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- Porzellan - mein Töpferkurs und das weiße Gold Chinas
Wenn man sich mit China befasst, geht kein Weg am Porzellan vorbei. Neben Seide und Tee ist es eines der traditionsreichen Produkte des Landes, das zu dessen Reichtum führte. All das ist lange vorbei. Mit Porzellan wird man heute nicht mehr reich, aber China und Porzellan gehören einfach zusammen. Was liegt also näher, als einen Töpferkurs zu belegen, um die Grundlagen der Porzellanherstellung zu lernen? Gesagt, getan. Die Werkstatt für den Kurs befindet sich in einer kleinen Stichstraße der Shaanxi Road. Im Zentrum Schanghais gibt es überall diese ruhigen Stichstraßen, die ganz nach chinesischer Compound-Art durch eine Einfahrt mit Pförtnerhäuschen von der Hauptstraße abgetrennt sind. Dort geht es beschaulich zu: Nachbarschaft, kein Durchgangsverkehr, kleine Gärten - alles etwas ungepflegt, aber die Nachlässigkeit hat Charme. Das Laub vom letzten Herbst liegt noch in den Gärten, die Blumen in den Töpfen sind vertrocknet und die abgestorbenen Blätter an den Palmen werden gar nicht erst abgeschnitten. Diese Stichstraßen erinnern mich ein bisschen an die "Mews" in London, ebenfalls kleine Stichstraßen, die dort im 18. und 19. Jahrhundert angelegt wurden, um Ställe und Garagen für Droschken und Fuhrwerke in ihnen unterzubringen. Heutzutage sind diese Londoner Mews absolute Luxuswohngegenden. In Schanghai sind sie ebenfalls unbezahlbar, aber noch wohnen dort die ursprünglichen Bewohner mitten im Zentrum gelegen, trotzdem ruhig und überschaubar, fast nachbarschaftlich. Katzen liegen schläfrig herum, Motorräder parken am Rand und während ich die Gegend erkunde, fällt mein Blick in Wohnungen, deren Kronleuchter und Gemälde auf stilsichere Bewohner schließen lassen oder ich sehe durchs Fenster eine alte Frau am Klavier, während ihr Mann am Tisch chinesische Kaligraphie übt. Der Kurs In einer dieser Stichstraßen liegt die Werkstatt, die verschiedene Kurse anbietet. Ich wähle das Töpfern an rotierender Scheibe. Vier Kursteilnehmer - drei Chinesinnen und ich - sowie ein chinesischer Lehrer machen sich daran, die Grundlagen an vier Samstagnachmittagen zu lernen. Der Lehrer spricht so gut wie kein Englisch, aber man lernt sowieso am besten durchs Zugucken. Anfängerglück hilft, um motiviert zu bleiben. Auf der rotierenden Töpferscheibe können die Dinge schnell außer Kontrolle geraten. Sobald der Tonklumpen, der zu einer Tasse werden soll, anfängt zu eiern, ist nichts mehr zu retten. Man muss sich konzentrieren und stets mehreres gleichzeitig im Auge behalten. Es strengt an, stundenlang zu sitzen, vornüber gebeugt zu sein, sich zu konzentrieren mit nassen, matschigen Händen. Nach der Arbeit folgt noch das Aufräumen und Putzen. Ich bin müde. Am nächsten Samstag sind die Arbeitsschritte schon deutlich sauberer und nicht mehr so matschig. Die Objekte sind abgetrocknet und bekommen ihren Feinschliff: einen schönen Boden mit flacher Mulde, die die spätere Glasur auf der Unterseite schützt, alles wird geglättet und in eine schöne Form gebracht, der Henkel wird auch noch befestigt. Bei dieser Arbeit versinke ich wieder in Konzentration und strebe nach der perfekten, rund laufenden glatten Form. Fein säuberlich wird vom rotierenden Objekt abgeschliffen, die Arbeitsschritte erinnern mich ans Drechseln. Die ersten Tassen und Teller sind fertig. Die Rillen auf der Tasse sollen stilisierte Bambusstangen darstellen. Der Kurs sollte eigentlich an vier Samstagen stattfinden. Aber der Corona-Lockdown unterbrach alles. Mittlerweile bin ich wieder in Deutschland, die Töpferschule habe ich vor meinem Abflug nicht mehr gesehen. Wenn ich nach China zurückkehre, wird voraussichtlich der Kurs fortgesetzt. Aber das alles steht noch in den Sternen. Über Porzellan Was ist Porzellan? Porzellan gehört zu den traditionsreichsten Produkten Chinas. Deshalb wird es bei den Briten auch als "China" bezeichnet. Es wird aus drei Grundstoffen hergestellt: Kaolin, Quarz und Feldspat, die je nach Porzellansorte (z.B: Ostasiatisches Porzellan, Meißener Porzellan usw.) in einem bestimmten Verhältnis gemischt werden. Kaolin ist ein weißer Ton, der in Deutschland in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, der Oberpfalz und vereinzelt im Westerwald und im Rheingau vorkommt. Das Mischverhältnis von Kaolin mit Quarz und Feldspat entscheidet über den späteren Härtegrad des Prozellans. Je mehr Kaolin der Mischung beigefügt wird, desto höher muss die Brenntemperatur sein und desto härter wird das Porzellan. Weichporzellan wird mit einem Anteil von ca. 25 % Kaolin bei niedrigeren Temperaturen mit 1200-1300 Grad gebrannt. Hartporzellan hat einen Kaolinanteil von über 50% und wird bei einer Temperatur um die 1500 Grad gebrannt. Bei dem Brennprozess verbinden sich kristalline, körnige und pulverige Strukturen miteinander. Der Feldspatbestandteil schmilzt während des Brennvorgangs und kristallisiert beim Abkühlen nicht wieder aus, so dass Porzellan - ähnlich wie Glas - eine unterkühlte Schmelze ist, die sich bei normalen Temperaturen im festen Aggregatzustand befindet. Das macht Porzellan in dünnem Zustand lichtdurchlässig. Die Porzellanhauptstadt Chinas: Jingdezhen Kaolin wurde bis ins 17. Jahrhhundert in Deutschland als Weißton oder Passauer Erde bezeichnet. Das heutige Wort Kaolin leitet sich von dem Namen des chinesischen Dorfes Gaoling ab, das in der südchinesischen Provinz Jiangxi liegt. Das Dorf gehört zur Stadt Jingdezhen und damit ist man schon bei dem bedeutendsten Ort der chinesischen Porzellanherstellung, in Jingdezhen. Dort wurden das Porzellan Chinas sowie seine keramischen Vorläufer schon seit der Han-Dynastie (202 v. Chr .- 220 n. Chr.) hergestellt. Im Jahr 1004 n.Chr. machte der Song-Kaiser Zhendong Jingdezhen zur kaiserlichen Produktionsstätte für Porzellan und seit tausend Jahren ist dies Chinas Porzellanhauptstadt. In der Nähe der Stadt gibt es reiche Vorkommen des Weißtons, sowie den Fluss Changjiang für den Transport der Produkte, aber auch Wälder in den umliegenden Bergen, die Holz zum Befeuern der Brennöfen lieferten. Ein Geschäft in der Shaanxi Road Nord/ Ecke Nanjing Road West in Schanghai, das ausschließlich Porzellan aus Jingdezhen verkauft. Seit wann gibt es Porzellan in China? Die Frage ist schwierig zu beantworten, denn schon die Definition von Porzellan variiert. In China unterscheidet man in heißgebranntes und kaltgebranntes Porzellan, während man in Europa kaltgebrannte Produkte als Keramik oder Steingut bezeichnet. Keramiken nach europäischer Definition gibt es in China schon seit 7000 v. Chr., von Porzellanen, die bei einer Temperatur von 1260 -1300 Grad gebrannt wurden, spricht man erst seit der Zeit der Östlichen Han-Dynastie, also um 100-200 nach Chr. Aus dieser Zeit gibt es archäologische Funde von Scherben, die bei über 1250 Grad gebrannt wurden, in der Provinz Zhejiang, die südlich von der Jangtse-Mündung gefunden wurden. Porzellan im Schanghai Museum Im Schanghai Museum, das im Park des Volkes (People's Park) liegt, gibt es viel antike chinesische Kunst zu sehen. Die Porzellanabteilung ist die größte im Museum. Daneben gibt es noch Bronzen, Skulpturen, traditionelle Malerei, Kalligraphie, Siegel-Schnitzkunst, Münzen, Jade, antike Möbel sowie Artefakte und Trachten der nationalen Minderheiten Chinas. Man kann in diesem Museum die gesamte Geschichte des Porzellans in China verfolgen. Hier nur ein paar wenige Bildinfos, Porzellan ist ein gigantisches Thema, bei dem der Erwerb einer Expertise eine Lebensaufgabe ist. In der Porzellanabteilung werden tradtitionelle Töpferwerkstätten und Brennmöglichekiten gezeigt und genau beschrieben. Außerdem gibt es kleine Modelle der Gegenden, in denen die Manufakturen angesiedelt waren. Es sieht ein bisschen aus wie eine Modelleisenbahnlandschaft. Ausschnitt eines Modells einer Landschaft mit ehemaliger Porzellanherstellung. Besonders niedlich habe ich zwei kleine Kinder in Erinnerung, die staunend über den Rand der Tischvitrine auf dieses Modell guckten. In China werden Kinder sehr früh an die eigene Kultur herangeführt. Auch in meiner chinesischen Schülerschaft spüre ich eine tiefe Identifikation damit. In den Ferien war das Museum voll mit Kindern. Typisches Produkt der Tang-Dynastie (7. Jahrhhundert), oft wurden Kamele und andere figürliche Darstellungen produziert. Das auffälligste Merkmal ist die dreifarbige Bleiglasur in Braun, Grün und Creme. Seladon-Porzellan (960-1279) wurde hauptsächlich während der Song-Zeit hergestellt. Die grau-grüne Farbe entsteht durch die Reduktion von Eisen(III)-Oxid zu Eisen(II)-Oxyd während des Brennvorgangs. Dieses Porzellan entsprich unserer europäischen Definition von Steinzeug wegen der niedrigen Brenntemperatur. Während der Ming-Dynastie kam es schließlich bis nach Europa, wo es mit Gold aufgewogen wurde. Anfang des 14. Jahrhunderts wurde die sogenannte Blau-Weiß-Ware besonders populär. Die Blütezeit dieses Stils wurde in der Ming-Zeit (1368-1644) erreicht. Das Dekor, eine Mischung aus Cobald und Wasser, wurde vor dem Brenn- und dem Glasurvorgang mit dem Pinsel aufgetragen Meistens war es floral, geometrisch und ornamental, später kamen figürliche Darstellungen hinzu, z.B: Drachen. Die bekannteste Adaption dieses Stils in Europa ist das Dekor des Meißener Zwiebelmusters. Im Gegensatz zur Unterglasurmalerei in der Ming-Zeit, wurde in der Zeit von 1662 - 1796 der Periode der drei großen Qing-Kaiser (Qing-Dynastie: 644 - 1911) das Dekor auf die Glasur gemalt. Besonders auffällig ist die Ergänzung der Farbpalette. Es wird bunter. In den Motiven wandte man sich auch mehr gegenständlichen Darstellungen zu: Blumen, Vögel, Szenen aus der chinesischen Geschichte, Mythologie und Literatur usw.
