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Noch mehr Lockdown



In den letzten Monaten flammten immer wieder Infektionsherde in der Metropole auf, die zu kurzen lokalen Lockdowns in entlegenen Bezirken führten. Der Alltag in der Stadt wurde dadurch aber nicht beeinflusst. Dass Schanghai irgendwann in einen totalen Lockdown geht, war nicht absehbar. Meine Kollegen waren sicher, dass diese Stadt nie heruntergefahren wird und so wurde es auch von der Politik beteuert.


In den letzten zwei Märzwochen zog die Situation aber deutlich an. Maskenpflicht in der Öffentlichkeit, Vorzeigen von QR-Gesundsheitscodes beim Betreten von Geschäften und in den Schulen fanden Massentestungen statt. Es wurde merklich leerer auf den Straßen und vor allem war die U-Bahn so leer wie an einem Sonntag in Bochum - kurz: ausgestorben.


Trotzdem war ich noch am Samstag in einem großen Kaufhaus und am Sonntag saß ich noch mit meiner Kollegin im Garten eines Cafés, allerdings wurden, während wir gemütlich draußen saßen, vor dem Café und vor unseren Augen die Bürgersteige abgesperrt mit Flatterbändern aus Plastik, die um Straßenschilder und Bäume gewickelt wurden. Ein Gefühl von Endzeitstimmung beschlich uns.


Am Sonntagabend kam dann die Mitteilung, dass die Stadt in den totalen Lockdown geht.


Der Huangpu-Fluss teilt die Stadt in Ost und West und diese Hälften wurden hintereinander heruntergefahren. Die Pudong-Seite im Osten, wo der Hafen und das Finanzzentrum mit Börse, dem Krankenhaus, in dem ich war, liegen, wurde zuerst für fünf Tage geschlossen und vom 1. - 5. April war die Puxi-Seite im Westen dran, in der ich wohne.


Nachdem verkündet wurde, dass der Lockdown kommt, fanden Hamsterkäufe statt.

Lautsprecher verkünden seitdem öfters weithin hörbar Informationen über den Stand der Dinge. Minutenlang hallen dann diese Durchsagen über die Dächer des Stadtteils, Desinfektionstrupps kommen, um Gebäude zu dekontaminieren.


Der Lockdown haut mich nicht um, aber die Frage, ob man genug zu essen gekauft hat, löst ein mulmiges Gefühl aus, besonders da alle Geschäfte geschlossen sind.

Infiziert zu sein wäre schlimmer, denn dann geht es in ein Quarantänezentrum außerhalb, wo man in riesigen Bettenhallen mit anderen Infizierten zwei Wochen bleiben muss.


Wir richten uns hier auf dem Schulgelände ein, sind sicher abgeschottet, keiner ist infiziert, wir dürfen auf das Gelände und haben genug Platz.

Wir werden dreimal täglich in der Mensa mit Essen versorgt. Bestellservices, auf die ich hoffte, fahren leider nicht mehr und es gibt auch kein Essen mehr, das man bestellen kann.

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Heute Morgen war Massentestung. Auf dem Weg zum Testzentrum lief man über vollkommen leere Straßen. Kein einziges Auto, kein Motorrad war unterwegs.


Im Lockdown rausgehen ? Hier auf dem Gelände gut möglich. Manchmal setze ich mich aufs Dach. Es ist schon sommerlich warm und man bekommt Urlaubsbräune.

Ich fühle mich wie in einer südeuropäischen Metropole. Mittagssonne, Siesta, wenn sich die Hitze über die Stadt legt und die Aktivitäten zum Stillstand kommen. Aus irgendeinem offenen Fenster ist unentwegtes Geschwätz zu hören, ab und zu vernimmt man ein Handwerkergeräusch aus irgendeiner Wohnung, Vogelgezwitscher.







Auf dem Weg zu einer Massentestung, einer der wenigen Momente, in denen man auf die Straßen darf.

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Heute wurde verkündet, dass der Lockdown fortgesetzt wird. Das Qingming-Fest, mit den beiden Feiertagen ist quasi ausgefallen. Die Möglichkeit, in den Sommerferien Schanghai zu verlassen und in China zu reisen, sehe ich schwinden.

Man kann auch nicht in den Ferien nach Hause fliegen, weil die Flüge und das Quarantänehotel extrem teuer sind, und die Behörde, die mich entsandte und die zum Auswärtigen Amt gehört, die Kosten von ca. 9000 Euro nicht übernehmen will.

Mittagessen in der Mensa. Wir werden versorgt, aber die Atmosphäre ist gewöhnungsbedürftig.



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Die Versorgungssituation in Schanghai ist angespannt. Lieferapps kann man in diesen Tagen nicht nutzen. Alles ist geschlossen, kein Pizzaservice - nichts.

Man kann versuchen, Lebensmittel und vor allem frisches Gemüse und Obst bei der Regierung zu bestellen. Die schenkt es der Bevölkerung und bringt es vorbei. Dafür muss man in aller Frühe aufstehen. Wenn es dann um sechs Uhr losgeht, ist nach wenigen Minuten alles komplett verlauft, so als würde man Tickets für ein Konzert von einem Superstar haben wollen.


Wir haben ein Riesenglück, dass wir hier in der Schule untergebracht sind. Täglich drei warme Mahlzeiten. Der Koch lebt auch auf dem Schulgelände und die Speisekammer ist anscheinend gut gefüllt. Es gibt auch täglich frisches Gemüse.


Insgesamt sind wir hier ca. 15 Leute, zehn Lehrer, der Koch und ein paar Männer vom Wachdienst. Die Sporthallen sind geöffnet und mit meinem Kollegen, einem Sportlehrer, spiele ich abends Tischtennis. Man kann auch gegen die Ballwurfmaschine spielen, um zu trainieren oder joggen gehen oder einfach in der Sonne sitzen.


Im Haus gegenüber werden alle Menschen getestet oder es werden ihnen Lebensmittel gebracht. : Etage für Etage, Wohnung für Wohnung

Wie ist das möglich bei 26.000.000 Menschen in dieser Riesenstadt?

Für das Haus gegenüber mit seinen zwölf Etagen brauchten die Mitarbeiter ca. eine Stunde, das sind nur fünf Minuten für jede Etage. Man schafft also in 12 Stunden ca. zwölf Häuser. Aber Schanghai hat Hochhäuser, so weit man blicken kann.

Ein erschöpfter Mitarbeiter, der kurz Pause macht.

Auch in dem Ganzkörperanzug steckt ein Mensch, was man aber nur wirklich wahrnimmt, wenn er das Gesicht frei macht, um kurz zu verschnaufen,


Und wieder zum Test. Auch wenn es nach langer Wartezeit aussieht, geht es recht schnell. Chinesische Organisation


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