Die U-Bahn in Schanghai ist ultramodern, hocheffizient, sauber, mit viel Personal. Derzeit hat das Netz 18 Linien, umfasst ca. 800 Kilometer, die genaue Zahl der Stationen ist im Internet nicht herauszufinden, da die Informationen ständig veralten. Das Netz soll in den nächsten Jahren auf 1000 Kilometer ausgebaut werden. Es ist jetzt schon streckenmäßig das größte der Welt, obwohl es erst vor 30 Jahren begonnen wurde.
Zum Vergleich der U-Bahn-Ausbau in Berlin: Die Ergänzung der U 5 vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz mit einer Strecke von zwei Kilometern und drei Bahnhöfen wurde 2010 begonnen und 2021 abgeschlossen. Elf Jahre Bauzeit für zwei Kilometer in Berlin.
Wenn man einen U-Bahnhof betritt, muss man seine Taschen durch einen Röntgenscanner laufen lassen. Keine Angst, das geht schnell. Die Bahnsteige und Gleiskörper sind durch Glasscheiben voneinander getrennt, damit niemand auf die Gleise fällt, die Türen der Glastrennwände öffnen sich gleichzeitig mit den Türen der haltenden Züge.
U-Bahnen haben in vielen Städten ein interessantes Erscheinungsbild, sie sind wie eine eigene kleine Welt, eine Bühne für Kreative, für Spinner und Normalos, ein Panoptikum der Menschen einer Stadt und nicht selten sind U-Bahnen Schauplätze in Filmen, vor allem französischen, weil sie einen cineastischen Wert haben.
Nicht so in Schanghai. Die Schanghaier U-Bahn hat wenig Atmosphäre. Sie ist rein funktional und die Farben Weiß, Schwarz, Grau und Silber bestimmen das Bild ebenso wie die Materialien Granit, Edelstahl und Glas. Alle Stationen sehen irgendwie total gleich aus. Es gibt kein Saxophon, das durch die Gänge hallt, keine nostalgische Architektur mit facettierten Kacheln, keine gefliesten Jugendstilschilder wie in vielen alten europäischen U-Bahnen, keine jungen Leute, die mit Bier oder ClubMate in der Hand zum Feiern in die einschlägigen Bezirke fahren.
Dafür gibt es in Schanghai aber auch keinen Siff oder Schmierereien, es ist absolut sauber.
Wer aber U-Bahnen eben wegen ihrer ganz speziellen, inspirierenden Atmosphäre mag, wird in Schanghai nicht auf seine Kosten kommen. Nicht einmal den typischen U-Bahn-Geruch gibt es, von irgendwelchen Bremsklötzen oder Stromabnehmern, von dem manche sagen, dass es irgendwie nach Gummi und Elektrizität riecht.
Wie benutzt man die Schanghais Metro?
Man könnte befürchten, dass man in Schanghai in gigantischen, labyrinthartigen U-Bahn-Stationen mit chinesischen Schriftzeichen untergeht. Da ist was dran.
Aber in der U-Bahn wird alles auch mit lateinischen Buchstaben ausgeschildert, die Durchsagen in den Zügen erfolgen auf Chinesisch und Englisch und überhaupt funktioniert die Metro wie überall auf der Welt - eigentlich.
Nur "eigentlich", weil es trotzdem schwierig ist:
Die Stationen ähneln unterirdischen Labyrinthen mit endlosen Gängen, teilweise muss man sehr weite Wege zurücklegen, um von einer U-Bahn zur nächsten zu kommen und die minutenlange Tippelei nervt.
Endlose Gänge unter der Erde, typisch für die Schanghaier Metro
Die Stationen sind durch ihre Größe und Umsteigemöglichkeiten ziemlich unübersichtlich. Hinweisschilder weisen den Weg, aber man muss sie suchen, manchmal schwierig, weil man mit Informationen und Wegweisern überhäuft wird. Es fühlt sich an wie in einem Playstation-Spiel, wo man als Figur minutenlang den Weg sucht.
Die U-Bahn-Stationen ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Daher kann man sich kaum Wege merken, selbst wenn man an dieser Station schon einmal war. Die Sucherei bleibt das Dauerthema.
Wenn man endlich den Bahnsteig erreicht hat, muss man die richtige Seite wählen. Fährt die gewünschte Bahn links oder rechts? Um das zu klären, guckt man idealerweise vor dem Betreten des Bahnsteigs auf die Schilder mit den Endstationen der Linie. Diese Schilder hängen über dem Ende der Rolltreppe. Wenn man sie übersehen hat, geht die Sucherei auf dem Bahnsteig los.
Über den Türen in den Glaswänden zwischen Gleis und Bahnsteig stehen irgendwo die Endstationen, aber sehr klein gedruckt. Man wird es finden, aber man muss suchen. Die drei Namen über der Tür sind die gegenwärtige Station sowie die letzte und die nächste.