- Shanghai-Flaneurs I
Vom Arts and Crafts-Museum zur Julu Road Sich am Wochenende in der Stadt treiben zu lassen, gehört zu den schönen Freizeitbeschäftigungen. Die Geschäfte sind sonntags geöffnet und man kann durch die Parks und Viertel wandeln und gucken und gucken. Ich fotografiere schon seit Jahren nur noch mit dem Handy, weil es so praktisch und handlich ist und mich die Qualität der Fotos überzeugt hat. Als ich nach China ging, ließ ich meine Spiegelreflexkamera bewusst zu Hause, es ging ja um jedes Kilogramm Gepäck. Hier in Schanghai bekomme ich jedoch Lust, mir eine neue Kamera zu kaufen. Mit guten Objektiven ergeben sich halt ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten. Die Ästhetik der Stadt erkennt man erst auf den zweiten Blick. Es ist eine Mischung aus Spuren der Vergangenheit, Luxus und einer latenten Abgründigkeit, die sich an manchen Orten der Stadt zeigt, etwa in monströs wirkenden Gebäuden wie dem Broadway Mansions, dessen Backsteingebirge etwas Totalitäres ausstrahlt und irgendwie an Gotham City oder Metropolis erinnert, vor allem mit der davor liegenden Waibaidu Bridge. Oder man gerät in das fast dschungelartige Gewirr von Gassen und Gängen im Viertel Tianzifang mit seinen Kabeln und Kellerfenstern, die vermutlich noch nie geputzt wurden, mit dunklen Eingängen, in denen man noch eine schmale, steile Holztreppe im Innerern erahnen kann und mit der Exotik der chinesischen Schriftzeichen und den Farben. Oder man entdeckt alteingesessene Geschäfte zwischen Nanjing Road und Wuhaihai Road, die einen Hauch von unnahbarem Luxus und Tradition ausstrahlen. Es ist ein beeindruckendes Ganzes und irgendwann bemerkt man, dass die Stadt einen ganz eigenen Charakter hat. Viele Chinesen tragen am Sonntag teure Kameras mit sich herum und man fragt man sich, ob z.B. die Hasselblad, die ein perfekt gekleideter Mann um den Hals trägt, ein luxuriöses Modeaccessoir ist oder ob er damit wirklich fotografiert. Wahrscheinlich beides. Ich staune auch immer wieder darüber, wie gut sich viele Schanghaier kleiden. Bis ins letzte Detail ist deren Erscheinungsbild durchdacht. Das sonntägliche Flanieren ist Selbstinszenierung, man zeigt seinen Stil und die Stadt wird zum Laufsteg. Manche Schanghaierin scheint eine besonders ausgefallene Sonntagsgarderobe zu haben, die sie nur zum Flanieren anzieht, um sich damit zu präsentieren. Die jungen Leute sind mutig und elegant und lassen sich gern fotografieren, dauernd sieht man schöne junge Menschen, die Fotos voneinander machen, manchmal fragt man sich, ob es professionelle Shootings sind. Die Stadt bietet dafür eine hervorragende Kulisse. Auch die internationale Mode-Szene ist auf Schanghai aufmerksam geworden und die Stadt ist Ort für wichtigste Fashionshows neben Mailand und Paris, was nicht wundert, wenn man sich die Menge an Luxusmodegeschäften in der Stadt anschaut. Mein Spaziergang verlief gestern vom Shanghai Arts & Crafts-Museum Richtung Julu Road durch die Yongkang Road und die Shaanxi Road sowie einige andere Straßen in dieser Umgebung. Die Wintersonne im späten Dezember stand tief, ihre Wärme gab dem Tag eine angenehme Milde und ihr schmeichelndes Licht tauchte alles in warme Farben. Empire Mansions, Middle Wuhaihai Road Fenyang Road/ Fuxing Road Arts & Crafts Museum, 1905 gebaut als Residenz des Direktors der Industriekammer in der Französischen Konzession. So ein Stadthaus müsste man haben, ruhig, sonnig, großzügig, Dachterrasse. Diese Stadthäuser liegen hinter der Shanghai Symphony Hall. Yongkang Road/Xiangyang Road Jiashan Road Shaanxi Road Julu Road
- Zahlen - ein spezielles Thema im Reich der Mitte
Mit Zahlen ist das in China so eine Sache. Genau wie in der abendländischen Kultur spielen sie auch hier eine bedeutende Rolle bei der Zuschreibung von Glück und Leid. Die Zahl 4 fehlt z.B. beim Zählen von Etagen. Als Fremder stellt man das erst fest, wenn man den Fahrstuhl benutzt und bei genauerem Hinsehen keine vierte Etage findet. Das chinesische Wort für 4 四 (sprich Sì) hat eine starke phonetische Ähnlichkeit mit dem chinesischen Wort 死 (sprich: Sǐ), das "sterben " bedeutet. Weil beide Wörter so leicht zu verwechseln sind, verzichtet man lieber gleich darauf. Wer jetzt glaubt, dass die Chinesen spinnen, sollte nach Europa gucken. Wir lassen nämlich die 13. Etage weg. Dort will bei uns keiner wohnen. Und da die Chinesen mehr über den Tellerrand gucken als wir Europäer, lassen sie die Zahl 13 aus Höflichkeit uns gegenüber auch gleich weg, wie man bei den Etagen dieses Fahrstuhls unten sieht. Die Zahl 14 fehlt ebenfalls, da die Chinesen ganz einfach zählen: 14 ist zehn 十 (sprich Shí), plus vier 四, macht zusammen 十四, gesprochen: Shí Sì. Am Schluss also wieder das gefährliche Sì, das als vier, aber auch als sterben verstanden werden kann. Und weil es so schön ist, fehlt auch gleich die 24, die besteht nämlich aus zwei 二 (sprich: Èr), zehn 十, vier 四, macht zusammen: 二十四, gespochen: Èr Shí Sì. Zahlen bringen aber auch Glück: In China ist es die 6 und wenn man jemandem ganz besonders viel Glück wünscht, gibt es die Zahl gleich dreimal: 666. Das Emoticon oben versendet man in diesen Fall. Bei uns steht die Zahl 666 für den Teufel. Spätestens seit der Offenbarung des Johannes wissen wir, dass das Tier, der Antichrist, die Zahl 666 auf die Stirn geschrieben hat. Was übrigens bei dem 666-Emoticon oben aussieht wie ein Zeichen für: "Lass uns telefonieren" ist etwas ganz anderes. Es ist das Handzeichen für die Zahl 6. Die Chinesen zählen genau wie wir mit den Fingern, aber während wir ab sechs beide Hände brauchen, zählen die Chinesen mit einer Hand weiter. Das kann unerwünschte Folgen haben. Wenn ein Europäer z.B. zwei Bier bestellt, macht er folgendes Zeichen: Aber leider steht dies in China für die Zahl 8. Also bekommt man acht Bier. Es gibt Schlimmeres, aber acht Bier kann man ja nicht auf einmal trinken und im Laufe der Zeit werden sie leider schal. Die Chinesen zeigen die 2 ganz anders, je nach Region heben sie entweder Zeige- und Mittelfinger, was in etwa unserem Victory-Zeichen entspricht oder sie machen es mit dem kleinen Finger und dem Ringfinger, was nicht ganz so einfach zu zeigen ist. Bei den Autokennzeichen treiben die Zahlenfolgen ordentliche Blüten. Die Zahl 8 steht für Reichtum und Geld. Die Zahlen 6 und 8 verheißen also Glück und Reichtum. Kennzeichen mit solchen Nummern bekommt man daher im Reich der Mitte nicht zufällig, sondern sie sind heiß begehrt - und teuer. Ein Autokenzeichen mit 8888 ist schlicht unbezahlbar, weil Schilder versteigert werden. Z.B wurde in der Stadt Shenzhen im Jahr 2015 ein Nummernschild mit dieser Ziffernabfolge für 205.000 Euro versteigert. Es war also fast genauso teuer wie der Luxus-BMW, den der Fahrer fuhr. Gegen solche Auswüchse wird im Internet von Usern gewettert: Für 1 Million Yuan bekomme man außerhalb der Metropole Shenzhen eine 100-qm Wohnung und in der Stadt gerade mal ein halbes Nummernschild. Andere zetern, dass Nummernschilder der Öffentlichkeit gehören und von der Stadt verhökert werden.
