In Shanghai gibt es einige bemerkenswerte Art Deco und Jugendstilgebäude aus den 20er, vor allem aber den 30er Jahren. Wenn man solche Schätze sucht, wird man fündig an der Maoming Road zwischen Huaihai Road und Changle Road. Dort befindet sich das Jin Jiang Hotel, das Okura Garden Hotel sowie das Cathay Kino.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt an der Nanjing Road zwischen dem Shanghai History Museum und dem People's Square gegenüber vom People's Park. Das Grand Cinema und das Park Hotel wurden beide von dem Ungarn Lászlo Hudec erbaut.
Manches Gebäude wurde durch Renovierung aus einem tiefen Dornröschenschlaf aufgeweckt, wie zum Beispiel das Paramount, in dem heute ein Club im Stil der damaligen Zeit zu finden ist. Andere Gebäude in der Innenstadt warten noch auf ihre Wiederherstellung, die in den nächsten Jahren sicher erfolgen wird. Schanghai kennt den Wert seines Architekturerbes und pflegt es entsprechend - heute mehr denn je, denn bis vor wenigen Jahrzehnten wurden Renovierungen auf die lange Bank geschoben. Es war eine Sache der Prioritäten, wohin das Geld floss. Mittlerweile hebt Schanghai seine Geschichte hervor und inszeniert sich als glanzvolle Metropole sowohl der Moderne als auch der Vergangenheit, auch wenn diese Architektur von den ehemaligen Besatzern stammt und eine dunkle Zeit in Chinas Geschichte repräsentiert.
Die hier vorgestellten Gebäude sind nur eine Auswahl, wenngleich eine sehr prächtige, aber festzuhalten ist, dass Schanghai von beeindruckenden Art-Deco-Bauten nur so strotzt.
Ebenfalls in den letzten Jahren wurde das Fairmont Peace Hotel an der Nanjing Road am Bund durchrenoviert
Mit diesem Hotel, vielleicht dem beeindruckendsten Art-Deco-Bau Schanghais, beginne ich meinen Stadtspaziergang auf den Spuren der Architektur des Art Deco.
Das Fairmont Peace Hotel
Das Hotel hieß früher Cathay Hotel und das Gebäude selbst trägt den Namen Sasoon-Buiding, benannt nach seinem Bauherrn Sir Victor Sassoon, einem jüdisch-sephardischen Immobilienmogul irakischer Herkunft, der in Schanghai ein Immobilienimperium hatte und der Handelsfamilie E.D. Sassoon & Co. entstammt, die ihre Geschäfte in Bombay, Hongkong und Schanghai machte. Er selbst wohnte in einer luxuriösen Wohnung direkt unter dem grünen, pyramidenartigen Dach seines Hotels mit Blick auf den Huangpu Fluss und den gesamten Bund.
Im Hotel gibt es ein kleines Museum mit Zeitungsausschnitten und Dokumenten von Stars und Prominenten, die hier wohnten, dem ehemaligen Porzellan und Silber des Hotels usw. Der Eintritt ist frei, es umfasst nur einen Raum, aber es lohnt sich.
Übrigens inspirierte das Hotel die deutsche Schriftstellerin Vicky Baum zu ihrem Roman "Hotel Shanghai", einen von immerhin fünfzehn Shanghai-Romanen in der deutschen Literatur, die aber von der Germanistik wegen ihres Unterhaltungscharakters links liegen gelassen werden.
Die beiden Stilikonen Marlene Dietrich, Anna May Wong sowie Regisseur Josef von Sternberg waren angeblich zu den Dreharbeiten zu "Shanghai Express" im Hotel - so einen Eindruck vermittelt jedenfalls das Museum. Nach meinem Wissen wurde der Film aber ausschließlich in den USA gedreht.
Danach sollte man die beeindruckenden Hallen und Korridore des Erdgeschosses ansehen. Es ist wie eine Zeitreise, das Hotel wirkt wie eine lebendige Antiquität, in der jedes bestens erhaltene und gepflegte Detail zum Gesamtkunstwerk passt. Während man die Innenausstattung genießt und von Korridor zu Korridor lustwandelt, öffnen Portiers mit Handschuhen die Türen und nicken einem beim Durchschreiten würdevoll zu. Man muss kein Hotelgast sein, um hineinzukommen, denn im Erdgeschoss gibt es das Café Victor, die Jazz Bar, ein Restaurant usw., aber auch wenn man nirgends einkehren will, sondern sich nur umschauen möchte, ist das möglich.
