guangxi, durch die er tiefgehende Kenntnisse des Konfuzianismus erwarb. Dies alles ereignete sich zur Zeit der späten Ming-Dynastie, zeitlich etwa parallel zum europäischen Barock. Im Spätbarock und der Aufklärung schauten europäische Gelehrte mit Bewunderung nach China. Die chinesische Form des Regierens beeindruckte die europäischen Philosophen der Aufklärung: Ein Kaiser, dessen Funktion darin bestand, die Harmonie zwischen Himmel und Erde zu wahren, der das Mandat hatte, die Dinge im Gleichgewicht zu halten, der nicht einer Dynastie entstammen musste, sondern gegebenenfalls aus dem Volk kommen konnte, der auch gestürzt werden konnte. Das alles kannte man in Europa nicht. Der europäische Adel, der die Politik bestimmte und das höchste Ansehen genoss, war letztendlich eine Kaste von Kriegsherren und deren Nachfahren. Im Gegensatz dazu hatte ein Soldat in China eine der niedrigsten Stellungen in der Gesellschaft, während das Mandarinat, also die Verwaltung, aus Eliten bestand, die als Philosophen und Schriftgelehrte durch Examina über den Konfuzianismus in ihre hohen Positionen gelangt waren. Bis heute haben Gelehrsamkeit und Bildung in China den höchsten gesellschaftlichen Status. Die Missionierung Chinas hatte nicht funktioniert. Uralte Traditionen, Überlieferungen und kulturelle Festigkeit, die tief wurzeln und die chinesische Identität ausmachen, waren resistent. Die europäische Kultur ist von ihrem Wertekanon tief überzeugt, aber China setzte dem Westen mit seinen Wertvorstellungen etwas entgegen, von dem die Chinesen zu recht sagen, dass es den europäischen Werten zumindest ebenbürtig ist.
- Das Chinesische Neujahr
Das Chinesische Neujahr nähert sich unaufhaltsam. In der Schule tauchte ein Filmteam mit einem Koch und der Moderatorin von einem Schanghaier Lokalsender auf, um einen kurzen Beitrag über das zum Chinesische Neujahr für eine Lokalsendung zu machen, wie es sie bei uns in den dritten Programmen gibt. Es wurde berichtet von den üblichen Dekorationen, die im einzelnen erklärt und vorgestellt wurden, über das Dekorieren der Fenster und Türen, bis hin zum Kochen. Der Regisseur ordnet die Speisen auf dem Tisch an und die Moderatorin schaut sich an, worüber sie gleich sprechen wird. An Wohnungs- und Haustüren werden überall Spruchbänder, sog. Duilans, angebracht. Sie haben eine über 1000-jährige Tradition in der chinesischen Literatur. Vor dem Neujahrsfest kann man sie überall in Supermärkten oder Schreibwarenläden kaufen. Sie sollen Glück, Erfolg und Wohlstand für das kommende Jahr bringen. Die Zeichen wurden früher mit schwarzer Tusche auf roten Grund geschrieben. Rot gilt in China als Farbe des Glücks. Die Anbringung der Spruchbänder folgt festen Regeln: links, rechts und mittig oberhalb der Tür. Auf die Tür selbst wird ein oft prachtvoll gestaltetes Zeichen für Fu gehängt oder geklebt. Die Sprüche unterliegen ebenfalls festgelegten Regeln, die Anzahl der Schriftzeichen ist auf beiden Seiten gleich, je zwei gegenüberliegende Zeichen aus den beiden Hälften stehen in einer Beziehung zueinander, die Bedeutung dieser korrespondierenden Zeichen sind ähnlich oder gehören der gleichen Bedeutungsebene an, so findet sich bei einem Zahlwort ebenfalls ein Zahlwort gegenüberliegend, die Wortart ist dabei meistens gleich, so findet sich im unteren Teil ein Substantiv, wenn auch im oberen Teil an gleicher Stelle ein Substantiv steht und in einigen Verspaaren sind die Töne der Silben korrespondierender Zeichen