- Chinas malerische Wasserdörfer und Kanäle
Jiading, ein altes Städtchen im Norden Shanghais, wurde 1994 in die Megametropole eingemeindet. Es gehört zu den Wasserdörfern, die es in diesem Teil Chinas häufiger gibt. In der Ming- und Qing-Zeit war das Leben in diesen Dörfern vom Wasser geprägt. Man erreicht Jiading vom Zentrum Shanghais in ca. 50 Minuten. Die Metrolinie 11bringt einen zur Endstation North Jiading, von dort führt der Weg durch eine ziemlich aufgeräumte Kleinstadt und nach ca. 1-2 Kilometer erreicht man das historische Zentrum. Brücken und Kanäle prägen nicht nur das kleine historische Zentrum Jiadings, sondern viele der alten Städtchen südlich vom Unterlauf des Jangtse. Die kleinen Kanäle mit den halbrunden Brücke und den verschachtelten Häusern prägen bis heute bei vielen Europäern die Vorstellung vom alten China. Solche Wasserdörfer gibt es aber nicht überall im Land, China ist riesig. Wenn man solche Ansichten sucht, ist man in der Umgebung im Dreieck von Shanghai, Suzhou und Hangzhou gut aufgehoben. Hier gab es schon vor Jahrhunderten florierende Landwirtschaft, außerdem ist Chinas Seidenproduktion in Suzhou und seiner Umgebung beheimatet. Die Waren wurden über die Kanäle zu den großen Häfen gebracht und von dort gelangten sie nach Europa, wo sie als Luxusprodukte verkauft wurden und China reich machten. Außer Kanälen gibt es in Jiading eine Pagode, den ältesten Konfuziustempel südlich des Jangtse aus dem Jahr 1219, in dem sich das Museum der chinesischen Beamtenprüfung in Shanghai befindet und in der Nähe kann man noch den "Garten der Herbstwolken" besuchen. Man ist in auf Touristen eingestellt, es gibt massenweise Restaurants und Läden. Der Altstadtbereich mit den Kanälen ist nicht sehr groß, aber immerhin ist man noch im Stadtgebiet Schanghais und kommt mit der Metro dahin. An jedem Ausflugsort in diesem Teil Chinas gibt es mit Zuckerglasur überzogene Weißdornbeeren auf Holzspießchen. Sie schmecken säuerlich und süß zugleich, jedes chinesische Kind kennt sie. Auf Chinesisch heißen sie Tang Hu Lu. Ganz unten in dem Glaskasten, ebenfalls mit Zucker überzogen, liegen Mehlbeeren, eine weitere typische Leckerei, die ebenfalls überall dort angeboten werden, wohin Chinesen gern Ausflüge machen. Ich habe in Deutschland weder Weißdornbeeren noch Mehlbeeren jemals als Essbares gesehen. Besonders beliebt bei heutigen Besuchern und Ausflüglern ist das Städtchen Wuzhen Xizha, etwa 120 Kilometer südwestlich von Shanghai zwischen Suzhou und Hangzhou gelegen sowie das Städtchen Xitang, ca. 140 Kilometer südlich von Shanghai. In Europa gibt es ähnliche Kanalsysteme, besonders in Holland, wo in den Städtchen ebenfalls kleine halbrunde Brücken entstanden. Andere große europäische Kanäle wie der Stecknitzkanal in Holstein, der Canal du Midi in Frankreich, der Göta Kanal in Südschweden wurden durch die Entwicklung der Eisenbahn abgelöst. In China blieb die Industrialisierung aus und das Kanalsystem wurde bis ins 19. Jahrhundert genutzt, als China seinen Untergang erlebte. Der Kaiserkanal oder "Der Große Kanal" Ein Kanal überragt in seiner Bedeutung alles: Der Kaiserkanal oder "der Große Kanal", wie ihn die Chinesen nennen, eine Wasserstraße, die von der Stadt Hangzhou südlich von Suzhou bis Peking reicht. Superlative sind im Reich der Mitte an der Tagesordnung und so ist dieser Kanal der älteste und längste, der je gebaut wurde. Begonnen wurde er vor 2500 Jahren, hat eine Länge von 1800 Kilometern, teilweise eine Breite von vierzig Metern und eine Tiefe von neun Metern. Er war notwendig, weil man eine Verbindung von Süden nach Norden brauchte, denn alle natürlichen Wasserwege Chinas, der Jangtse und der Gelbe Fluss, fließen von Westen nach Osten. Der Kanal wurde ähnlich wie die Chinesische Mauer über einen langen Zeitraum gebaut und immer wieder ergänzt. Als in China vor 1000 Jahren die Technik der Schleusen entwickelt wurde, konnten vierzig Höhenmeter überwunden werden. Während der Yuan-Dynastie vor rund 800 Jahren wurde Peking zur Hauptstadt Chinas und der Kaiserkanal bis dorthin ausgebaut. 300 Jahre später, zur Zeit der Ming-Dynastie, wurde der Kanal noch einmal vollständig restauriert und teilweise vergrößert. Bis heute ist er eine stark genutzte Wasserstraße, die nicht wie seine kleinen europäischen Kollegen in der Touristen-Sparte für Hausboot-Urlauber gelandet ist. Allerdings endet der Kaiserkanal heute am Gelben Fluss und führt nicht mehr bis Peking, da er vom Gelben Fluss durch Sedimente verstopft wurde. Durch seine stete Nutzung hat er sein historisches Erscheinungsbild eingebüßt, da alte Gebäude und Lagerhäuser abgerissen wurden etc. Trotzdem ist er mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe geworden, denn seine Bedeutung geht weit über das Alter und die Größe hinaus, vielmehr wurde durch ihn China kulturell geeint. Bis zum Jahr 221 v. Chr., als unter dem ersten Kaiser der Qin-Dynastie die Schrift vereinheitlicht wurde, hatte jede Region ihr eigenes Zeichensystem. Erst durch den Kanal konnte sich die Qin-Schrift verbreiten, indem sie für alle staatlichen und administrativen Zwecke verwendet wurde. Außerdem war der Kanal eine direkte Verbindung zwischen der Kornkammer Chinas, dem fruchtbaren Jangtse-Delta, und Peking, so dass die Hauptstadt immer reichlich mit Reis und Getreide versorgt werden konnte. Die gesamte Kulturlandschaft in Ostchina mit diesen malerischen Wasserdörfern, ihren Kanälen, die durch ihre Altstädten fließen, und den niedlichen Brücken ist auf die Bedeutung der Handelswege auf dem Wasser zurückzuführen, die durch den Großen Kanal ihren Aufschwung über Jahrhunderte bekamen. Als Weltkulturerbe ist der Kanal zwar ein ähnlich gigantisches Bauwerk wie die Chinesische Mauer, aber wenn man auf ihm eine Rundfahrt macht, kommt er nicht an die beeindruckende Wirkung der Chinesischen Mauer heran. Er ist auch in Deutschland weitgehend unbekannt. Kein Tourist würde je auf die Idee kommen, den Großen Kanal sehen zu wollen. Vor drei Jahren waren Felix und ich schon einmal in der Wasserstadt Tongli, circa ca. 25 Kilometer vom Zentrum Suzhous und ca. 80 km vom Zentrum Shanghais entfernt.
