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- Weihnachtsmarkt in Shanghai
Schon seit einigen Jahren gibt es in Shanghai einen German Christmas Market, der sogar ganz offiziell "Christkindlmarkt" heißt. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn man von Freunden aus der Heimat mit Nachrichten überflutet wird, die Fotos zeigen von Weihnachtsplätzchenbäckerei, Adventskränzen mit entzündeten Kerzen, Schneelandschaften, die es dieses Jahr ausnahmsweise schon im Dezember gibt, ist der Weihnachtsmarkt hier ein schönes Trostpflaster bei Heimwehgefühlen. Interessanterweise bin ich wohl der einzige aus meinem Freundeskreis, der dieses Jahr unbeschwert auf einen Weihnachtsmarkt gehen kann, da zu Hause alle Märkte wegen der Pandemie geschlossen sind. Der Weihnachtsmarkt in Shanghai liegt direkt neben einer Kirche, hat einen Platz mit nostalgischem Kinderkarussell, Weihnachtsbaum und Weihnachtspyramide sowie eine mit Ständen gesäumte Straße, in der man viel Typisches aus Deutschland bekommt: Nürnberger Lebkuchen, Weinbergpfirsichlikör von der Mosel, Thüringer Rostbratwurst, Krakauer, Glühwein, Erzgebirgsschnitzereien, Holzspielzeug usw. Es ist teuer für chinesische Verhältnisse: Bratwurst für 55 Yuan (8 Euro). Aber man bekommt gleich zwei Würste mit Sauerkraut und Brötchen, also eine kleine Mahlzeit und nicht bloß einen Snack. Alles, auch der Glühwein schmeckt wirklich wie original aus Deutschland. Kein Wunder, es ist alles importiert. Der Markt liegt am Bund, in der Nähe der Waibaidu-Brücke, hinter dem Park, in dem das ehemalige britische Konsulat war, in der Yuanmingyuan Road zwischen der Union Church und dem Peninsula Hotel.
- Adventszeit und Kirche in China
Es ist Adventszeit und es zieht mich dann und wann in einen deutschsprachigen Gottesdienst. Es gibt Kirchen in China und man kann Gottesdienste abhalten. Aber nach landläufiger Meinung in Deutschland wird die Kirche in China unterdrückt und ihre Vertreter oder Anhänger werden verfolgt. Zu diesem Bild tragen die Medien bei. Bei Wikipedia liest man, dass katholische „Gottesdienste nur in staatlich zugelassenen Kirchen, die zur Chinesisch-Katholisch-Patriotischen-Vereinigung (KPV) gehören, stattfinden dürfen. Dadurch werden die Katholiken genötigt, die Verbundenheit mit dem Heiligen Stuhl zu lösen, da sie den Papst nicht als Kirchenoberhaupt ansehen dürfen. Dem Papst anhängende Katholiken feiern ihre Gottesdienste aus Angst vor Verhaftung im Untergrund.“ (Wikipedia: Römisch-katholische Kirche in China) Die Wortwahl erschreckt: "nötigen", "Angst vor Verhaftung", "Untergrund". Da ich mich bei den Gottesdiensten aber völlig sicher und überhaupt nicht bedrückt fühle - sie finden natürlich an einem staatlich zugelassenen Ort statt, aber damit habe ich kein Problem -, will ich einen genaueren Blick auf die Situation werfen: In der Tat lehnt der Kommunismus Religionen ab, da deren Kraft den Umbau der Weltgesellschaft behindern würde. Karl Marx bemerkte, Religion sei Opium für das Volk, eine Droge die krank macht und schwächt, aber zugleich tröstet und Halt gibt, obwohl sie die Ursache für die Schwächung ist. Bertolt Brecht veranschaulicht dies in seinem "Leben des Galilei" beispielhaft. Eine Weltherrschaft des Kommunismus hätte garantiert das Ende der Kirche bedeutet. Kein zweites Mal in ihrer Geschichte war sie so eklatant und existenziell bedroht wie durch den Kommunismus im 20. Jahrhundert. Entsprechend ist das Verhältnis zwischen Kirche und Kommunismus schwer belastet. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren ein Viertel der Landmasse der Erde und ein Drittel der Weltbevölkerung kommunistisch. In Europa waren es sogar zwei Drittel der Landkarte sowie die Hälfte aller Europäer. Einige westeuropäische Staaten wie Italien und Frankreich wurden bis weit in die 70er Jahre vom amerikanischen Geheimdienst als Kippstaaten eingestuft, bei denen jederzeit eine kommunistische Regierung möglich gewesen wäre. Die Kirche musste handeln und sie wählte einen Kardinal aus einem kommunistischen Land zum Papst. Es war Polen, das als erstes osteuropäisches Land mit der damaligen Solidarnosc-Bewegung wackelig wurde und begann, sich gegen die Machthaber aufzulehnen. Seit den Revolutionen in den osteuropäischen Staaten Ende der 1980er Jahre und dem Zerbrechen der Sowjetunion scheint die Gefahr, der sich die Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesetzt sah, weitgehend gebannt zu sein. Vor dem Gottesdienst noch ein Spaziergang im Fuxing-Park neben der Kirche. Bildnis von Marx und Engels - Gegensätze in unmittelbarer Nachbarschaft Der heutige Konflikt zwischen dem Vatikan und China entzündet sich an der Frage, wer auf chinesischem Territorium die Geschicke der römisch-katholischen Kirche bestimmt. Genau genommen ist es die Frage der Bischofsernennungen. Rom beharrt darauf, dass nur der Papst Bischöfe ernennen oder bestätigen darf, China will dem Vatikan diesen Einfluss auf seinem Territorium nicht gewähren. Dafür bietet China an, selbst Bischöfe zu ernennen durch die bereits oben erwähnte Chinesisch-Katholisch-Patriotische-Vereinigung. Kurz gesagt: Kirche in China ja, aber unter eigener Federführung. Diese Regelung akzeptiert der Vatikan nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Vatikan als einziger europäischer Staat diplomatische Beziehungen zu Taiwan pflegt, während alle anderen europäischen Staaten ihre Botschaften in der Volksrepublik haben. Die Chinesisch-Katholisch-Patriotische-Vereinigung hat einige Bischöfe eingesetzt, die zu 60 % vom Vatikan akzeptiert wurden. Die Haltung Roms ist also ebenfalls nicht so rigide, wie es oberflächlich betrachtet wirkt. Die evangelische Kirche ist pragmatischer und hat entsprechend weniger Probleme. Die hierarchischen Strukturen wie bei den römisch-katholischen Christen gibt es nicht und die Machtfragen, die der Vatikan stellt, interessieren die Evangelischen auch wenig. Folglich ist eine Anpassung an die Forderungen Pekings leichter möglich. Die evangelische, sogenannte "Drei-Selbst-Kirche" kritisiert weder Regierung noch Partei, sondern versucht mit ihnen eine neue chinesische Gesellschaft aufzubauen. Auch hier sind Gottesdienste nur in registrierten Räumen möglich. Der Grund ist wie bei den Katholiken, dass die Regierung eine Steuerung aus dem Ausland verhindern will. Oberkirchenrat Paul Oppenheim, ausgewiesener Kenner der Kirche im Fernen Osten, äußerte sich bei einem Vortrag in Bad Eilsen über "die Lage der Christen im größten Land der Erde", dass Christen auf keinen Fall unterdrückt oder verfolgt würden. Die evangelische Kirche Chinas hat 16 Mio. Mitglieder und ist damit die größte evangelische Kirche der Welt. Chinas Position ist bei Betrachtung seiner Geschichte nachvollziehbar, da es im Jahrhundert der Demütigung von 1840-1946 schutzlos imperialen europäischen und amerikanischen Interessen und japanischen Grausamkeiten ausgeliefert war und nicht mehr Herr im eigenen Land war. Nach diesen traumatisierenden Erfahrungen reagiert man entsprechend ablehnend auf Forderungen nach Einflussmöglichkeiten, die von außen gesteuert werden. Unklug ist dieses Handeln nicht. Es kann auf keinen Fall schaden, wenn man die Dinge selbst in