Wenn man an Schanghai denkt, hat man meistens die Skyline von Pudong vor Augen.
Nicht weniger interessant ist der West-Bund auf der gegenüberliegenden Flussseite mit seinen Bauten aus der Zeit der britischen Konzession. Die Franzosen besaßen auch ein Stück am Bund, aber sie haben nicht mit monumentalen Bauten geklotzt. Die Amerikaner hatten sich auch ein Stück Schanghai einverleibt, um auf Kosten Chinas reich zu werden, aber ihre Bereich wurde später mit dem britischen Sektor zur sogenannten "Internationalen Konzession" zusammengelegt. Auch auf amerikanischer Seite stehen einige imposante Gebäude, wovon das Broadway Mansions Hotel sicher das beeindruckendste ist.
Die imposantesten Gebäude am britischen Abschnitt des Bunds können mit Whitehall in London konkurrieren. Stärker noch erinnern sie aber an Liverpool, das man auf dem Foto unten sieht.
Pier Side in Liverpool - erinnert an Schanghai (©: CC BY-SA 3.0)
Schanghais Bund-Architektur könnte auch Batman-Filmen entlehnt sein. Gotham-City, Monumentalarchitektur aus Backstein mit Art-Deko-Einflüssen, die etwas Molochhaftes ausstrahlt. Das fasziniert und begegnet einem überall im Viertel hinter dem Bund. Es ist alles voller Herrschaftsarchitektur, die mit ihren Kolossalordnungen und ihrer Wuchtigkeit etwas Absolutes ausstrahlt .
Kolossalordnung vor dem Bank of Taiwan-Building (rechts) und dem Russo-Chinese-Bank-Building (links davon)
Zur genaueren Orientierung hier noch einmal die Karten mit den Konzessionen. Rot: die französische Konzession, darüber in Ocker die britische, und nordöstlich von dem geschlängelten Fluss Suzhou, der von Westen kommt, die amerikanische.
Der grüne Streifen am Flussufer ist der Uferabschnitt der britischen Konzession, also der Teil des Bunds, den heute die historische Skyline Schanghais prägt.
Die Grenze zwischen der französischen und britischen Uferzone sieht man deutlich auf folgender historischer Abbildung. Es ist die Tordurchfahrt mit dem schlanken Turm daneben. Das Tor ist mittlerweile verschwunden, aber der sogenannte Gutzlaff-Signal-Tower gehört zur denkmalgeschützten Architektur. Er wurde 1865 errichtet und diente als Wetterstation. Heute ist darin im Sockelgeschoss ein kleines Bund-Museum untergebracht.
Blick auf den Bund von der französischen Seite
Die Straße ist noch erhalten, aber mittlerweile gibt es dort, wo auf der historischen Abbildung die Schiffe liegen, eine Uferpromenade, auf der allabendlich unzählige Besucher flanieren, um die gegenüberliegende Skyline in Pudong zu betrachten und zu fotografieren; natürlich auch, um sich die Bund-Architektur anzusehen.
Der Gutzlaff-Signal-Tower
Die Häuser am Bund sind monumental, aber wenn man sie von der Aussichtsetage eines der Gebäude von der gegenüberliegenden Pudong-Seite betrachtet, erscheinen sie lediglich stecknadelkopfgroß. Vielleicht spiegelt sich in dieser Architektur auf beiden Seiten des Flusses die Bedeutung Europas und Chinas von einst und jetzt wider. Peter Scholl-Latour beschrieb es ähnlich: Die Trutzburgen des ehemaligen europäischen Kapitalismus wirken wie winziges Spielzeug, wenn man sie aus der Höhe der monströsen Wolkenkratzer auf der Pudong-Seite betrachtet.
Das grüne pyramidenartige Dach auf dem obigen Foto gehört zum Peace Hotel, einem der traditionsreichsten Häuser Schanghais. Die Geschichte zu diesem Luxushotels und Fotos vom Interieur dieses Gebäudes findest du im Post "Art-Deco in Shanghai".
Auf der Straßenseite gegenüber von den alten Gebäuden gibt es einen Eingang zum Tunnel, der unter dem Huangpu-Fluss hindurchführt.
Man kann nicht zu Fuß gehen, aber es gibt eine kleine Bahn, die einen durch den Tunnel fährt. Lichteffekte machen die Fahrt interessant für Kinder und es vor allem ist es bequem, um zum gegenüberliegenden Flussufer zu gelangen.
Wem diese Fahrt für 50 Yuan, umgerechnet ca. sieben Euro, zu teuer ist, kann für nur 2 Yuan (30 Cent) mit einer Fähre übersetzen, deren Landungsbrücke am Gutzlaff Signal Tower zu finden ist. Man erreicht die Anlegestelle nicht von der Promenade, sondern muss ein paar Treppenstufen zur Straße hinuntergehen. Dort befindet sich die Kasse und gleich daneben der Zugang zur Fähre.
Die Fähren erkennt man an ihrem gelben Streifen. Sie sind nicht für Touristen gemacht, daher gibt es wenige Plätze mit Aussicht an der frischen Luft, dafür aber einen Raum für die vielen Scooter, die auch von einer der einen Flussseite zur anderen wollen. Es ist ein Alltagstransportmittel wie die U-Bahn.
Wenn man den Bund mit den historischen Gebäuden bis zum Ende geht, erreicht man die Waibaidu-Brücke, die man auf dem Foto unten sieht, dort endete der britische Abschnitt des Bunds. Die Brücke überspannt den Fluss Suzhou, der unmittelbar danach in den Huangpu-Fluss mündet. Auf der anderen Seite liegt der ehemalige amerikanische Teil Schanghais. Zur Zeit der japanischen Besatzung Schanghais, war diese Brücke die Grenze zwischen dem japanisch besetzten Teil der Stadt und dem nicht besetzten Teil der. Auf der Brücke gab es scharfe, demütigende Kontrollen durch die japanischen Streitkräfte. Jeder Chinese musste den Soldaten beim Passieren Respekt erweisen, sich verbeugen oder sogar bis zur Taille entkleiden, um Demütigungen und Bestrafungen durch die Japaner zu entgehen. Die Brücke hat einen festen Platz im kollektiven Bewusstsein der Schanghaier, sie ist eine der berühmtesten Brücken der Welt und in zahlreichen Filmen zu sehen, z.B. in Ang Lee's "Gefahr und Begierde".