- Zurück in Schanghai
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis zu meiner Rückkehr. Kaum Flüge - bezahlbare schon gar nicht, Visum abgelaufen, neues beantragt, dafür zweimal nach Frankfurt gefahren, Flugstornierungen, PCR-Tests, Flugzeug-Zugangscodes beim chinesischen Konsulat beantragt, Quarantäne in Peking, weil der Flug umgeleitet wurde, chinesische Apps mit Sicherheitscodes beherrschen, ohne die man keine Hotels, Geschäfte usw. betreten kann, noch mehr Quarantäne - diesmal in Schanghai, großer amtlicher Gesundheitscheck. Es war ein Marathon kombiniert mit Hindernislauf. Damals bei der ersten Quarantäne war alles neu, ich wollte meine Grenzen spüren und austesten, was die Quarantäne mit einem macht, was man wirklich braucht, so eine Art Experiment in Sachen Nachhaltigkeit oder so ... Diesmal hatte ich darauf echt keine Lust. Der Flur des Quarantänehotels. Auf den Tischen vor den Türen wird das Essen abgestellt. Zehn Tage kein Gesicht gesehen. Aussicht auf Häuser, in denen nie ein Mensch zu erblicken war. Abends waren die Fenster gegenüber mit kaltem LED-Licht beleuchtet. Dahinter im Dunst ein paar Baukräne, deren Scheinwerfer helle Lichtkegel in den Nebel zeichnen. Menschenverlassen, apokalyptisch - irgendwie science-ficton-mäßig - wie auf einem anderen Planeten. Quarantäne in Peking beendet - Abflug nach Schanghai Testungen - Wer nach Schanghai rein will, muss wieder einen PCR-Test machen lassen. Die Frau vorne links lächelt unter der Maske. Wir haben uns nach dem Fotografieren zugewunken: Ni hao Taxifahrt in die Innenstadt. Endlich in Schanghai. Quarantäne beendet. Dieses Mal bin ich mit ganz anderen Gefühlen angekommen als beim ersten Mal, Ich fühlte mich sicher, die Umgebung ist bekannt, auch wenn man diese Megastadt gar nicht kennen kann und ich diesmal an einem anderen Flughafen gelandet bin. Aber bei der ersten Einreise hätte man mich am Flughafen aussetzen können und ich hätte weder gewusst, wie ich wieder nach Hause noch wie ich in die Innenstadt Schanghais komme. Ich weiß noch, wie mich mein Kollege abholte. Ohne Hilfe wäre ich verloren gegangen. In China kommt man mit Englisch nicht weit. Und die Apps und das westliche Internet funktionierten beim ersten Mal auch nicht. Es war damals ein Hammer. Jetzt nehme ich mir selber ein Taxi und fahre in die Stadt. Eine der leichtesten Übungen der Welt, aber erst, wenn man sich auskennt. In China ist eben alles anders. Als der Taxifahrer herausgefunden hatte, dass ich aus Deutschland komme, spielte er während der Fahrt an seinem Handy, um mir Fotos von seiner Reise nach Deutschland und Italien zu zeigen. Nochmal eine Woche Quarantäne. Bloß, weil ich einen Job habe, in dem ich täglich hunderten von Menschen begegne. Diesmal aber mit freiem Ausgang. 25 Kilometer bis zur medizinischen Untersuchung. Auf der Karte ist die Entfernung gerade mal ein Viertel der gesamten Ausdehnung der Stadt. Medizinischer Check, so umfassend wie bei einer Verbeamtung in Deutschland In der Garküche neben dem Hotel ist immer jeder Platz besetzt. Sie muss gut sein. Ununterbrochen werden die Nudeln auf Armlänge geschwungen, gedreht und gezogen. Eine bewundernswerte Kunst. Alles frisch. Ausnahmesweise wenige Leute, die beste Garküche, die ich bisher in Schanghai gefunden habe. Auf dem Platz vor dem Park tanzen allabendlich Paare, eine der beliebten Aktivitäten der Schanghaier zum Ausklang des Tages. Manche tragen Masken, anderen ist es egal. Eine Pflicht gibt es nicht. Es ist Mitte November und sommerlich heiß. Mein erster Spaziergang führte mich zu einem meiner vielen Lieblingsorte, die Promenade von Pudong, zwischen Lujiazui und der Nanpu-Brücke. Cafés locken dort in der Sonne mit Blick auf den Fluss. Die Quarantäne soll bald auf fünf Tage abgesenkt werden. Fluggesellschaften, die positive Fälle nach China brachten, bekamen bisher Einflugverbot, auch das soll geändert werden. Die PCR-Tests vor der Einreise werden auf einen reduziert. Es scheint sich etwas zu bewegen. Schön, wieder hier zu sein.
- Art Deco in Schanghai
In Shanghai gibt es einige bemerkenswerte Art Deco und Jugendstilgebäude aus den 20er, vor allem aber den 30er Jahren. Wenn man solche Schätze sucht, wird man fündig an der Maoming Road zwischen Huaihai Road und Changle Road. Dort befindet sich das Jin Jiang Hotel, das Okura Garden Hotel sowie das Cathay Kino. Ein weiterer Schwerpunkt liegt an der Nanjing Road zwischen dem Shanghai History Museum und dem People's Square gegenüber vom People's Park. Das Grand Cinema und das Park Hotel wurden beide von dem Ungarn Lászlo Hudec erbaut. Manches Gebäude wurde durch Renovierung aus einem tiefen Dornröschenschlaf aufgeweckt, wie zum Beispiel das Paramount, in dem heute ein Club im Stil der damaligen Zeit zu finden ist. Andere Gebäude in der Innenstadt warten noch auf ihre Wiederherstellung, die in den nächsten Jahren sicher erfolgen wird. Schanghai kennt den Wert seines Architekturerbes und pflegt es entsprechend - heute mehr denn je, denn bis vor wenigen Jahrzehnten wurden Renovierungen auf die lange Bank geschoben. Es war eine Sache der Prioritäten, wohin das Geld floss. Mittlerweile hebt Schanghai seine Geschichte hervor und inszeniert sich als glanzvolle Metropole sowohl der Moderne als auch der Vergangenheit, auch wenn diese Architektur von den ehemaligen Besatzern stammt und eine dunkle Zeit in Chinas Geschichte repräsentiert. Die hier vorgestellten Gebäude sind nur eine Auswahl, wenngleich eine sehr prächtige, aber festzuhalten ist, dass Schanghai von beeindruckenden Art-Deco-Bauten nur so strotzt. Ebenfalls in den letzten Jahren wurde das Fairmont Peace Hotel an der Nanjing Road am Bund durchrenoviert Mit diesem Hotel, vielleicht dem beeindruckendsten Art-Deco-Bau Schanghais, beginne ich meinen Stadtspaziergang auf den Spuren der Architektur des Art Deco. Das Fairmont Peace Hotel Das Hotel hieß früher Cathay Hotel und das Gebäude selbst trägt den Namen Sasoon-Buiding, benannt nach seinem Bauherrn Sir Victor Sassoon, einem jüdisch-sephardischen Immobilienmogul irakischer Herkunft, der in Schanghai ein Immobilienimperium hatte und der Handelsfamilie E.D. Sassoon & Co. entstammt, die ihre Geschäfte in Bombay, Hongkong und Schanghai machte. Er selbst wohnte in einer luxuriösen Wohnung direkt unter dem grünen, pyramidenartigen Dach seines Hotels mit Blick auf den Huangpu Fluss und den gesamten Bund. Im Hotel gibt es ein kleines Museum mit Zeitungsausschnitten und Dokumenten von Stars und Prominenten, die hier wohnten, dem ehemaligen Porzellan und Silber des Hotels usw. Der Eintritt ist frei, es umfasst nur einen Raum, aber es lohnt sich. Übrigens inspirierte das Hotel die deutsche Schriftstellerin Vicky Baum zu ihrem Roman "Hotel Shanghai", einen von immerhin fünfzehn Shanghai-Romanen in der deutschen Literatur, die aber von der Germanistik wegen ihres Unterhaltungscharakters links liegen gelassen werden. Die beiden Stilikonen Marlene Dietrich, Anna May Wong sowie Regisseur Josef von Sternberg waren angeblich zu den Dreharbeiten zu "Shanghai Express" im Hotel - so einen Eindruck vermittelt jedenfalls das Museum. Nach meinem Wissen wurde der Film aber ausschließlich in den USA gedreht. Danach sollte man die beeindruckenden Hallen und Korridore des Erdgeschosses ansehen. Es ist wie eine Zeitreise, das Hotel wirkt wie eine lebendige Antiquität, in der jedes bestens erhaltene und gepflegte Detail zum Gesamtkunstwerk passt. Während man die Innenausstattung genießt und von Korridor zu Korridor lustwandelt, öffnen Portiers mit Handschuhen die Türen und nicken einem beim Durchschreiten würdevoll zu. Man muss kein Hotelgast sein, um hineinzukommen, denn im Erdgeschoss gibt es das Café Victor, die Jazz Bar, ein Restaurant usw., aber auch wenn man nirgends einkehren will, sondern sich nur umschauen möchte, ist das möglich. Das Paramount In der Nähe den Jing'an Tempels an der 216 Yuyuan Road befindet sich das 1933 eröffnete Paramount, ein Nachtclub und Tanztempel bis 1949, der besonders das dekadente, kosmopolitische Schanghai der 30er Jahre symbolisiert. Während der Kulturrevolution verkam das Gebäude. 