der Hand behält, nicht nur bei Glaubensfragen. Vielleicht wird Europa mittel- bis langfristig diese Erfahrung noch machen, was passiert, wenn Andere das Ruder in der Hand haben und plötzlich ganz neue Wege einschlagen und man plötzlich wehrlos ist, z.B. in der digitalen Information oder der Verteidigung oder gleich beidem zusammen. Die Gottesdienste, an denen ich teilnahm, hatten nicht die Atmosphäre von Untergrundgottesdiensten. Logischerweise müssen wir uns alle wegen der Corona-Pandemie registrieren, aber das muss man auch bei jedem Museumsbesuch etc. Es gibt in Shanghai eine Deutschsprachige Christliche Gemeinde, die vor zwei Jahrzehnten gegründet wurde und ein umfangreiches, bereicherndes Gemeindeleben anbietet mit Martinsumzügen, Adventsgottesdiensten usw. In die Gemeinde wird man von der evangelischen Pfarrerin und dem katholischen Pfarrer gut integriert, es hat fast familiäre Züge. Es gibt einen Chor, einen Posaunenchor und die Kirche ist ziemlich gut besucht. Ich spüre hier keinen Unterschied zu einer Gemeinde in Deutschland, es kommt mir eher lebendiger vor als zu Hause, vielleicht auch wegen der Expads, die hier leben und sich eher in der Kirche zusammenfinden als zu Hause, um in Shanghai vernetzt zu sein.
- Der Konfuziustempel Lao Xi Men
Ich habe richtig Glück: Meine Quarantäne ist vorbei, ich darf mich in der Stadt bewegen, bin aber noch unter "Monitoring", d.h. einmal pro Woche geht es zum PCR-Test und es wird empfohlen, sich nicht dort aufzuhalten, wo viele Menschen sind. Gleichzeitig fällt das Ende der Quarantäne in die Goldene Woche, eine Zeit, in der in ganz China nicht gearbeitet wird, weil vor 72 Jahren die Volksrepublik durch Mao ausgerufen wurde. Ich habe also die Gelegenheit, die Stadt zu erkunden und das mache ich natürlich in vollen Zügen. Der Herbst ist eine schöne Jahreszeit in Schanghai. Es ist hochsommerlich warm, also 32 Grad bei wunderbarstem Wetter! Der Kunfuziustempel in Lao Xi Men stand auf dem Programm. Ist Konfuzianismus eine Religion oder eine Philosophie? Die Frage wurde von Europäern seit Beginn der Begegnungen mit China gestellt. Darin spiegelt sich ein Grundunterschied in der abendländischen und der fernöstlichen Denkweise wider. Kategorisieren und Definieren sind analytisch, also europäisch. Die Grenzen zwischen den Definitionen offen zu lassen ist synthetisch, also fernöstlich. Die analytische Frage, ob Konfuzianismus eine Philosophie oder eine Religion ist, ist demnach eine sehr europäische. Die Chinesen sehen darin keinen Widerspruch. In China findet sich die Synthese auch in der späteren Zusammenführung der "Drei Lehren" Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus im Neokonfuzianismus der Ming-Zeit wieder. Diese unterschiedliche Denkweise - analytisch versus synthetisch - zieht sich durch das westliche und fernöstliche Denken wie ein roter Faden und beeinflusst unser Denken bis heute. Der Konfuzianismus ist eine praktische Lehre, die sich im Wesentlichen auf das Zusammenleben in der Gemeinschaft, aber auch mit der Natur und den unbelebten Dingen bezieht. Die kleinste Einheit des Zusammenlebens ist die Familie, in der die Hierarchien und Beziehungen klar festgelegt sind. Das Oberhaupt hat keine Narrenfreiheit, sondern muss durch vorbildliches Leben und das Streben nach Weisheit Verantwortung übernehmen, damit die Gemeinschaft funktioniert. Demnach gibt es im konfuzianischen Denken kein Erziehen durch Strafe, sondern durch vorbildliches, nachahmenswertes Verhalten. Das bezieht sich nicht nur auf die Familie, sondern auf die gesamte Gesellschaft, d.h. auf alle, die