zusätzlich aufeinander abgestimmt. Chinesische Lyrik folgt gänzlich anderen Regeln als europäische. Ein Schreibwarenladen, voller Dekoartikel zum Chinesischen Neujahrsfest. Früher schrieben die Menschen ihre Spruchbänder selber, aber die antik chinesischen Zeichen beherrschen nur noch wenige Menschen. Auch ist die Kunst der Kalligraphie nur mit viel Aufwand erlernbar. Außerdem gab es Umzüge mit viel Lärm, Trommeln, Becken und Feuerwerk, um die bösen Geister des alten Jahres zu vertreiben. Punkt Mitternacht wird noch vielerorts Feuerwerk entzündet, ganz nach chinesischer Tradition mit vielen Böllern, aber in Städten wie z.B. Schanghai sind Feuerwerke aus Umweltschutzgründen nicht mehr erlaubt. Die Häuser und Gassen um den Yu Yuen Garten werden jedes Jahr vor dem Chinesischen Neujahrsfest festlich illuminiert. In allen Gassen des Yu Yuen kann man unter Laternen flanieren, die in der Zeit vor dem Neujahr allabendlich das ganze Viertel farbenprächtig beleuchten. Das Chinesische Neujahrsfest endet zwei Wochen nach dem Neujahrstag mit dem Laternenfest, einem weiteren Höhepunkt der Feiertage im chinesischen Kalender. Wenige Tage vor dem chinesischen Fest der Feste wird das Leben langsam herunter gefahren. Geschäfte schließen, machen Ferien und eine sonderbare Stille legt sich über das gesamte Land. 1,4 Milliarden Menschen feiern das Neujahr mit großer Ernsthaftigkeit, die gesamte Wirtschaft des Landes ist darauf eingestellt und plant diese Auszeit fest im Jahresplan ein.
- Waitan Residential District
Wenn man vom Platz des Volkes zur Flusspromenade am Bund geht, folgt man geradewegs der Nanjing Road, der bekanntesten Straße Schanghais, einer lebendigen Fußgängerzone mit teuren Geschäften. Städtebaulich und architektonisch ist die Straße keine Rarität, aber sie ist sehr bekannt. Außerdem will man zielstrebig zum Bund und die Skyline sehen. Also geht man schnurstracks dorthin und übersieht die Gegenden und Viertel, die links und rechts von der Nanjing Road liegen. Nur wenige Meter von der hektischen Betriebsamkeit der Einkaufsstraße kann man den Konsum ausblenden, es wird ruhiger und beschaulicher. Die Reizüberflutung lässt nach und stattliche Gebäude ehemaliger Handelsniederlassungen sowie alte Wohnviertel haben eine Chance, wahrgenommen zu werden. Zwischen Nanjing Road und Suzhou Fluss - der nördliche Teil Ich beginne meine Erkundungstour am Suzhou-Fluss, der nördlichen Begrenzung des Gebietes, das ich mir erlaufen will. Das Areal ist Teil der ehemaligen britischen Konzession, die sich vom nördlich gelegenen Suzhou-Fluss Richtung Süden bis zur Yan'an Road ausdehnt. Östlich wird dieses Areal begrenzt durch den Bund. Direkt am Suzhou-Fluss liegt das ehemalige Hauptpostgebäude Schanghais. Von dort geht es südwärts auf der Sichuan Road. Nach einiger Zeit erreicht man die Dianchi Road, die manchmal als Filmset genutzt wird. Für Filmaufnahmen wird die Straße abgesperrt und gegebenenfalls mit Nebelmaschinen eine cineastische Atmosphäre geschaffen. Dort findet man zwei interessante, alte Institutionen Schanghais, das East Sea Coffee und den Jazz Club im Fairmont Peace Hotel. East Sea Coffee Das East Sea Coffee wirkt etwas plüschig und man fühlt sich wie im alten Europa, etwa in Wien. Man bekommt nur schwer einen Platz und muss meistens auf einem der gelb gepolsterten Hocker vor dem Tresen Platz nehmen, bis man einen Tisch zugewiesen bekommt. Das Personal spricht Englisch und außer Kaffee und Kuchen gibt es hier auch Mittagessen, wofür