Das Paramount
In der Nähe den Jing'an Tempels an der 216 Yuyuan Road befindet sich das 1933 eröffnete Paramount, ein Nachtclub und Tanztempel bis 1949, der besonders das dekadente, kosmopolitische Schanghai der 30er Jahre symbolisiert. Während der Kulturrevolution verkam das Gebäude. 2001 renovierte es ein taiwanesischer Investor im originalen Stil und eröffnete es wieder als Club. Im vierten Stock befindet sich heute ein Ballraum, in den man als einzelner Gast nicht einfach so hineingehen kann, sondern man muss als Paar kommen. Wenn man allein hingeht, kann man sich dort für den Abend eine Tanzpartnerin oder einen Tanzpartner mieten. Diese weiblichen und männlichen Hostessen führen die Gäste angenehm durch den Abend.
Jin Jiang Hotel und Garden Hotel an der Maoming Road
1929 wurde das Jinjiang Hotel gebaut, ein Art-Deco-Gebäude mit ziemlich imposantem Entrée, in dem über 400 Staats- und Regierungschefs empfangen wurden. Das heutige Hotel besteht aus mehreren Komplexen, ein besonders eindrucksvoller Teil ist das Grosvenor House.
Zu den Hotels kommt man mit der U-Bahn-Linie 10 bis South Shaanxi Road, Exit 3.
Direkt nebenan befindet sich das Jun Ling Building, das in seiner Konzeption schon fast expressionistisch wirkt mit seiner Backsteinbauweise und den verwinkelten, facetten- und kristallartig angeordneten Gebäudeteilen, die bis auf wenige Art-Deco-Ornamente schlicht und abstrakt in ihren Grundformen sind.
Ebenfalls befindet sich in diesem, durch Grünanlagen aufgelockerten Gebäudekomplex ein weiterer Teil des Jinjiang Hotels, das Cathay Mansion, das in seiner Architektur mit den steinernen Fensterkreuzen und den bleigefassten Fenstern neogotisch und viktorianisch wirkt.
Gegenüber auf der anderen Straßenseite der Maoming Road liegt in einem Park das Okura Garden Hotel. Früher war es der Sitz des exklusiven französischen Clubs Cercle Sportif Francais. 1926 wurde das Gebäude mit neobarocken Elementen errichtet.
Innen ist es mit einer Mischung aus Art Deco und Jugendstil ausgestattet. Mosaike, stilisierte florale Formen und Art-Deco-Lampen, facettierte Spiegel, geometrische Friese geben den Räumlichkeiten eine beeindruckende Wirkung. Den prächtigen Ballsaal mit seinem bunten Glasdach konnte ich leider nicht sehen, da dort gerade eine Hochzeit stattfand.
Das Gebäude liegt in einem Park, der früher ein Sportplatz war
Cathay Kino, Maoming Road Ecke Wuhaihai Road
Ein paar Meter weiter Richtung Wuhaihai Road liegt an der Ecke Maoming Road das Cathay Kino, das vor allem wegen seiner Außenarchitektur und der Eingangshalle beeindruckt.
Das Wort "Cathay", heutzutage vor allem bekannt durch die Hongkonger Airline "Cathay Pacific", ist die Bezeichnung für China, die Marco Polo in seinem Reisebericht "Il Milione" verwendete.
Grand Cinema und Park Hotel an der Nanjing Road
Das Grand Cinema an der Nanjing Road direkt gegenüber vom People's Park galt lange Zeit als das beste Kino Asiens. Es wurde ebenso wie das daneben liegende Park Hotel von dem Ungarn Lászlo Hudec gebaut.
Wie bei vielen Gebäuden und Interieurs findet man auch hier die häufig verwendete indirekte Beleuchtung durch Stuckprofile sowie die Verwendung glänzende Materialien, sei es Chrom oder schwarzer Granit, Messing und Onyx in kristallinen und geometrischen Formen. Um zu den beiden Gebäude zu kommen, nimmt man an der Metro Station People's Square die Ausgänge 8, 9, 10 oder 11.