Positionen inne haben, die vorbildlich sein müssen: Vorgesetzte, Politiker, Lehrer usw. Nach Konfuzius ist dieses Handeln die Voraussetzung ein "erhabener Mensch" oder ein "Weiser" zu werden, was zur moralischen Vervollkommnung der Gesellschaft führt. Handelt der Herrscher moralisch, werden ihm seine Untertanen folgen, handelt er hingegen unmoralisch, stürzt das den Staat ins Chaos. Das abendländische Denken stellt nicht die Gemeinschaft in den Mittelpunkt, sondern das Individuum, was schon in der Renaissance begann, was man unter anderem daran sieht, dass die Namen mancher Denker und Künstler jener Zeit berühmter sind als ihre Werke. Allerdings wird erst die Aufklärung als philosophisch begründeter Durchbruch des Individuums gesehen. Im Grunde soll auch im Abendland das Individuum so handeln, dass die Gemeinschaft funktioniert, sonst hätte Kant sich seinen kategorischen Imperativ sonst wohin jubeln können. Die Freiheit, die der Individualismus mit sich bringt und die der Westen als einzige Form akzeptiert, führt heutzutage nicht immer zum Handeln, das einer allgemeinen Gesetzgebung entsprechen könnte, sondern mitunter zu egoistischem Verhalten. Meine Beobachtung, wie reibungslos hier in China die Menschenmassen den Alltag organisiert bekommen, wie angepasst man sich hier Abläufen unterordnet, ist vielleicht ein Stück Konfuzianismus im Alltag. Die Begriffe "Anpassung" und "Unterordnung" sind im Westen eher negativ konnotiert. Bei 1.4 Milliarden Menschen wäre ausgeprägter Individualismus in diversen Alltagssituationen nicht unbedingt förderlich. Wenn z.B. in der Rush-Hour Menschenmassen den U-Bahn-Zug verlassen und es circa eine Minute dauert, bis man überhaupt zur Rolltreppe gelangt, weil so viele Menschen dasselbe wollen, ist vorbildliches, gemeinschaftliches Verhalten keine schlechte Tugend. Wenn in dieser Situation eine starke individualistische Persönlichkeit das Gefühl bekommt, dass ihre Wichtigkeit gerade in der Menge untergeht, hat diese Person ein Problem. Unter Umständen wird ihr Problem auch zum Problem für die Gemeinschaft, wenn diese Person die Situation nicht akzeptiert. Der enge Zusammenhalt in den Familien ist ebenfalls ein Stück Konfuzianismus. Kinder, die für ihre Eltern sorgen und sie im Alter auch finanziell unterstützen, sind hier eine Selbstverständlichkeit. Daran führt eigentlich gar kein Weg vorbei und dafür ist nicht einmal ein Gesetz nötig. Der Tempel im Viertel Lao Xi Bang Das Viertel Lao Xi Bang liegt im Zentrum Schanghais und obwohl es in einer der teuersten Gegenden Schanghais liegt, hat es seinen ursprünglichen Charakter bewahren können. Es ist allerdings bei den Grundstückpreisen fraglich, ob die dortige zweigeschossige Bebauung mit den zusammengeschusterten Häuschen noch lange existiert. In dreißig Jahren wird es dort sicher ganz anders aussehen. Im Moment ist es '"typisch China": viel Betrieb auf den Straßen, Kabelgewirr, überall Menschen, die arbeiten oder mit den Nachbarn plaudern oder sich ausruhen und am Handy spielen, dazwischen unentwegt E-Motorroller, Mini-E-Motorräder. Am Rand dieses Gebiets liegt der Konfuziustempel. Wenn man ihn betritt, wird man von einer Oase der Stille umgeben und findet schnell Ruhe und Kontemplation. Der Unterschied zwischen draußen und drinnen ist vergleichbar mit der Stille, die man beim Betreten von weniger bekannten Kirchen z.B. in Köln erlebt, wenn alles Alltägliche und Hektische draußen bleibt und innen eine erstaunliche Stille herrscht. Die Anlage des Konfuziustempels ist aus zwei hintereinander liegenden symmetrisch gestalteten Höfen aufgebaut. Man