Shanghai ist, mental gesehen, die westlichste Stadt Chinas - die Sonderverwaltungszonen ausgenommen - daher gibt es hier so etwas wie Weihnachten. Das Fest wurde von den internationalen Handelsketten in die Stadt gebracht und äußert sich in Form von Weihnachtsbäumen und -deko. Es beschränkt sich allerdings ein wenig auf die kommerzialisierten Gegenden, der normale Chinese feiert Weihnachten nicht und in ländlichen Regionen geht dieses Fest sicher ganz an den Leuten vorbei. An meiner Schule, die als Fremdsprachenschule ebenfalls international ist, kennen es viele Schüler und manche haben sogar einige Zeit im Ausland verbracht und das Fest in ihren deutschen Gastfamilien in Ostfriesland, Gütersloh oder Hanau schon miterlebt und mit Großmüttern Plätzchen gebacken.
Meine Schule hat viel für uns ausländische Lehrkräfte organisiert, unter anderem mit dem Ziel, dass wir Weihnachten in Gemeinschaft feiern können. Chinesen können die Bedeutung von Weihnachten sehr gut nachvollziehen, hier gibt es das Chinesische Neujahr, das eine ähnliche, wenn nicht größere Bedeutung für die Chinesen hat als Weihnachten für Deutsche. Für Chinesen wäre das Allein-Sein am Neujahrsfest ein ziemlicher Alptraum, der übrigens letztes Jahr wegen Corona einige meiner Kollegen getroffen hat, da ihre Familien in anderen Provinzen wohnen.
Die Deutschfachschaft meiner Schule - immerhin 14 Kollegen - feierte Weihnachten (es sind nicht alle auf einem Foto zu sehen, weil wir nachmittags während der Schulzeit feierten und einige später kamen). Dazu gab es Glühwein und aus Deutschland eingeflogene Weihnachtsleckereien wie Marzipankartoffeln, Dominosteine, aber auch chinesische Naschereien wie Weißdornbeerenspieße etc.
Am nächsten Tag lud die Schule die ausländischen Fremdsprachenlehrkräfte sowie einige chinesische Fremdsprachenlehrer ins Hotel Intercontinental zu einem Weihnachtsdinner ein. Ein ziemlich feierlicher Abend mit den Konsulen der Nationen, deren Sprachen an der Schule unterrichtet werden.
Und am Heiligen Abend hatten wir Kollegen uns verabredet, einige Freunde kamen dazu und es war ein stimmungsvolles, fröhliches Zusammensein bis in die späte Nacht. Man hätte es eigentlich für Silvester halten können.
Was fehlte, war die getragene und besinnliche Stimmung. Das scheint doch etwas sehr Deutsches zu sein, das vielleicht seine Ursprünge in der Romantik hat, der Epoche der Sehnsucht. Man sehnt sich nach weißen Weihnachten, unbeschwerten Tagen und vielem mehr. Aber Sehnsüchte sind mit dem Gefühl verbunden, dass das Ersehnte nicht erreicht wird. Besinnlich - das Synonym ist "gedankenvoll", "versunken". Haben Deutsche einen Hang zu so etwas?
In vielen Ländern wird Weihnachten fröhlicher und lauter gefeiert.
Und während Weihnachten auf dem Höhepunkt war, merkt man jetzt allmählich die Vorboten für das größte Fest der Chinesen, das Neujahrsfest.
Es wird das Jahr des Tigers und in wenigen Wochen lassen es die Chinesen richtig krachen - allerdings leider wieder mit starken Einschränkungen wegen Corona.