2001 renovierte es ein taiwanesischer Investor im originalen Stil und eröffnete es wieder als Club. Im vierten Stock befindet sich heute ein Ballraum, in den man als einzelner Gast nicht einfach so hineingehen kann, sondern man muss als Paar kommen. Wenn man allein hingeht, kann man sich dort für den Abend eine Tanzpartnerin oder einen Tanzpartner mieten. Diese weiblichen und männlichen Hostessen führen die Gäste angenehm durch den Abend. Jin Jiang Hotel und Garden Hotel an der Maoming Road 1929 wurde das Jinjiang Hotel gebaut, ein Art-Deco-Gebäude mit ziemlich imposantem Entrée, in dem über 400 Staats- und Regierungschefs empfangen wurden. Das heutige Hotel besteht aus mehreren Komplexen, ein besonders eindrucksvoller Teil ist das Grosvenor House. Zu den Hotels kommt man mit der U-Bahn-Linie 10 bis South Shaanxi Road, Exit 3. Direkt nebenan befindet sich das Jun Ling Building, das in seiner Konzeption schon fast expressionistisch wirkt mit seiner Backsteinbauweise und den verwinkelten, facetten- und kristallartig angeordneten Gebäudeteilen, die bis auf wenige Art-Deco-Ornamente schlicht und abstrakt in ihren Grundformen sind. Ebenfalls befindet sich in diesem, durch Grünanlagen aufgelockerten Gebäudekomplex ein weiterer Teil des Jinjiang Hotels, das Cathay Mansion, das in seiner Architektur mit den steinernen Fensterkreuzen und den bleigefassten Fenstern neogotisch und viktorianisch wirkt. Gegenüber auf der anderen Straßenseite der Maoming Road liegt in einem Park das Okura Garden Hotel. Früher war es der Sitz des exklusiven französischen Clubs Cercle Sportif Francais. 1926 wurde das Gebäude mit neobarocken Elementen errichtet. Innen ist es mit einer Mischung aus Art Deco und Jugendstil ausgestattet. Mosaike, stilisierte florale Formen und Art-Deco-Lampen, facettierte Spiegel, geometrische Friese geben den Räumlichkeiten eine beeindruckende Wirkung. Den prächtigen Ballsaal mit seinem bunten Glasdach konnte ich leider nicht sehen, da dort gerade eine Hochzeit stattfand. Das Gebäude liegt in einem Park, der früher ein Sportplatz war Cathay Kino, Maoming Road Ecke Wuhaihai Road Ein paar Meter weiter Richtung Wuhaihai Road liegt an der Ecke Maoming Road das Cathay Kino, das vor allem wegen seiner Außenarchitektur und der Eingangshalle beeindruckt. Das Wort "Cathay", heutzutage vor allem bekannt durch die Hongkonger Airline "Cathay Pacific", ist die Bezeichnung für China, die Marco Polo in seinem Reisebericht "Il Milione" verwendete. Grand Cinema und Park Hotel an der Nanjing Road Das Grand Cinema an der Nanjing Road direkt gegenüber vom People's Park galt lange Zeit als das beste Kino Asiens. Es wurde ebenso wie das daneben liegende Park Hotel von dem Ungarn Lászlo Hudec gebaut. Wie bei vielen Gebäuden und Interieurs findet man auch hier die häufig verwendete indirekte Beleuchtung durch Stuckprofile sowie die Verwendung glänzende Materialien, sei es Chrom oder schwarzer Granit, Messing und Onyx in kristallinen und geometrischen Formen. Um zu den beiden Gebäude zu kommen, nimmt man an der Metro Station People's Square die Ausgänge 8, 9, 10 oder 11.
- Frühling und Lockdown in Schanghai
Der Frühling ist da. Er kam prompt in der ersten Märzwoche und er kam mit Kraft. Die Temperaturen stiegen an wie zu Hause im Frühsommer und die Pflanzen und Bäume explodierten. Erstaunlich, dass Kirschbäume innerhalb einer Woche von ihrem winterlichen, blattlosen Zustand in volle Blüte geraten. Aber genauso schnell wie die Pracht kommt, vergeht sie auch wieder. Jeden Tag blauer Himmel, es ist wunderbar und erinnert mich an südliche Regionen wie Italien oder Südkalifornien, wo man gutes Wetter für eine Selbstverständlichkeit hält und noch nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet, dass es auch anders sein könnte, geschweige denn mit denen mitfühlt, die im Norden unter schweren, grauen Wolkendecken darben und frieren müssen. Das Wetter war einer der Gründe, warum ich aus Deutschland weg wollte. Ich liebe alle Jahreszeiten, aber der mitteleuropäische Winter dauert für mich gefühlte sechs Monate plus. Vor allem ab März sehnt man sich nach wärmeren Temperaturen und Helligkeit, aber die wollen und wollen einfach nicht kommen und jedes Jahr wieder gelangt man zu der Überzeugung, dass der Winter dem Land tief in den Knochen steckt und erst dann wirklich weicht, wenn es schon Frühsommer ist. Daher freue ich mich hier über jeden Morgen, wenn ich die Vorhänge beiseite ziehe, über die Sonne, die Helligkeit und den blauen Himmel. Man lümmelt sich in Cafés am Fluss herum und bald wird einem bewusst, dass man seine Kleidung um einige kurze Hosen ergänzen sollte, die man für eine lange Zeit tragen wird. Coronazahlen steigen an Parallel zum Frühling verzeichnet Schanghai derzeit den stärksten Anstieg an Coronainfektionen seit Beginn der Pandemie. Was hier als Anstieg angesehen wird, würde in Deutschland zur totalen Entwarnung führen. 300 Infektionen in einem Monat auf 26 Millionen Einwohner. Aber Chinas Null-Covid-Politik sieht diese Entwicklung mit Besorgnis. Diese ganze Pandemie bringt allmählich belastende Einschränkungen mit sich. Zum einen durfte ich bisher Schanghai noch nicht einmal verlassen und konnte demnach in den vierwöchigen Frühlingsferien das Land nicht bereisen. Dabei hätte es gut getan, mal in eine südliche Provinz zu fliegen, z.B. nach Guangxi, das traumhaft schöne Landschaften hat. Immerhin nannte ich den Blog "Mein China". Mittlerweile müsste ich ihn umbenennen in "Mein Schanghai". Die zweite, noch krassere Einschränkung ist, dass man nicht nach Hause fliegen kann. Kann man schon, aber zurück kommt man kaum. Wie bei meiner Einreise letzten September gibt es so gut wie keine Flüge und wenn, dann diese völlig überteuerten Charterflüge der Außenhandelskammer für über 3000 Euro. Danach sitzt man mindestens zwei Wochen in einem Quarantänehotel, Kostenpunkt 1000 Euro pro Woche. Hinzu kommen noch die vielen Testungen in Frankfurt und man ist insgesamt ca. 6000 Euro los. Meine Dienststelle, die zum Auswärtigen Amt gehört, sagt strikt, dass sie nur die Pauschale für die Flüge übernehme, also weniger als 2000 Euro. Man muss aus ökologischen Gründen nicht unbedingt hin- und herfliegen. Wenn man in die Ferne geht, gehört es auch dazu, dass man richtig Abstand bekommt und für einen längeren Zeitraum nicht nach Hause zurückkehrt, aber bisweilen zwingen einen doch persönliche oder gesundheitliche Gründe zu einer Heimreise und es ist beruhigend, wenn man weiß, dass man jederzeit die Möglichkeit hätte, nach Hause zu kommen, auch wenn man es gar nicht nutzt. Als ich nach China ging, sah es so aus, als würde die Pandemie innerhalb des nächsten halben Jahres zu Ende gehen. Das war ein Irrtum. In meinem Viertel ist fast alles geschlossen. Leere Städte - an Sonntagen in Deutschland ein gewohnter Anblick, in China gibt es das gar nicht. Solche Anblicke bekommt man nur kurz vor dem Lockdown. Normalerweise sehen die U-Bahnhöfe so aus Online-Unterricht Seit Montag unterrichte ich online. Es gibt hier die gleichen Schwierigkeiten wie in Deutschland. Manche Schüler profitieren davon, anderen fällt es schwer. Die Schüler sagen, dass weniger Druck herrsche, weil Fächer wie Kunst und Sport wegfallen und die Pausen wenigstens richtige Pausen sind, weil nicht noch Gymnastik gemacht werden muss. Hamsterkäufe - wir wurden gewarnt, dass schrittweise alle Wohnviertel in den nächsten Tagen heruntergefahren werden, aber irgendwie verläuft hier in Schanghai alles doch sehr moderat. Vielleicht waren meine Einkäufe gar nicht notwendig. Verhungern wird man jedenfalls nicht. Es gibt ja auch noch Lieferservices. Wenn das Wetter gut ist, ist die Ruhe eigentlich schön. Morgens wecken mich die Vögel, nach Schulschluss spielen die Kinder auf dem Hof des Nachbarhauses und helles Lachen klingt herauf, abends gehe ich auf den Sportplatz der Schule, jogge meine Runden und sehe dabei die erleuchteten Stuben der Wohnhäuser, aus deren weit geöffneten Fenstern an warmen Abenden Stimmen und Musik hörbar sind. Auf einer Dachterrasse steht jemand schemenhaft im Dunkeln in der lauen Abendluft und sieht mir schweigend bei meinen Runden zu. Eine seltsam heile Welt ist das und mich durchströmt eine Sehnsucht, die ich nur schwer fassen kann - vielleicht nach Kindertagen, in denen man in Deutschland noch ähnlich lebte. Fast dörflich mutet das an, als wäre die Zeit stehen geblieben in der 26-Millionen-Metropole. In meinem Viertel kennt man mich, ich bin der Europäer. Wenn ich einen Laden betrete, weiß man schon, was ich kaufen möchte und freut sich, wenn ich meinen Wunsch auf Chinesisch formuliere. China löst Sehnsüchte nach Vergessenem aus. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Ich wusste gar nicht, dass es solche Sehnsüchte überhaupt gibt. Jetzt, am fortgeschrittenen Abend, wo ich diese Zeilen am Schreibtisch bei weit geöffnetem Fenster und sommerlichen Temperaturen im Frühling tippe, höre ich chinesische Musik herüberklingen und spüre in der Fremde Geborgenheit.