durchschreitet ein Gebäude, dass die Höfe trennt, bis man zum eigentlichen Tempel gelangt, in dem sich das Heiligste befindet. Dort kann man opfern, beten oder seine Wünsche und Bitten hinterlassen. Auffällig sind bei den einzelnen Gebäuden die ca. 20-30 Zentimeter hohen Türschwellen; behindertengerecht sind solche Anlagen also nicht. Diese Schwellen sollen böse Geister am Eindringen in den Tempel hindern. Ähnliche Schwellen mit gleicher Symbolik gibt es übrigens auch bei norwegischen Stabkirchen. Erst auf den zweiten Blick fiel mir auf, dass die gesamte Anlage viel größer ist. Über die Gebäude, die den Hof umgeben, ragen im Hintergrund weitere Dächer hervor, die mich ahnen ließen, dass es noch weitergeht. So ist es auch; die Anlagen von solchen Tempelbezirken bestehen meist aus vielen Gebäuden, die jeweils unterschiedliche Funktionen haben. Vielleicht erinnert dies ein wenig an ein abendländisches Kloster, das teilweise auch wie ein Dorf im Kleinen aussieht, aber oft doch als zusammenhängender Komplex gestaltet ist. Hier im asiatischen Tempelbezirk besteht der Zusammenhang vor allem in der durchgängigen Gestaltung und der schützenden Mauer, die den gesamten Komplex umgibt. Ansonsten sind es freistehende Gebäude, die allenfalls durch einen überdachten Gang miteinander verbunden sind und dazwischen liegen immer wieder die Gartenanlagen, die wie ein kleiner Ausschnitt aus der Natur erscheinen. Diese Integration von Natur in ein Kloster gibt es im Abendland nicht. Ich empfand das Wandeln durch diese Welt der Spiritualität und Weisheit wie eine kleine Entdeckungstour und so ist es auch konzipiert. Der Weg in die anderen Bereiche ist nicht gradlinig, er führt vorbei an Nischen, Aussichtspunkten, z.B. einer Bank, einem Teich mit einem Pavillon, manchmal entdeckt man noch andere ungeahnte Räume oder Wege, so dass schließlich Zielstrebigkeit von Verweilen abgelöst wird. Bei der Anlage lässt sich ein wesentliches Prinzip chinesischer Architektur erkennen: In China baute man in die Breite, nicht in die Höhe. So wird auch hier bei jedem einzelnen Gebäude und der gesamten Anlage die Horizontale stark betont. Auffällig sind außerdem die für China typischen, elegant geschwungenen, mit aufwendiger Kunstfertigkeit gestalteten Dächer, die viel Symbolik enthalten. Auf den Firsten befinden sich Tonfiguren, oft Drachen, die das Haus schützen sollen. Außerdem gibt es ganze Kolonnen kleiner tönerner Tiere, teils Fabelwesen, teils reale, wie z.B. den Hahn, ein Symbol der Sonne, weil er sie als erster begrüßt. Er ist ein beliebtes Tier auf Dächern, denn sein Krähen soll ebenfalls Schlechtes fern halten. Oft haben solche Gesamtanlagen komplexe Dachlandschaften, bei denen Firste und Giebel orthogonal zueinander stehen. Unterschiedliche Dachhöhen und -größen bewirken einen verschachtelten, aber geordneten Eindruck. Der Eingang zur Bibliothek, dem Zunjing Pavillon, in dem die klassischen Bücher des Konfuzius und verschiedener anderer Philosophen untergebracht sind. Sie wurde 1484 errichtet. 1931 wurde sie zur ersten Nationalbibliothek in Schanghai. Im Garten befindet sich ein größerer Teich, der von einer Pagode und einem Lehrraum für konfuzianische Schüler, der Minglun Halle, umgeben ist. Die Gebäude sind verbunden durch überdachte Wege. Ein kleiner Pavillon ragt in den Teich. Das Innere des Inselpavillions. In historischen chinesischen Gärten sieht man häufig Fotosessions, bei denen die Models traditionelle chinesische Kleidung tragen, so wie auch hier. Die Minglun Halle war in antiken Zeiten der Lehrraum für konfuzianische Schüler. Er wurde 1351 gebaut.