viele Gäste gern kommen, so dass man auch mittags nicht sofort platziert wird. Auf der Speisekarte stehen diverse russische Gerichte mit Borsch. Das Café wurde 1941 von dem russisch-jüdischen Einwanderer Semyon Libermann gegründet, der wie viele andere jüdische Emigranten aus Europa hierher floh. Vor allem die aus Wien stammenden Juden bereicherten die Kaffeehausszene Schanghais mit ihren Neugründungen. Das East Side Coffee hieß anfangs Mars Café, befand sich auf der 147-149 Nanjing Road, bis es nach Schließungen und Neueröffnungen an seinen heutigen Ort, 110 Dianchi Road, gelangte und seinen jetzigen Namen bekam. Besonders empfehlenswert ist der Lemon Pie mit Baiserhaube. Der Jazz Club im Fairmont Peace Hotel Ein paar Meter weiter gibt es eine andere legendäre Institution Schanghais, die älteste Jazzband der Welt, die es schon mehrfach ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft hat. Gegründet wurde sie 1980, der älteste Musiker verstarb vor kurzem im Alter von 94, der jüngste ist 79 (Stand 2022). Sie spielen dort jeden Abend von 20 Uhr bis 1 Uhr. Ab 21 Uhr kommt kommt die Sängerin dazu, der Eintritt kostet 300 Yuan, für diese Summe kann man dann essen und trinken. Wer mehr trinkt und isst, zahlt natürlich mehr. Die Band wird beworben mit den Worten, dass sie zwar nicht die beste Jazzband der Welt sei, dafür aber die älteste. Es gibt in Schanghai sicher spritzigere musikalische Erlebnisse, aber allein die Atmosphäre in dem grandiosen Peace-Hotel ist schon einen Besuch wert. Das Essen ist gut und die Musik begleitet den Abend. Der deutsche Filmemacher Uli Gaulke produzierte 2021 über die Band die Dokumentation "As Time Goes By". In jedem Stadtteil gibt es alte Viertel mit zweigeschossiger Bebauung, die nach und nach abgerissen werden - so auch hier. Damit stirbt ein altes Stück Shanghai und viel chinesische Alltagskultur verschwindet für immer. Wenn man ein richtig lebendiges altes Viertel besucht, von denen es nicht mehr viele gibt, erlebt man das pralle Leben Chinas. Fast labyrinthartig reiht sich dort Gasse an Gasse, überall sind Bewohner, die irgendetwas arbeiten, reparieren, kochen, schlafen, spielen. Die Gebäude wirken kaum renovierbar und haben nicht den Komfort, den man heute für selbstverständlich hält. Von unseren Vorstellungen hinsichtlich energetischer Bauweise braucht man gar nicht erst anzufangen. Dennoch ist der Abriss dieser Viertel ein Verlust. Wenn ein Viertel kurz vor dem Verschwinden steht, werden die Türen zugemauert, die Fenster in den Obergeschossen werden von innen mit roten Holzplatten zugenagelt. Manchmal wird ein Kreuz auf die Fensterscheibe gepinselt, so wie bei Bäumen, die gefällt werden sollen. Einzelne Einwohner leben noch dort bis zuletzt. Manche Häuserzeilen sind noch nicht betroffen, aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch ihr Schicksal besiegelt ist. Die Fotos unten zeigen ein Viertel, das bald abgerissen wird. Zwischen Nanjing Road und Yan'an Road - der südliche Teil Südlich der Nanjing Road erstreckt sich das Viertel bis zur Yan'an Road. Ich folge zunächst der Sichuan Road und biege nach einigen Metern rechts in die Jiujiang Road. Meine Suche führt mich zu einer bei Deutschen bekannten Institution, dem Restaurant "Schindlers Tankstelle". Die Speisekarte ist authentisch und man bekommt vieles, von der Currywurst über Rinderrouladen bis zu Schupfnudeln, Käsespätzlen, Kaiserschmarrn und natürlich dürfen die Schweinshaxe und die Wurstplatte nicht