- Im Krankenhaus in China
Niedergelassene Ärzte mit eigener Praxis gibt es eher in ländlichen Gegenden. In der Stadt gehen alle Chinesen ins Krankenhaus, wenn sie einen Arzt aufsuchen - auch mit harmlosen Erkrankungen. Wenn ein junger Chinese sagt, dass er erst sechsmal in seinem Leben im Krankenhaus war, klingt das für einen Deutschen erschreckend - "Sechsmal??? So krank warst du schon?" - der Deutsche assoziiert mit Krankenhäusern Schwerwiegendes. In Wirklichkeit hatte der junge Chinese in seinem Leben erst sechs hartnäckige Erkältungen. Der normale Arztbesuch geht bei uns in eine Arztpraxis, in China in ein Krankenhaus. Im chinesischen Krankenhaus findet man Allgemeinmediziner und Spezialisten unter einem Dach. Überweisungen wie in Deutschland, die zu einer Facharztpraxis oder ins Krankenhaus führen, was wieder Zeit kostet, weil man wieder Termine ausmachen muss, wieder hinlaufen muss usw., gibt es in China nicht. Wenn im chinesischen Krankenhaus der Allgemeinmediziner nicht weiter helfen kann, schickt er den Patienten zu den Spezialisten im gleichen Haus. Dort wird man am gleichen Tag untersucht ohne wochen- oder monatelange Wartezeiten, auch wenn es sich um aufwändigere Verfahren handelt wie z.B. eine CT oder Magenspiegelung. Die Apotheke gibt es auch gleich im Haus, aber nicht als privat geführtes Unternehmen, sondern als Teil des Krankenhauses. Es sind mehrere Schalter, an denen man sich die Medikamente abholen kann, die der Arzt verschrieben hat. Auch das erspart dem Patienten viel Lauferei. So schlecht finde ich das System nicht. Das Krankenhaus ist der Ort, an dem alle Krankheiten behandelt werden, eine Art Gesundheitszentrum. Es gibt in Schanghai auch westliche Kliniken für Expads, die Angst vor den chinesischen Krankenhäusern haben. Die Sprachbarriere tut dabei ihr übriges, denn für einen Westler ohne Chinesischkenntnisse ist es definitiv unmöglich, sich ohne Hilfe zurechtzufinden. Chinesen sprechen selten Englisch und auf Chinesisch schaffen die Wrestler es nicht, sich zu registrieren, auf den Fluren zurecht zu finden usw. In den westlichen Krankhäusern gibt es englischsprachige Ärzte, die Kommunikation verläuft reibungslos und diese Kliniken strotzen vor Service und ähneln eher einem Hotel. Man bekommt Einzelzimmer, kann sein Essen aus einem westlichen Menü auswählen, das Badezimmer ist mit Marmor gefliest usw. Dieser Service hat einen sehr hohen Preis und man hat das Gefühl, in einer Klinik für Schönheitschirurgie in Hollywood gelandet zu sein. Man sollte unbedingt vorher abklären, ob die Kosten von der Krankenversicherung übernommen werden. In meinem Fall nur in Höhe der Gebührenordnung für deutsche Ärzte. Die Lücke dazwischen ist riesig. Wenigstens eine gute Aussicht Eigentlich wäre es gut, in ein chinesisches Krankenhaus zu gehen, denn es ist DEUTLICH billiger, auch billiger als in Deutschland und ich bin hier, um Land und Leute kennenzulernen, was in einer chinesischen Klinik deutlich besser funktioniert, da die Expad-Kliniken eine Parallelwelt zum chinesischen Gesundheitssystem sind. Die Ärzte in den chinesischen Krankenhäusern sind gut und auch in den westlichen Kliniken gibt es auch fast nur chinesische Ärzte. Der Unterschied ist, dass die Ärzte im westlichen Krankenhaus ziemlich einwandfreies Englisch sprechen. Ich entschied mich genau dafür, weil ich nicht auf die Hilfe meiner Kollegen angewiesen sein wollte. Zum einen hätten sie ihre Arbeit ruhen lassen müssen, um mich zu begleiten, womit bereits zwei Arbeitskräfte ausgefallen wären, zum anderen fällt es mir als Westler auch schwer über meinen Gesundheitszustand bzw. meine Krankheiten mit anderen zu sprechen, die mir nicht nahe stehen. Außerdem wird in China Diskretion nicht so wichtig genommen wie bei uns. Man ist Teil einer Gruppe und die Gruppe interessiert sich für alles, aber ich wollte meinen Gesundheitszustand nicht zu einer öffentlichen Sache machen. Dieser Privatheitsgedanke ist europäisch, hat vielleicht etwas mit der abendländischen Kultur zu tun, mit der Überhöhung des Individuums. Im Gegensatz dazu stellt die chinesische Gesellschaftsvorstellung die Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Der Gegensatz zwischen Individuum und Gemeinschaft scheint mir einer der größten Unterschiede zwischen beiden Kulturen zu sein. Und für beide Seiten ist jeweils die andere schwer nachvollziehbar. In Deutschland ist die Privatsphäre im Krankheitsfall sogar gesetzlich geschützt, man muss dem Arbeitgeber nicht den Grund für seine Krankmeldung nennen. In China kenne ich die Gesetzeslage nicht, aber ich habe den Eindruck, dass man gern wissen möchte, was einem fehlt. Das ist nicht bloße Neugierde als Selbstzweck, sondern es hat auch positive Seiten, denn Chinesen unterstützen und helfen und halten diese Hilfe für eine vollkommene Selbstverständlichkeit. Trotz der guten Absicht ist das ein kultureller Unterschied, den ich nur schwer überwinden kann. Ich vermute, dass es vielen Europäern, zumindest Deutschen so gehen würde, obwohl viele auch den Verlust von Gemeinschaft beklagen. Welche Vorteile die Gemeinschaft haben kann, zeigt folgende Geschichte: Mein chinesischer Freund lebte als Kind in einer der üblichen Wohnstraßen Schanghais, wo jeder jeden kannte, sich das Leben auf der Straße abspielte, wo die Kinder gemeinsam draußen ihre Hausaufgaben machten und jeder Nachbar eine Nenn-Tante oder ein Nenn-Onkel war, wo die Türen zu den Häusern im Winter wie im Sommer offen standen und Privates und Öffentliches irgendwie ineinander übergingen. In genau dieser Umgebung hatte mein Freund, als er ein kleiner Junge war, einen Unfall, der ihn fast das Leben kostete, weil er dabei beinahe verblutet wäre. Dieser Unfall wurde in der Nachbarschaft zur Chefsache und eine große Hilfsbereitschaft unterstützte die Familie. Alle halfen, wo sie konnten, brachten dem Jungen, als er aus dem Krankenhaus zurückkam, Speisen, die nach traditioneller chinesischer Medizin die Blutbildung anregen, damit das Kind bald wieder gesund wird, nahmen der Mutter die Arbeit ab usw. Vielleicht übernimmt das soziale Gefüge in China den Part, den wir Deutschen bei einem vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnis für wichtig halten. Im chinesischen Gesundheitssystem gibt es das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Patienten und Arzt nicht, da man viel seltener zum Arzt, also ins Krankenhaus geht. Die Krankheit wird hier sachlicher betrachtet, was nicht heißt, dass man den Menschen nicht als Ganzes im Blick hat. In Deutschland wird der Arzt für manchen älteren Menschen zum Vertrauten, den man oft aufsucht, auch um Einsamkeit zu überwinden. Die Kosten für meine Behandlung im Expad-Krankenhaus waren so hoch, dass ich in normalen Zeiten ohne Corona dafür ungefähr sechs bis sieben Flüge zwischen Deutschland und China bezahlen könnte. Das sagt nicht viel aus, aber vielleicht der Vergleich, dass diese Behandlung ein Mehrfaches von dem gekostet hat, was ich in Deutschland bezahlt hätte. Man kann über Preise in Krankenhäusern auch verhandeln und zwar nicht nur um Kommastellen. Aber das muss man erst mal drauf haben. Am liebsten wäre ich in den Frühlingsferien nach Deutschland geflogen, auch um Arztbesuche zu machen und um einfach mal wieder meine Freunde zu sehen, aber Corona hat die Welt nach wie vor fest im Griff und wenn man China einmal verlässt, kommt man nur sehr schwer wieder hinein.