- Übers Frühstück und Chinesisch-Lernen
Meine Quarantäne geht zu Ende. Heute ist der letzte Tag hier im Hotel in Qingdao. Morgen um zehn werde ich abgeholt und zum Flughafen gebracht. Ich werde fliegen, weil der Hochgeschwindigkeitszug acht Stunden braucht. China ist eben das viertgrößte Land der Welt. Die Strecke, die ich fahren würde, sieht auf der Landkarte aus, als bräuchte man dafür zwei Stunden mit dem Auto - aber damit liegt man total falsch. Der Tag fängt immer gut an. Das Wetter ist warm, es ist morgens schon um sieben Uhr taghell. Dann erst mal Aerobic. Das ist nämlich für Quarantäne der ultimative Sport. Seilchenspringen und Workout mit eigenem Körpergewicht sind zwar auch effektiv, aber quälend langweilig. Aerobic mit guter Musik macht einfach Laune. Gut, dass ich so alt bin und noch irgendwo im Hinterkopf hatte, wie damals Sidney Rome und Jane Fonda Hausfrauen dazu animierten, zu Hause vor dem Fernseher Sport zu machen. Das kann man phantastisch in ein Hotelzimmer übertragen. Danach das Frühstück, nun denn - blanchierte Kohlblätter, kurz gekochte Sojasprossen, ein paar frittierte Bällchen in Sesam gewälzt, manchmal ein paar Scheiben Speck dazu oder ein Hefekloß. Am Frühstück scheiden sich die Geister. Dass in anderen Ländern anders gegessen wird, ist klar und man lässt sich aus Neugierde gern drauf ein, aber vielleicht ist der Morgen eine besonders sensible Phase des Tages, bei der man noch nicht so ganz weltoffen ist, sondern eher ein bisschen in sich gekehrt mit dünneren Nerven. Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor ca. zwei Jahren zum Frühstück salzigen Glibber-Reis mit Speckstücken und tausendjährigen Eiern bekam. Frust! Eigentlich liebe ich tausendjährige Eier - aber nicht zum Frühstück. Mittlerweile bin ich es gewohnt, morgens blanchiertes Gemüse mit Soße zu bekommen und dazu noch ein paar frittierte Leckerlis. Drehen wir den Spieß einfach mal um und betrachten deutsche Frühstückssitten aus chinesischer Perspektive. Das bestätigt die These, dass am Morgen die Nerven für fremde Genüsse zu blank liegen, egal, wo man auf der Welt lebt. Mett, das rohe Schwein am Morgen!!! Für Chinesen der reinste HORROR. Zu dem Thema mal ein nettes Video von einem lustigen Rheinländer, der in Schanghai lebt. Die Hälfte des Films plappern die Personen auf Chinesisch, die andere auf Deutsch. Aber es lohnt sich. Rohes Schweinefleisch??? Ihr Deutschen spinnt doch. Ach, übrigens - diesen Thomas aus dem Oberbergischen hat die Liebe nach Schanghai verschlagen. Er wurde in China ein YouTube-Star, der kulturelle Vergleiche zwischen China und Deutschland macht und auf seine ganz spezielle Art erläutert. Er spricht FLIESSEND Chinesisch und beherrscht sogar den Schanghaier Dialekt einwandfrei, so dass Chinesen voller Bewunderung sind. Sprachen lernen Nach meinem Frühstück hatte ich erst einmal Online-Unterricht. Die Schüler