fehlen. Die Küche ist eindeutig süddeutsch ausgerichtet, Rote Grütze fehlt ebenso wie Finkenwerder Scholle, Matjes mit Bratkartoffeln oder Grünkohl. Aber man kennt es - im Ausland ist deutsch gleich süddeutsch. Wenn man alle Regionen abbilden wollte, würde es die ohnehin schon reichlich bestückte Karte sprengen. Wenigstens gibt es einen riesigen Bildschirm mit filmischen Luftaufnahmen von ganz Deutschland und an den Wänden hängen Bilder von Potsdam usw. Das Essen schmeckt authentisch und wer nach monatelangem Aufenthalt in Schanghai endlich einmal etwas anderes will als chinesische Küche, kann sich hier ein bisschen wie zu Hause fühlen. Direkt neben dem Restaurant gibt es einen Buchladen, der irgendwie an eine Bibliothek erinnert, den Buchladen des Christian Council National Committee of Three-Self Patriot Movement of Protestant Churches in China. Es ist eine Mischung aus Café, Studierplätzen, einem Vortragssaal und natürlich einfach einem Buchladen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat die evangelische Kirche Chinas ihre Zentrale. Sie ist die größte evangelische Gemeinde weltweit, was aber prozentual umgerechnet auf die Einwohnerzahl Chinas nicht viel ausmacht. Das Gebäude wurde während der Kulturrevolution zerstört, aber danach im alten Stil wieder errichtet. Direkt nebenan befindet sich die anglikanische Holy Trinity Church, die aber im Moment (Stand Frühjahr 2022) wegen Renovierungsarbeiten nicht besichtigt werden kann. Sie wurde 1869 fertiggestellt, heißt bei den Shanghaiern "rote" Kirche wegen der Backsteine, mit denen sie im neogotischen Stil errichtet wurde. Direkt neben der Kirche an der Ecke Jiangxi Road, Hankou Road liegt das alte Rathaus Shanghais, das auf seine Renovierung wartet. Es ist in einigen Filmen zu sehen, die dem Genre "Shanghai-Films" zugeordnet werden, unter anderem dem Film "Rote Sonne" aus den 60er Jahren, einem Revolutionsfilm, der die Vertreibung der deutlich besser ausgerüsteten Kuomintang, die sich im Rathaus verschanzt hatten, durch die Volksbefreiungsarmee thematisiert. Geht man die Hankou Road Richtung Bund, erreicht man bald ein weiteres deutsches Restaurant, das "1886". Hier wird ganz auf Automobiltechnik gemacht. An der Decke des Restaurants hängt ein sich drehender Porsche, BMW-Motorräder zieren die Pfeiler und die Sitze sind in nachgebildete Karosserieteile eingebaut. Das Besteck sieht aus wie Schraubschlüssel, die Vasen sind Kugellager und das ganze Ambiente hat eine Ästhetik von Rost, Stahl und Nieten, die irgendwie ein bisschen an Clubs der etwas härteren Gangart in Berlin erinnern. Deutschland mal anders, nicht in weiß-blauer Oktoberfest-Manier, sondern im coolen Techniklook der Welt der Schrauber. Die Speisekarte ist nicht so deutsch wie bei Schindlers Tankstelle und wüsste man nicht, dass man in einem deutschen Restaurant sitzt, würde man es an der Speisekarte nur ab und zu bemerken. Von dort führt mich mein Weg zurück zur Fuzhou Road, die ich weiter Richtung Süden gehe. An der Kreuzung Fuzhou Road/Jiangxi Road gibt es ein beeindruckendes Architekturansemble, bestehend aus vier Art-deco-Hochhäsern an jeder Ecke der Kreuzung, die mit ihren konkaven Fassaden eine zylinderartige Einheit bilden. Zwei der Gebäude sind vollkommen symmetrisch gestaltet. Es sind das ehemalige Metropole Hotel, das von dem Immobilienmogul Sir Victor Sassoon gebaut wurde, auf dessen Initiative auch der Bau des Peace Hotels am Bund/ Ecke Nanjing Road zurück geht, eben jenes Hotel