- Das alte Schanghai verschwindet - Streifzüge durch sterbende Viertel
© University of Bristol - Historical Photographs of China reference number: Bk05-14. From the book 'Shanghai' (published by Max Nössler, c.1907). The Yang King Pang Creek (Yangjingbang) was filled in to become Avenue Edward VII (now Yan'an Dong Lu), Shanghai. https://www.hpcbristol.net/visual/bk05-14 Der Innenstadtbereich von Schanghai konnte bis in die 80er Jahre sein Erscheinungsbild aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg erhalten, da die 1949 gegründete Volksrepublik der Entwicklung von Wohn- und Industriekomplexen in den Vorstädten Priorität einräumte. Seit einigen Jahrzehnten wird nun auch der Innenstadtbereich umgebaut, unzählige historische Gebäude sind unter Denkmalschutz gestellt, aber die alten Wohnviertel mit weitgehend zweigeschossiger Bebauung werden abgerissen, obwohl die kleinen Viertel mit den verwinkelten Häusern, durch die sich ein labyrinthartiges Gewirr von Gassen zieht, ihren eigenen Charme haben. Dieses alte Schanghai verschwindet. Auch wenn man das bedauert, muss man sich fragen, wer in diesen Häusern wohnen wollte. Dazu gehört eine gehörige Portion Romantik. Es ist eiskalt im Winter, brüllend heiß im Sommer, eng, stickig, ohne fließendes Wasser. Grundsanierungen sind schwierig, es fehlt vermutlich an sanitären Anlagen, die Häuser sind nicht energetisch isoliert, wobei der Strom in China noch billig ist, aber vermutlich werden sich sicher in den nächsten Jahren die Energiepreise auch in China ändern. Vielleicht wäre eine Sanierung teurer als ein neues Haus. Die Grundstückspreise sind obendrein zu hoch für die zwei- bis dreigeschossigen Wohnhäuser. Die Bewohner dieser Häuser werden umgesiedelt in Neubauten, die natürlich komfortabler sind. Aber die nachbarschaftlichen Bindungen fallen weg. Vielleicht nehmen Chinesen das leichter, weil ihr sozialer Schwerpunkt auf der Familie liegt, Nachbarn sind austauschbar. Außerdem macht der chinesische Pragmatismus solche Umsiedlungen vermutlich für Schanghaier leichter als es für uns Deutsche wäre. Das Improvisierte, Zusammengeschusterte, die kleinen Balkons, die winzigen Dachgärten mit Taubenschlägen und Wäscheleinen über verwinkelten Dächern, zu denen kleine Außentreppen hinaufführen, die Dachgauben - all das hat schon einen ganz eigenen Charme. Im Erdgeschoss befinden sich Geschäfte. Es sind Nachbarschaften mit dörflichem Charakter, die in einer globalisierten Welt verschwinden. Es ist schade und man kann nur hoffen, dass genügend dieser Viertel erhalten bleiben. Dazu muss aber ein Viertel unter Denkmalschutz gestellt sein. Den baldigen Abriss eines Viertels erkennt man immer daran, dass Fenster mit roten Brettern zugenagelt werden. Danach werden die Eingänge zugemauert. In den Vierteln, die abgerissen werden, sieht man manchmal noch Wäsche auf der Leine oder ein paar Katzen, die noch regelmäßig gefüttert werden. Es wirkt ein bisschen wie die verlassenen Orte am Niederrhein in Nordrhein-Westfalen, die dem Braunkohleabbau weichen müssen. In Schanghai fällt es nicht so drastisch auf, weil direkt nebenan das Leben pulsiert. Die Orte am Niederrhein wirken viel geisterhafter. Das Viertel südlich von Yu Yuan, dem historischen Altstadtbereich Schanghais soll auch demnächst weichen. Hier noch ein paar Eindrücke von den Häusern, die bald nicht mehr stehen werden. Dabei sieht die Gegend gar nicht schlecht aus. Sie liegt direkt neben dem Yu Yuan und man kann durch das Viertel zur Promenade am Huangpu-Fluss gehen. Es wäre eine schöne Möglichkeit die beiden Touristenziele durch ein pittoreskes Viertel miteinander zu verbinden. Diese kleine Ecke oben wäre ein schöner Platz für ein Café. Die Häuser könnten renoviert werden, ein bisschen Grün davor, dann ein paar Tische und ein gemütliches Café würde entstehen. Cafés mit Außensitzgelegenheiten gibt es in Schanghai sowieso relativ wenig. Mit der Neugestaltung von Innenstädten hat man in Deutschland nach dem Weltkrieg viel vermasselt. Es ist schade, dass Schanghai jetzt in dieselbe Richtung läuft. In Deutschland werden mittlerweile historische Gebäude und ganze Altstädte rekonstruiert, unter andrem, weil man den Tourismus als Geldquelle ernst nimmt, aber auch, weil die Gesichtslosigkeit und Austauschbarkeit der Innenstädte zu groß wurden.
- Shanghai History Museum
Historische Abbildung des Race Horse Clubs mit Zuschauertribünen, die heutzutage nicht mehr vorhanden sind. Am People's Square ist man so ziemlich mitten im Zentrum Schanghais. Die gleichnamige, direkt darunter liegende U-Bahn-Station Renmin Guangchang (People’s Square) ist verwirrend groß, drei Linien kreuzen sich dort, es gibt 20 Ausgänge und täglich werden dort 10 Millionen Menschen durchgeschleust. An der Oberfläche verläuft die Nanjing Road, die wichtigste Einkaufsstraße Schanghais, und tangiert den People's Park. Es ist verwirrend und wenn man die U-Bahn verlässt, man weiß nicht, in welche Richtung man gehen soll, die Distanzen sind groß, sich zu verlaufen wäre anstrengend. Ziel heute ist das Shanghai History Museum. Es liegt am People's Park. Man nimmt am besten die U-Bahn-Linie 2 und verlässt die Station über die Ausgänge 8. 9. 10 oder 11. Oben gelangt man auf die Nanjing Road und wenn man den Park im Rücken hat, vor sich die Nanjing Road und man auf die historischen Gebäuden auf der gegenüberliegenden Seite schaut, geht man nach links, Richtung Westen. Das Museum ist nur wenige Gehminuten entfernt. Der People's Park ist eine ehemalige Pferderennbahn, die von den Briten erbaut wurde. Es gibt wohl keinen Ort auf der Erde, an dem sich Briten niederließen, ohne Pferderennbahnen. Der Park ist ziemlich groß, hat eine ovale Grundfläche und wenn man weiß, dass es eine ehemalige Pferderennbahn ist, erkennt man viele Hinweise darauf, z.B. das eine oder andere freie Rasenstück oder Wegführungen, die sich teilweise der ehemaligen Rennstrecke anpassen. Der Park des Volkes (People's Park), eine ehemalige Pferderennbahn, wie man noch deutlich an seiner ovalen Form erkennen kann. Direkt neben dem Park liegt das Gebäude des ehemaligen Race Horse Clubs, das 1933 von den Briten erbaut wurde - ein schönes Gebäude im Stil seiner Zeit mit einem Glockenturm, der früher ein weithin sichtbares Wahrzeichen Schanghais war. Heute wirkt er zwischen den vielen Hochhäusern eher klein. Das Gebäude strahlt außen wie innen die Gediegenheit britischer Lebensart aus. Seit 2018 ist darin das Shanghai History Museum untergebracht. Blick ins Treppenhaus des ehemaligen Race Horse Clubs Auch wenn man nicht ins History Museum gehen will, was aber unbedingt empfehlenswert ist, lohnt sich ein Besuch des Cafés und Restaurants auf der Dachterrasse. Da man keinen Eintritt fürs Museum zahlen muss, kommt man leicht dorthin und hat einen spektakulären Rundumblick über Schanghais Zentrum. Schanghai ist riesig, so dass man auch hier nur einen kleinen Ausschnitt überblicken kann, aber man bekommt dort oben eine gute Orientierung und sieht, in welche Richtung man nun gehen muss, um zum Bund zu kommen, zum Jing'an Tempel oder zur French Concession. Auf der Dachterrasse des Gebäudes mit dem Glockenturm Blick von der Dachterrasse über die nördliche Ecke des Parks Richtung Nanjing Road, dem Radisson Blue Hotel mit dem Ufo-ähnlichen Aufbau. Auf der rechten Bildhälfte sieht man das Shinzo International Plaza mit den beiden Spitzen . Das dunkle Backsteingebäude auf der linken Bildhälfte ist das Park Hotel, ein Art-Deko-Gebäude, und links davon sieht man ziemlich klein den weißen Turm des Grand Theatres, ein altehrwürdiges Kinos, ebenfalls im Art-Deko-Stil Bei gutem Wetter will man von dieser schönen Dachterrasse mit den großartigen Ausblicken gar nicht mehr so schnell weg. Man ist mittendrin und hat trotzdem Ruhe. Direkt nebenan schlägt der Glockenturm zur vollen Stunde und klingt mit seinen halben Tönen irgendwie britisch und ein bisschen schräg . Früher war die Dachterrasse ein sehr exklusiver Ort, der nur für Pferdebesitzer oder Clubmitglieder zugänglich war. Seit Ausrufung der Volksrepublik hat sich das natürlich grundlegend geändert. Der Fahnenmast auf dem Glockenturm war übrigens ein Mast von einem chinesischen Kriegsschiff, dass die Briten in einem der Opiumkriege gekapert hatten. Bis zur Ausrufung der Volksrepublik war an diesem Mast der Union Jack gehisst - mal wieder