Meine Quarantäne geht zu Ende.
Heute ist der letzte Tag hier im Hotel in Qingdao. Morgen um zehn werde ich abgeholt und zum Flughafen gebracht. Ich werde fliegen, weil der Hochgeschwindigkeitszug acht Stunden braucht. China ist eben das viertgrößte Land der Welt. Die Strecke, die ich fahren würde, sieht auf der Landkarte aus, als bräuchte man dafür zwei Stunden mit dem Auto - aber damit liegt man total falsch.
Der Tag fängt immer gut an.
Das Wetter ist warm, es ist morgens schon um sieben Uhr taghell. Dann erst mal Aerobic. Das ist nämlich für Quarantäne der ultimative Sport. Seilchenspringen und Workout mit eigenem Körpergewicht sind zwar auch effektiv, aber quälend langweilig. Aerobic mit guter Musik macht einfach Laune. Gut, dass ich so alt bin und noch irgendwo im Hinterkopf hatte, wie damals Sidney Rome und Jane Fonda Hausfrauen dazu animierten, zu Hause vor dem Fernseher Sport zu machen. Das kann man phantastisch in ein Hotelzimmer übertragen.
Danach das Frühstück, nun denn - blanchierte Kohlblätter, kurz gekochte Sojasprossen, ein paar frittierte Bällchen in Sesam gewälzt, manchmal ein paar Scheiben Speck dazu oder ein Hefekloß. Am Frühstück scheiden sich die Geister.
Dass in anderen Ländern anders gegessen wird, ist klar und man lässt sich aus Neugierde gern drauf ein, aber vielleicht ist der Morgen eine besonders sensible Phase des Tages, bei der man noch nicht so ganz weltoffen ist, sondern eher ein bisschen in sich gekehrt mit dünneren Nerven.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor ca. zwei Jahren zum Frühstück salzigen Glibber-Reis mit Speckstücken und tausendjährigen Eiern bekam. Frust!
Eigentlich liebe ich tausendjährige Eier - aber nicht zum Frühstück.
Mittlerweile bin ich es gewohnt, morgens blanchiertes Gemüse mit Soße zu bekommen und dazu noch ein paar frittierte Leckerlis.
Drehen wir den Spieß einfach mal um und betrachten deutsche Frühstückssitten aus chinesischer Perspektive. Das bestätigt die These, dass am Morgen die Nerven für fremde Genüsse zu blank liegen, egal, wo man auf der Welt lebt.
Mett, das rohe Schwein am Morgen!!! Für Chinesen der reinste HORROR.
Zu dem Thema mal ein nettes Video von einem lustigen Rheinländer, der in Schanghai lebt. Die Hälfte des Films plappern die Personen auf Chinesisch, die andere auf Deutsch. Aber es lohnt sich.
Ach, übrigens - diesen Thomas aus dem Oberbergischen hat die Liebe nach Schanghai verschlagen. Er wurde in China ein YouTube-Star, der kulturelle Vergleiche zwischen China und Deutschland macht und auf seine ganz spezielle Art erläutert. Er spricht FLIESSEND Chinesisch und beherrscht sogar den Schanghaier Dialekt einwandfrei, so dass Chinesen voller Bewunderung sind.
Sprachen lernen
Nach meinem Frühstück hatte ich erst einmal Online-Unterricht.
Die Schüler werden im Dezember ihre mündliche Prüfung für das Deutsche Sprachdiplom ablegen, das sie berechtigt, an einer deutschen Universität zu studieren.
Supernett, die jungen Leute - und talentiert!
Die entfalten ihre Positionen zu gesellschaftlichen Fragen in langen, ausführlichen Darstellungen in teilweise einwandfreiem Deutsch. Natürlich langsam und zögerlich, aber es ist ja auch eine verdammt schwierige Sprache.
Wenn sie sich beteiligen, stehen sie jedesmal auf und sprechen im Stehen. Das ist durchaus eine psychologische Herausforderung. Man ist exponiert, spricht in der schwierigen Sprache, der Lehrer ist dabei und bewertet eigentlich immer - das muss man erst einmal aushalten. Ich bin froh, dass ich kein Schüler mehr bin.
Mein Chinesisch-Lernen geht leider sehr langsam voran. Die Vokabeln kann ich mir einfach extrem schwer merken. Die Wörter ähneln sich wie ein Ei dem anderen.
Wer in China Urlaub gemacht hat, kann das nachvollziehen. Die Leute können sich nicht einmal die Namen der Städte merken, in denen sie waren. Wenn man fragt, was sie gesehen haben, kommt: "Schanghai, Peking, Chinesische Mauer, ja und ein paar andere Städte, deren Namen ich aber vergessen habe."
Ging mir genau so, z.B. "Suzhou" - es dauerte, bis ich diesen Namen drin hatte. Allein die Schreibweise ... Wenn man weiß, wie es gesprochen wird, geht es mit dem Merken besser. Mir ging es nicht allein so. Wir trafen bei der letzten Reise vor zwei Jahren junge Amerikaner, also Leute mit jungen Gehirnen, die sagten, sie seien in dieser Stadt gewesen, die man so komisch schreibt, irgendwas mit Suzu... Die waren also auch nicht in der Lage, sich das zu merken.
Mittlerweile sind mir chinesische Städtenamen so geläufig, als wäre es Frankfurt oder Dortmund und ich habe auch eine Vorstellung, wo sie liegen usw. Vielleicht klappt das mit der Sprache ja auch irgendwann mal so. Die Motivation habe ich jedenfalls nicht verloren, ganz im Gegenteil, sie wird größer, weil es voran geht. Langsam zwar, aber es geht voran.
Hier ist er: Der ultimative Green Health Code für Shanghai, den ich morgen UNBEDINGT brauche, um ins Flugzeug und in die Stadt zu kommen. Es war ein Akt, den aufs Handy zu kriegen; dafür braucht man eine chinesische Telefonnummer, die ich natürlich noch nicht habe, außerdem ist die App auf Chinesisch. Drei Tage habe ich es immer wieder versucht, Leute online kennen gelernt, die jemand kennt, den ich kenne, die Deutsch und Chinesisch können und mir helfen wollten. Ich hatte schon aufgeben und plante, es wie in guten alten Zeiten mit analogen Papieren zu versuchen, was natürlich Riesenprobleme gegeben hätte, aber nach einiger Wartezeit ("Ihre Angaben werden geprüft.") war er auf einmal einfach da, der Code - wie durch ein Wunder.
Das zweimal täglich stattfindende Ritual: Fieber messen und per WeChat an die Hotelverwaltung weitergeben. It's Corona-Time.