mit dem Senioren-Jazz-Club, sowie das symmetrische Gebäude auf der gegenüberliegenden Ecke, das Hamilton House, das vermutlich auch durch Sassons Initiative entstand. Ein wenig erinnert das Ensemble an Stadtplanungen aus der Renaissance oder dem Barockzeitalter, als Gebäude in einen Gesamtplan eingebunden wurden und die Stadt an sich zum durchgeplanten Kunstwerk wurde. Der Art Deko-Stil der Hochhäuser erinnert ein bisschen an Gotham City, eine Assoziation, die ich in Schanghai öfters bekomme. Von hier geht es die Fuzhou Road hinab Richtung Bund. Dort, so las ich, solle es ein Café geben mit einem Balkon, vom dem man beim Kaffee trinken den perfekten Blick auf den Oriental Pearl Tower hat. Künstlerisch, unkonventionell soll es sein, vielleicht mit ein bisschen Marrakesch- oder Havanna-Feeling ... das Chonor Café. Das Haus finde ich, ich gehe vorbei am schlafenden Hauswart und ich staune, dass es hier ein Café geben soll. Die Bilder im Treppenhaus verweisen eindeutig auf die richtige Spur, aber ansonsten habe ich das Gefühl, mich in ein ganz normales, aber ärmlich wirkendes Wohnhaus verlaufen zu haben. Die Etage und Tür finde ich, aber die Bewohnerin, die ich dort treffe, sagt mir, dass es kein Café gebe. Schanghai ist schnelllebig, also habe ich wohl Pech gehabt und die Hinweise im Internet sind überholt. Statt dessen sehe mich in der ungewöhnlichen Umgebung um. Nur 50 Meter vom Bund entfernt, mitten in einer der teuersten Gegenden der Welt, finde ich dieses Haus mit Gemeinschaftsküchen, Gemeinschaftswaschbecken und Zimmern der Bewohnern, die nebeneinander an den Fluren liegen. Ich frage mich, ob mich die Holzdielenböden und steilen Holzstiegen halten und sehe ein Relikt, wie es noch vor wenigen Jahrzehnten in Schanghai überall zu finden war. Nebenan gibt es, wie häufig in dieser Stadt, ganz normale bodenständige Wohnviertel. Weiter führt mich mein Weg auf der Jiangxi Road bis zur Yan'an Road, dem Ende der ehemaligen englischen Konzession. Heute ist die Yan'an Road eine der großen Achsen, die Shanghai durchziehen. Früher verlief dort der Kanal Yangjingbang Creek, der die Grenze zwischen der englischen und französischen Konzession bildete. So sah die Gegend früher aus: Später wurde der Kanal zugeschüttet, um darauf die Edward VII. Avenue anzulegen. Später wurde die Straße umbenannt in Yan'an Road. Die Straße führt, wie ehedem der Kanal, hinunter zum Huangpu Fluss, dort wo noch der historische Gutzlaff-Signal-Tower steht, den man auf dem folgenden Foto ganz links und klein am Ende der Straße sieht. Es ist der weiße Turm mit dem kreuzartigen Fahnenmast als Spitze. Dieser Turm markierte die Grenze zwischen der englischen und der französischen Konzession. Als man am Huangpu-Fluss die Promenade errichtete, brauchte man Platz und versetzte den Turm ein paar Meter vom Ufer weg. Der Gutzlaff-Signal-Tower, Landmark an der Grenze zwischen britischer und französischer Konzession. Die britische Konzession endet hier, aber man kann weitergehen. Es bleibt interessant. Man überquert die breite Yan'an Road, läuft ein kurzes Stück durch die französische Konzession und erreicht bald das Gebiet des alten chinesischen Schanghais, das von einer mittelalterlichen Stadtmauer aus der Ming-Zeit umgeben war. Die chinesische Stadtmauer wurde vor langer Zeit abgerissen und später das beeindruckende Tor errichtet, das genau dort steht, wo einst die Stadtmauer entlang lief. Heute ist es der Eingang zum bei Touristen beliebten Yu Yuan Garten.