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Es ist Herbst in Schanghai

Die Tage werden merklich kürzer und seit dem Wochenende ist es richtig kalt. In Peking fiel schon der erste Schnee, das ist Anfang November auch für die im Norden gelegene Hauptstadt sehr früh.


Alle warnten mich vor dem Winter in Schanghai. Jetzt ist es soweit. Es ist kalt geworden und in der kommenden Nacht sollen die Temperaturen auf 1 Grad sinken.

In Schanghai gibt es keine Heizungen. Eine alte Regel besagt, dass man südlich des Jangtse, der China in Norden und Süden teilt, nicht heizt. Da Schanghai südlich der Jangtsemündung Jangtsemündung liegt, gibt es hier. keine Heizungen. Trotzdem ist der Winter, gerade weil es keine Heizungen gibt, unangenehm. Aber Klimaanlagen können zum Glück auch wärmen.


Bei Uniqlo sah ich vor einer Woche, als man noch wunderbar im T-Shirt draußen sitzen konnte, massenweise Wintersachen, die Auslagen erinnerten mich an einen Wintersportort.

Jetzt weiß ich, warum und bin echt froh, dass ich die Warnungen meiner Kollegen vor dem Winter ernst genommen hatte und zwei Tage, bevor es losging, einkaufen war. Schal, Mütze, warme Hemden - volles Programm.

Lange Unterhosen wären auch nicht verkehrt gewesen. Man sitzt stundenlang im Büro, bewegt sich nicht und dann wäre etwas Wärmendes an den Beinen nicht verkehrt. Die Häuser kühlen schnell aus. Energetisches Bauen ist hier nicht angesagt.


Als ich heute Morgen vor die Tür ging, war es eigentlich herrlich - so klar und kalt bei wolkenlosem Himmel mit tief stehender Morgensonne.

Im Herbst und Winter wird es in Ostchina früh dunkel.

Das Reich der Mitte ist groß und hätte theoretisch vier Zeitzonen, also wie Europa von Moskau bis Lissabon. Aber in ganz China gibt nur eine einzige Zeitzone. Da Schanghai an der Ostküste liegt, geht die Sonne hier früh auf und unter.

In Westen in Zentralasien hingegen wird es deutlich später hell bzw. dunkel. Wenn es hier 21 Uhr ist und man langsam müde wird, weil die Dunkelheit schon seit Stunden die Melatoninausschüttung anregt, ist es im Osten Xinjiangs noch taghell und auch 21 Uhr.

Herbstabend in Schanghai - sieht aus wie im Film "Blade Runner" von 1982


Im Spätherbst, wenn die Dämmerung sehr früh kommt, kann man sich in Schanghai schon etwas verloren fühlen. Mein Weg zur Metro führt an einer Schnellstraße entlang, Autos rauschen an mir vorbei rauschen, VerkehrsSchilder leuchten in verschiedenen Farben, chinesische Schriftzeichen, Passanten eilen anonym an mir vorbei, irgendwo in der Ferne ertönt eine Polizeisirene. Beim Anblick der Hochhäuser frage ich mich, wie viele Biographien und Schicksale hinter den Fenstern dieser abertausenden Wohntürme leben.






Dieses Gefühl des Verloren-Seins kann bedrücken und wurde in diversen Filmen thematisiert. Der Blade Runner spielt zwar in Los Angeles, aber letztendlich ist dort die Stadt zu einer asiatischen Metropole geworden.

Sofia Copolla hat Tokio zur Projektionsfläche vom Gefühl des totalen Verlorenseins von Scarlet Johansson im Film Lost und Translation gemacht.













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