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Das alte Schanghai verschwindet - Streifzüge durch sterbende Viertel


University of Bristol - Historical Photographs of China reference number: Bk05-14. From the book 'Shanghai' (published by Max Nössler, c.1907).  The Yang King Pang Creek (Yangjingbang) was filled in to become Avenue Edward VII (now Yan'an Dong Lu), Shanghai. https://www.hpcbristol.net/visual/bk05-14

© University of Bristol - Historical Photographs of China reference number: Bk05-14. From the book 'Shanghai' (published by Max Nössler, c.1907). The Yang King Pang Creek (Yangjingbang) was filled in to become Avenue Edward VII (now Yan'an Dong Lu), Shanghai. https://www.hpcbristol.net/visual/bk05-14



Der Innenstadtbereich von Schanghai konnte bis in die 80er Jahre sein Erscheinungsbild aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg erhalten, da die 1949 gegründete Volksrepublik der Entwicklung von Wohn- und Industriekomplexen in den Vorstädten Priorität einräumte.

Seit einigen Jahrzehnten wird nun auch der Innenstadtbereich umgebaut, unzählige historische Gebäude sind unter Denkmalschutz gestellt, aber die alten Wohnviertel mit weitgehend zweigeschossiger Bebauung werden abgerissen, obwohl die kleinen Viertel mit den verwinkelten Häusern, durch die sich ein labyrinthartiges Gewirr von Gassen zieht, ihren eigenen Charme haben. Dieses alte Schanghai verschwindet. Auch wenn man das bedauert, muss man sich fragen, wer in diesen Häusern wohnen wollte. Dazu gehört eine gehörige Portion Romantik. Es ist eiskalt im Winter, brüllend heiß im Sommer, eng, stickig, ohne fließendes Wasser. Grundsanierungen sind schwierig, es fehlt vermutlich an sanitären Anlagen, die Häuser sind nicht energetisch isoliert, wobei der Strom in China noch billig ist, aber vermutlich werden sich sicher in den nächsten Jahren die Energiepreise auch in China ändern. Vielleicht wäre eine Sanierung teurer als ein neues Haus. Die Grundstückspreise sind obendrein zu hoch für die zwei- bis dreigeschossigen Wohnhäuser.

Die Bewohner dieser Häuser werden umgesiedelt in Neubauten, die natürlich komfortabler sind. Aber die nachbarschaftlichen Bindungen fallen weg. Vielleicht nehmen Chinesen das leichter, weil ihr sozialer Schwerpunkt auf der Familie liegt, Nachbarn sind austauschbar. Außerdem macht der chinesische Pragmatismus solche Umsiedlungen vermutlich für Schanghaier leichter als es für uns Deutsche wäre.

Das Improvisierte, Zusammengeschusterte, die kleinen Balkons, die winzigen Dachgärten mit Taubenschlägen und Wäscheleinen über verwinkelten Dächern, zu denen kleine Außentreppen hinaufführen, die Dachgauben - all das hat schon einen ganz eigenen Charme. Im Erdgeschoss befinden sich Geschäfte. Es sind Nachbarschaften mit dörflichem Charakter, die in einer globalisierten Welt verschwinden.

Es ist schade und man kann nur hoffen, dass genügend dieser Viertel erhalten bleiben. Dazu muss aber ein Viertel unter Denkmalschutz gestellt sein.


Den baldigen Abriss eines Viertels erkennt man immer daran, dass Fenster mit roten Brettern zugenagelt werden. Danach werden die Eingänge zugemauert.




In den Vierteln, die abgerissen werden, sieht man manchmal noch Wäsche auf der Leine oder ein paar Katzen, die noch regelmäßig gefüttert werden.

Es wirkt ein bisschen wie die verlassenen Orte am Niederrhein in Nordrhein-Westfalen, die dem Braunkohleabbau weichen müssen. In Schanghai fällt es nicht so drastisch auf, weil direkt nebenan das Leben pulsiert. Die Orte am Niederrhein wirken viel geisterhafter.


Das Viertel südlich von Yu Yuan, dem historischen Altstadtbereich Schanghais soll auch demnächst weichen. Hier noch ein paar Eindrücke von den Häusern, die bald nicht mehr stehen werden. Dabei sieht die Gegend gar nicht schlecht aus. Sie liegt direkt neben dem Yu Yuan und man kann durch das Viertel zur Promenade am Huangpu-Fluss gehen. Es wäre eine schöne Möglichkeit die beiden Touristenziele durch ein pittoreskes Viertel miteinander zu verbinden.



Diese kleine Ecke oben wäre ein schöner Platz für ein Café. Die Häuser könnten renoviert werden, ein bisschen Grün davor, dann ein paar Tische und ein gemütliches Café würde entstehen. Cafés mit Außensitzgelegenheiten gibt es in Schanghai sowieso relativ wenig.


Mit der Neugestaltung von Innenstädten hat man in Deutschland nach dem Weltkrieg viel vermasselt. Es ist schade, dass Schanghai jetzt in dieselbe Richtung läuft. In Deutschland werden mittlerweile historische Gebäude und ganze Altstädte rekonstruiert, unter andrem, weil man den Tourismus als Geldquelle ernst nimmt, aber auch, weil die Gesichtslosigkeit und Austauschbarkeit der Innenstädte zu groß wurden.








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