werden im Dezember ihre mündliche Prüfung für das Deutsche Sprachdiplom ablegen, das sie berechtigt, an einer deutschen Universität zu studieren. Supernett, die jungen Leute - und talentiert! Die entfalten ihre Positionen zu gesellschaftlichen Fragen in langen, ausführlichen Darstellungen in teilweise einwandfreiem Deutsch. Natürlich langsam und zögerlich, aber es ist ja auch eine verdammt schwierige Sprache. Wenn sie sich beteiligen, stehen sie jedesmal auf und sprechen im Stehen. Das ist durchaus eine psychologische Herausforderung. Man ist exponiert, spricht in der schwierigen Sprache, der Lehrer ist dabei und bewertet eigentlich immer - das muss man erst einmal aushalten. Ich bin froh, dass ich kein Schüler mehr bin. Mein Chinesisch-Lernen geht leider sehr langsam voran. Die Vokabeln kann ich mir einfach extrem schwer merken. Die Wörter ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Wer in China Urlaub gemacht hat, kann das nachvollziehen. Die Leute können sich nicht einmal die Namen der Städte merken, in denen sie waren. Wenn man fragt, was sie gesehen haben, kommt: "Schanghai, Peking, Chinesische Mauer, ja und ein paar andere Städte, deren Namen ich aber vergessen habe." Ging mir genau so, z.B. "Suzhou" - es dauerte, bis ich diesen Namen drin hatte. Allein die Schreibweise ... Wenn man weiß, wie es gesprochen wird, geht es mit dem Merken besser. Mir ging es nicht allein so. Wir trafen bei der letzten Reise vor zwei Jahren junge Amerikaner, also Leute mit jungen Gehirnen, die sagten, sie seien in dieser Stadt gewesen, die man so komisch schreibt, irgendwas mit Suzu... Die waren also auch nicht in der Lage, sich das zu merken. Mittlerweile sind mir chinesische Städtenamen so geläufig, als wäre es Frankfurt oder Dortmund und ich habe auch eine Vorstellung, wo sie liegen usw. Vielleicht klappt das mit der Sprache ja auch irgendwann mal so. Die Motivation habe ich jedenfalls nicht verloren, ganz im Gegenteil, sie wird größer, weil es voran geht. Langsam zwar, aber es geht voran. Hier ist er: Der ultimative Green Health Code für Shanghai, den ich morgen UNBEDINGT brauche, um ins Flugzeug und in die Stadt zu kommen. Es war ein Akt, den aufs Handy zu kriegen; dafür braucht man eine chinesische Telefonnummer, die ich natürlich noch nicht habe, außerdem ist die App auf Chinesisch. Drei Tage habe ich es immer wieder versucht, Leute online kennen gelernt, die jemand kennt, den ich kenne, die Deutsch und Chinesisch können und mir helfen wollten. Ich hatte schon aufgeben und plante, es wie in guten alten Zeiten mit analogen Papieren zu versuchen, was natürlich Riesenprobleme gegeben hätte, aber nach einiger Wartezeit ("Ihre Angaben werden geprüft.") war er auf einmal einfach da, der Code - wie durch ein Wunder. Das zweimal täglich stattfindende Ritual: Fieber messen und per WeChat an die Hotelverwaltung weitergeben. It's Corona-Time.