eine Lektion in Sachen: Demütigung eines Volks. Die Entfernung der britischen Flagge war eine der ersten Aktionen nach der Ausrufung der Volksrepublik. Das gesamte Gebäude spiegelt einen Teil der Geschichte Schanghais wider. Im Geschichtsmuseum im Gebäude werden 6000 Jahre Geschichte gezeigt. Die Entwicklung wird chronologisch dargestellt, die Exponate werden ästhetisch präsentiert,Vitrinen und Ausstellungsräume sind dem Charakter des Gebäudes angepasst, indem edle Materialien, wertvolle Hölzer etc. verwendet wurden. Teilweise sieht es aus wie in einem britischen Club. Inhaltlich liegen die Schwerpunkte vor allem auf den letzten 500 Jahren, der Begegnung Europas und Chinas ab dem Beginn der Neuzeit, dem Opiumkrieg mit seinen Folgen, der Zeit der Konzessionen, in der die Stadt zu einem Zentrum der Mischung fernöstlicher und europäischer Kultur wurde, die man - heute eher weniger, aber noch bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg - mit Schanghai assoziierte, dem Sino-Japanischen Krieg und der Kommunistischen Partei. Es ist viel, was geboten wird, so dass ein Besuch nicht ausreicht, um alles zu erfassen. Mir hat besonders die Abteilung zur Begegnung zwischen Europa und China gefallen, da dort einige Aspekte Chinas thematisiert werden, die in Europa allgemein eher unbekannt sind, aber faszinieren. Marco Polos frühere Beschreibungen wurden lange Zeit als unglaubwürdig abgetan, weil sie zu märchenhaft klangen, aber als die Europäer begannen die Welt über die Meere zu erobern, stießen sie auf diese Kultur. Diese Begegnung von Ost und West ist einen eigenen Blogbeitrag wert. Den findest du hier: Begegnung Europas und Chinas am Beginn der Neuzeit Deswegen hier nur ein paar Bilder. Eine chinesische Bronzekanone aus dem Opiumkrieg, die 1984 gefunden wurde. Auf ihr ist eingraviert: "Chen Huacheng, Zhengyuan General und Generalgouverneur von Jiangnan". Chen Huacheng kämpfte im Opiumkrieg gegen die Briten in Wusongkou, dort wo der Huangpu in den Yangtse mündet. Zeitungen in Schanghai: Hier sieht man den Arbeitsplatz eines Setzers. Im Hintergrund fällt der Blick durch ein Fenster auf die Wangping Straße, der heutigen Shandong Road, die von der Fuzhou Straße zur East Nanjing Road führt. Auf nur 200 Metern wurden innerhalb eines Jahrhhunderts dutzende Zeitungen gegründet. Diese Straße war einst das Zentrum der Verbreitung von Informationen und öffentlicher Meinung in China
- Buddhistischer Tempel in Longhua
Tempel in China zu besuchen gehört zu den berührenden Erlebnisse. Voller Klischees im Kopf hatte ich vermutet, dass es in diesem atheistischen Land keine Gläubigen, keine Mönche, keine Tempel gibt. Aber da lag ich falsch. Ganz nach westlicher Touristen-Manier suchte ich dieses Tempel auf, um ihn zu besichtigen. Dort stellte ich fest, dass es kein Ort ist, den man betrachtet wie ein Museum, sondern ein spiritueller Ort mit einem Kloster, in dem Mönche leben und zu dem Menschen pilgern, um zu beten. Blumen werden als Opfer mitgebracht, Gläubige beten stehend oder kniend oder tief auf den Boden geneigt. Ich war der einzige Besucher aus dem Westen und fühlte mich wie ein Voyeur. Solche Gläubigkeit hatte ich bisher nur in Polen oder Rom erlebt. Wäre es besser als Nicht-Buddhist diesen Ort lieber nicht zu besuchen? Oder lag die Abwesenheit der Westler an Corona? Immerhin wurde ich am Eingang des Tempels nicht abgewiesen. Es war also erlaubt, dass ich diesen Tempelbezirk betrete. Fast alle Menschen in der Tempelanlage waren jung, kaum einer über 40, und sahen nicht besonders asketisch aus, sondern vielmehr, als stünden sie ziemlich fest in einem weltlichen Leben. Eine Gruppe durchgestylter chinesischer Mädchen mit bunt gefärbten Punk-Frisuren, weiten Röcken und Schuhen mit überdimensionierten Kunststoffsohlen widmete sich mit ihren Räucherstäbchen hingebungsvoll dem Gebet. Gleich nebenan betete ein durchtrainierter junger Mann, der aussah, als wäre das Fitnessstudio sein Lieblingsort. Hier stand er nun mit geschlossenen Augen, hingebungsvoll konzentriert in sein Gebet vertieft. Ein junger Vater brachte seinem kleinen Sohn bei, wie man betet. Der Junge hielt das Bündel Räucherstäbchen in seinen Händchen, schüttelte die Stäbchen und verneigte sich unbeholfen damit, weil er noch gar nicht richtig wusste, wie das alles abläuft. Eine junge Frau begleitete einen alten, gebrechlichen Herrn und stützte ihm beim Steigen über die Schwellen am Tempeleingang. Es wirkte, als hätten beide den gemeinsamen Besuch des Tempels für diesen Tag geplant, da der alte Herr es allein nicht mehr schafft.
- Promenade am Huangpu-Fluss
Die Nanpu-Brücke liegt ganz in der Nähe meiner Unterkunft, ihre filigranen hochaufragenden Pylonen leuchten abends in der Ferne. Grund genug, mal dorthin zu spazieren. Ehrlich gesagt hatte ich nicht erwartet, dass man ans Flussufer gelangt. Aber da lag ich falsch, denn dort gibt es eine Promenade, die sich vom Weltausstellungsgelände bis zur Spitze von Pudong nach Lujiazui erstreckt, also dort, wo der Oriental Pearl Tower steht, eines der Wahrzeichen Schanghais. Also los, ein schöner langer Spaziergang lag vor mir. Die Promenade ist abwechslungsreich und empfehlenswert - es gibt so viel zu sehen. Der immerwährende Schiffsverkehr auf dem Fluss, Radfahrer, Jogger, Familien, Leute, die zum Fotografieren herkommen, Leute, die sich fotografieren lassen, hübsche Cafés und Restaurants mit Blick auf den Fluss, Sportmöglichkeiten, Yachthäfen, ab und zu ein altes historisches Gebäude, offenbar in Privatbesitz, bei dem man sich fragt, wer darin wohnt. Die Grünanlagen sind gepflegt, die Blumenbeete üppig, modernen Granitskulpturen, ein alter Leuchtturm und alte Kaianlagen, die auf die Geschichte der Hafenstadt verweisen. Mit der untergehenden Sonne im Rücken, die sich in den Hochhäusern spiegelt, kann man das Farbenspiel der beginnenden Dämmerung beobachten und irgendwann Punkt sechs Uhr wird die ganze Stadt illuminiert und zwar punktgenau mit dem ersten Sechs-Uhr-Glockenschlag des Custom Houses am Bund, jenem Haus mit dem Turm, dessen Uhr ein wenig an Big Ben erinnert und übrigens genauso markant klingt. Alle Lichter gehen dann gleichzeitig an und es beginnt das eigentliche Spektakel. Einige Yachten fahren erst jetzt raus - Dämmertörn vor der grandiosen Kulisse. An der Pudong-Spitze, dort wo der Binjiang Park liegt, herrscht Hochsommerabendatmosphäre. Alle sind bester Laune, genießen die Eindrücke, man ist umgeben von den gigantischen Hochhäusern. Am Ufer gegenüber, dem Bund, liegen die Kolonialbauten und es gibt zig Möglichkeiten unmittelbar am Wasser auf einer Restaurantterrasse bei einem Getränk oder Essen den Abend mit diesen Ausblicken zu genießen. An der Nanpubrücke wirkt die Promenade noch wie ein altes Industriegebiet. Dort waren früher tatsächlich Werften. Je näher man der Stadt kommt, desto belebter und schöner wird die Promenade. Alte Werftgebäude säumen den Fluss. Auf dem Huangpu-Fluss ist immer was los. Die Schiffe fahren mit geringem Abstand und manchmal in mehreren Reihen nebeneinander. Aber der Huangpu-Fluss ist klein im Vergleich mit seinem Mündungsfluss, dem Yangste. Der fließt auch durch Schanghai. Ein paar Kilometer hinter dem Stadtzentrum mündet der Huangpu in ihn. Dort geht der Schiffsverkehr erst richtig ab. Von der Yangtse-Mündung bis nach Nanjing fahren die Schiffe aberwitzig dicht und es hat sich der hektischste Schiffahrtsknoten der Welt herausgebildet. Der Yangste ist die zentrale Arterie des phänomenalen chinesischen Wirtschaftsbooms. Im Hintergrund das zweithöchste Gebäude der Welt, der Shanghai Tower, 632 Meter, 128 Etagen, 106 Aufzüge, Aussichtsplattform in 562 Metern Höhe. Allerdings hat sich China aus dem Wettrennen um die höchsten Gebäude der Welt ausgeklinkt. Begründung: Es bringt nichts, es ist Verschwendung. Nach sieben Kilometern angekommen an der Spitze von Pudong der Landzunge, um die sich der Huangpu windet, Lujiazui, wo sich die Restaurants, Biergärten und Cafés ballen. Der Paulaner Biergarten liegt auch in Lujiazui, direkt an der Promenade mit Blick aufs Wasser. Brechend voll ist es hier mit Chinesen, die nicht für Bier mit Brezn, Wurstsalat oder Brotzeit herkommen, sondern für die die ganze Palette Schweinefleisch aufgefahren wird. Chinesen lieben Fleisch, auch Schweinefleisch, deshalb wird hier nicht gekleckert, sondern geklotzt.