Uhren über dem Bahnsteig informieren, wie viele Minuten es dauert , bis die nächste Bahn kommt, aber diese Uhren sind klein und es gibt davon so wenige, dass man sie meistens nicht erkennen kann. Die Uhr unten zeigt an, dass der nächste Zug in 1:20 Minuten kommt.
Hat man es schließlich in den richtigen U-Bahn-Zug geschafft, ist der Stress nicht vorbei. Es ist laut. Aus dem Lautsprecher wird man ununterbrochen mit Informationen zugetextet. Will man aus dem Zug herausschauen, etwa weil man gerade in eine Station einfährt und sich für den Stationennamen interessiert, folgt das nächste Stresserlebnis. Die Scheiben der Züge sind getönt, die Scheiben, der gläsernen Sicherheitsabtrennung zwischen Bahnsteig und Gleisen auch. Doppelt getönt ist besser - ganz toll, denn man sieht wenig. Aber das macht nichts, die Lautsprecherdurchsagen hören nicht auf zu reden und sie nennen auch die Stationennamen.
In allen U-Bahnen, die ich kenne, gibt es Schilder mit den Stationennamen auch an der Wand, die dem Bahnsteig gegenüber liegt. Das ist sehr sinnvoll, denn in der Bahn schaut die Hälfte der Leute von ihren Sitzen auf genau diese Wand. Es wäre hilfreich, wenn man dort den Namen der Stationen lesen kann und genau weiß, wo man gerade ist. In Schanghai gibt es das nicht.
Kleine zusätzliche Schwierigkeit für Ausländer: Die Stationennamen sind schwer zu merken: Ohnehin ist Pin Yin, also die lateinische Schreibweise chinesischer Wörter, eine spezielle Herausforderung, aber besonders speziell bei Namen wie z.B.: Changping Road oder Changqing Road, Changshu Road oder Changshou Road, beide übrigens auf Linie 7. Oder wie sieht es aus mit Changzhong Road? Zhongshan Park oder Zhongtan Road oder North Zhongshan Road? Usw.
Eine weitere Schwierigkeit bereiten die unzähligen Ausgänge aus der Metrostation. Welchen soll man nehmen? 5-9 oder 3,4 oder 13? Dazu kommen teilweise bizarre Erklärtafeln, die nur wenige richtig verstehen.
Wenn man aus Versehen den falschen Ausgang gewählt hat, gelangt man in einer völlig anderen Ecke an die Oberfläche. Die Ausgänge liegen aber teilweise so weit auseinander, weil man ja unterirdisch minutenlang gelaufen ist, dass man überhaupt nicht mehr weiß, wo man ist. Und da auch oben auf der Straße alles ziemlich gleich aussieht und man eigentlich nie Orientierung hat, kann man verzweifeln. Meistens helfen Apps. Ohne Apps läuft in China nicht viel. Apps wie MAPS.ME zeigen sogar die Ausgänge auf der Straßenkarte an. Das ist eine große Hilfe.
Wie kommt man an ein Ticket?
Die Tickets bekommt man am Automaten, an dem man per Touchscreen zwischen Chinesisch und Englisch wählen kann, und wenn alle Stricke reißen, gibt es immer noch einen Info-Schalter, wo sogar mit etwas Glück jemand steht, der Geld wechselt und Englisch spricht. Man kann also auch noch mit Münzen oder Scheinen bezahlen und braucht nicht unbedingt Bezahl-Apps.
Die Hauptschwierigkeit für Nicht-Chinesen liegt darin, dass man sich die Namen der Stationen nicht merken kann, auch wenn sie in Pin Yin, also lateinischer Schrift, geschrieben sind.
1. So sieht der Ticketautomat aus, wenn man sich ihm nähert.
2. Man wählt die Sprache Englisch.
3. Dann sollte man wissen, auf welcher Linie die Station liegt, zu der man fahren möchte. Wenn man es nicht weiß, kann man bei der Information nachfragen oder eine Metro App benutzen (z.B. Metro Man. Danach wählt man am unteren Bildrand die Linie aus, auf der die gewünschte Station liegt. Alle 18 Linien sind dort aufgeführt.
In meinem Beispiel brauche ich ein Ticket zur Station Linyi Xincun; die liegt auf der Linie 6, also wähle ich diese Linie durch Tippen.
4. Danach erscheint auf dem Bildschirm nur noch die gewünschte Linie ohne das gesamte Metronetz. In meinem Fall ist es die Linie 6.
5. Man wählt die gewünschte Station.
Ich wähle die Station Linyi Xincun, tippe darauf und der Fahrpreis wird mitgeteilt. Bezahlt wird mit Münzen, Scheinen oder den Apps Alipay oder WeChat.
Und los geht's.
Masken waren in Zeiten der Pandemie Pflicht.
Übrigens sind die Züge herrlich klimatisiert. Bei 32 Grad Außentemperatur ist man echt froh, wenn man in die Bahn kommt, .